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Wo die Liebe hinfällt...

30.08.2022 um 12:58, Magdalena M. Fuchs
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... und wo die Liebe ankommt. Worüber gibt es so viele Bücher, zahlreiche Filme, Gedichte und Theaterstücke und Abertausende Ratschläge, Meinungen und Erwartungen wie über die Liebe? Ob Ehe, offene Beziehung oder Langzeitpartnerschaft, uns alle begleiten Beziehungen: ein Leben lang.

Was ist Liebe? Im Duden wird die Liebe als starkes Gefühl des Hingezogenseins beschrieben und als eine im Gefühl begründete Zuneigung zu einem nahestehenden Menschen. Und sie ist so alt wie die Menschheit selbst. Die Liebe kennt viele Gesichter und viele Formen. Mit dem großen Begriff „ Liebe“ schwingen Wünsche, Erwartungen und Erfahrungen mit. Liebe kann Sehnsucht bedeuten, sie steht für Glück und Vertrauen, kann ein Synonym für Lust, Leidenschaft und Sexualität sein, kann zu Abhängigkeit führen oder gemeinsame Freiheit meinen, Liebe kann uns entspannen und Kraftgeben, der Verlust eines geliebten Menschen hinterlässt tiefe Leere und Traurigkeit. Liebe kann romantisch sein, körperlich oder platonisch erlebt werden, manchmal ist Liebe verboten, sie wird käuflich angeboten, manchmal vorgegaukelt oder währt in manchen Fällen für immer. Wenn wir verliebt sind, flattern die Schmetterlinge, wenn wir wirklich lieben, vertrauen wir. Wir machen uns damit auch verletzbar und wir sind damit menschlich. Ob elterliche Liebe zu den Kindern, die Liebe von Gläubigen zu Gott, die Liebe zum Partner, die platonische Liebe zwischen Freunden oder die Liebe zu sich selbst.

Romeo und Julia. Eine der weltbekanntesten Liebesgeschichten – William Shakespeares 1587 veröffentlichte Tragödie „Romeo and Juliet“ – kann man heute etwas kritischer sehen. Zwei junge Menschen aus verfeindeten Familien werden aufgrund ihrer vermeintlich romantischen Liebe durch fatale Umstände in den Suizid getrieben. Heute bezeichnen wir so etwas als toxische Beziehung und vermutlich jeder Paartherapeut würde zur offenen Kommunikation raten. Anstatt sich durch fälschliche Annahmen und unerfüllte Erwartungen verrückt machen zu lassen, ist es oft gut, ein Gespräch zu suchen und den Partner einzuweihen: Was brauche ich, was möchte ich und was ertrage ich nicht? Das bedeutet nicht, dass jede Kleinigkeit geteilt werden muss, es bedeutet vielmehr, die wichtigen Dinge im Leben zu teilen und sich zu beraten.

Vielfalt. So vielfältig wie die Menschen sind auch die Beziehungsmodelle: Patchworkfamilien, Fernbeziehungen, polyamouröse Beziehungen, Langzeitsingles und zahlreiche andere Möglichkeiten beschreiben die Beziehungsformen unserer Zeit. Manche Menschen daten gerne, nutzen ihr Singledasein und führen ihre innigen Beziehungen lieber mit Freunden als im romantischen Rahmen. Für andere ist es der große Traum, mit der einen Person eine Familie zu gründen und alt zu werden. Während es für den einen notwendig ist, sich sexuell auszuleben und sich mit unterschiedlichen Partner einzulassen, ist anderen eine stablie und langjährige Beziehung wichtig. Außerdem ändern sich im Laufe des menschlichen Lebens auch die Prioritäten: Nach dem Schulabschluss werden an Beziehungen andere Anforderungen gestellt als mit Ende zwanzig, Themen wie Familiengründung und gemeinsames Wohnen beeinflussen eine Paarbeziehung und nach einer Scheidung oder mit erwachsenen Kindern wird eine Beziehung anders erlebt als in jungen Jahren.

Beziehung = Arbeit? Sich auf jemanden einzulassen ist keine einmalige Entscheidung. Es ist eine tägliche Entscheidung für das gemeinsame Leben und den gemeinsamen Weg, ein tägliches Jasagen zum Partner. Beziehung bedeutet auch Arbeit, es ist kein Perpetuum mobile, das von selbst läuft ohne unser Zutun. Sind es kleine Gesten im Alltag, Aufmerksamkeiten für den anderen oder das bewusste Zeitverbringen – es erfordert täglichen Einsatz und Hingabe. Das klingt anstrengend, ist es auch. Und es ist auch wunderschön! Schließlich verändern wir uns im Laufe des Lebens, wir wachsen und entwickeln uns und im gewünschten Fall tun wir das gemeinsam mit unserem Partner. Berufliche Veränderungen, Umzüge oder Familienplanung, Verluste und Erlebnisse prägen uns und der Zusammenhalt und der Austausch mit den Liebsten können unser Anker sein und uns gegenseitig entfalten und entwickeln lassen. Persönliches Wachstum sollte innerhalb der Beziehung möglich sein, das bedeutet oft Gesprächs- und Mitteilungsbedarf und kann auch zu Reibungen führen, denn Beziehungsbedürfnisse dürfen sich auch verändern. Doch gemeinsame Gespräche, verständnisvolles Zuhören und Empathie für die Bedürfnisse des anderen lassen Paare langfristig wachsen – miteinander wachsen.

Singles oder Searchers? Einer Umfrage Anfang des Jahres zufolge leben 1,8 Millionen Singles in Österreich. Das entspricht 29 Prozent der Gesamtbevölkerung und spiegelt eine konstante Situation unserer Gesellschaft wider. Besonders Menschen unter 30 haben wenig oder keine Beziehungserfahrungen. Heutige Anforderungen an junge Menschen und lange Ausbildungswege verändern so auch das Beziehungsverhalten. Während unter Singles Menschen zu verstehen sind, die sich gegen eine Beziehung entscheiden, sind Seachers bewusst nach einer Partnerschaft suchende Menschen. Dass damit oft ein Stigma einhergeht und Alleinstehende als „unvollständig“ angesehen werden, als Töpfe, die bloß noch nicht den passenden Deckel finden konnten, ist diskriminierend und kurzsichtig. Gründe für einen Singlestatus sind vielfältig und persönlich, ob bewusste Entscheidung, tragische Fügung oder ungewollte Phase. Romantische Beziehungen sind ein hohes Gut, das uns erfüllen und bereichern kann, ohne zwingend erforderlich zu sein.

Kommt Zeit, kommt Rat. Einer weiteren Umfrage zufolge steigt auch das Durchschnittsalter der Mütter, während 1989 das Durchschnittsalter der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt noch bei 26,8 Jahren lag, lag 2019 das Durchschnittsalter bei 31,2 Jahren. Sehr junge Mütter gibt es immer weniger, die Zahl der älteren Mütter hat sich hingegen verdreifacht. Dafür sind sowohl soziale Gründe als auch medizinische Möglichkeiten verantwortlich. Daraus könnte man schließen, dass sich mit der Lebenserwartung und den heutigen Berufsmöglichkeiten auch die Partnerwahl und die Familiengründung eher auf die Mitte als auf den Anfang des erwachsenen Lebens verschoben haben. Manche Paare berichten von täglicher Arbeit an der Kommunikation, von Kompromissen beim Einkauf und bei den Finanzen und vom Entgegenkommen bei Urlaubs- und Freizeitplänen. Andere Paare streiten, bis die Teller brechen, versöhnen sich wieder – dank Paartherapeuten wurden schon Beziehungen geheilt und in ihren Grundfesten bestärkt, andere erkannten in der Therapie, dass es Zeit ist, getrennte Wege zu gehen. Letztendlich gibt es so viele Beziehungsmöglichkeiten, wie es Menschen gibt. Wir verändern uns im Laufe unseres Lebens und mit uns unsere Beziehungen. Mit 18 Jahren haben wir andere Prioritäten, haben andere Bedürfnisse, als wir sie mit 30 oder 50 Jahren haben. Wachstum kann in einer Beziehung funktionieren, Freiheiten können für sich geschaffen werden, Raum für Veränderung und Weiterentwicklung ist in guten Beziehungen vorhanden. Und manchmal ist das traurige Ende einer Beziehung ein gleichzeitiger Neubeginn.

All about feelings. Emotionen sind ein wichtiger Bestandteil für funktionierende Beziehungen. Der bekannte Funke, der überspringt, das starke Gefühl zwischen Verliebten und die Schmetterlinge im Bauch: eine chemische Reaktion unseres Körpers. Neurologen haben herausgefunden, dass Hormone wie Dopamin, die beim Anblick eines geliebten Menschen ausgeschüttet werden, für eine Veränderung der Wahrnehmung sorgen. Für die Bindungsfähigkeit sind die Hormone Oxytocin und Vasopressin essenziell, sie mindern Angst und Stress und erhöhen unser Vertrauen. Wie wir individuell einen Menschen auswählen, in den wir uns verlieben, bleibt Gegenstand der Forschung – dass romantische Liebe ein lebenswichtiger biologischer Mechanismus ist, um Partnerschaften einzugehen und uns fortzupflanzen, ist sicher.

Nach den Schmetterlingen. Irgendwann – Experten sprechen von ein bis drei Jahren – ist die Zeit der rosaroten Brille vorbei. Langsam, aber sicher klärt sich das blumige Bild voller Zuckerwatte, Herzchen und Luftsprüngen und gleicht sich der Realität an. Die Brille mit den rosa Gläsern wird ausgewechselt gegen funktionales Brillenglas und unser Partner begegnet uns plötzlich nicht mehr nur als attraktiver, lustiger und großartiger Mensch. Mit der Zeit erkennt man alle Facetten des Gegenübers, von nervigen Marotten bis hin zu unangenehmen Angewohnheiten – ganz unabhängig von der Art der Beziehung. „Die Menschen heutzutage erwarten zu viel von ihren Partnern“, sagt der Philosoph Alain de Botton, der auch einige Bücher über Beziehungen geschrieben hat. Niemand kann unsere Gedanken lesen und zu glauben, ein Seelenverwandter könnte das, sei fatal. Denn auch die große Liebe kann uns unsere Träume nicht von den Augen ablesen, oft müssen wir uns erklären, diskutieren und viele Gespräche führen, um uns gegenseitig zu verstehen. Das kostet zwar Zeit und Arbeit, lohnt sich aber meistens.

Institution Ehe. Sich das Jawort geben und sich in guten wie in schlechten Zeiten zur Seite stehen, ist eine Entscheidung fürs Leben. Und dieses Versprechen wird immer noch gerne gegeben. Dass die traditionelle Rollenteilung und eine juristisch definierte Beziehung aber nicht mehr der einzige Weg sind, um sich zur gemeinsamen Liebe zu bekennen, ist längst klar. Von der symbolischen Kraft, die von einer Eheschließung ausgeht, berichten viele Verheiratete. Lange Zeit waren Scheidungen für das soziale Zusammenleben undenkbar. Ökonomische Bedingungen, besonders zum Nachteil der Frauen, und familiäre Sicherheit sprachen lange Zeit für eine Verehelichung. Bis heute ist es auch eine praktische Entscheidung: Das Leben zu zweit ist oft preiswerter und schlicht effizienter. Gerade wenn Kinder im Spiel sind, ermöglicht Teamwork eine Arbeitsteilung. Alleinerziehend zu sein, geht oft mit hohem finanziellem Druck und straffem Zeitmanagement einher, zu zweit können Ausgaben geteilt werden. Mit der steigenden Lebenserwartung – als sich die Ehe institutionalisierte, wurden die Menschen etwa halb so alt wie heute – wird es nachvollziebar, dass wir heute oft mehrere anstatt einen langjährigen Partner im Leben haben.

Intimität verbindet. Neben gesellschaftlicher und finanzieller Stabilität, die eine Partnerschaft mit sich bringen kann, sind Nähe, Geborgenheit und Intimität wichtige Säulen einer glücklichen Beziehung. Starke Gefühle und eine befriedigende Sexualität waren lange Zeit eher erfreuliche Zugaben als selbstverständliche Voraussetzungen. Durch gesellschaftliche Veränderungen hat sich auch das Beziehungsleben weiterentwickelt und eine offene Kommunikation über Vorlieben und Bedürfnisse ist zielführender als unausgesprochene Erwartungen.

Die Sprache(n) der Liebe. Mit den fünf Buchstaben des deutschen Wortes „Liebe“ schwingen eine Menge Erwartungen, Wünsche und vorgefasste Bilder mit. Fünf Sprachen der Liebe hat auch der amerikanische Autor und Paarberater Gary Chapman in seinem Buch festgehalten. Eine Sprache der Liebe ist „Lob & Anerkennung“ – verbal ausgedrückte Anerkennung, Dank und ausgesprochene Wertschätzung sind für viele Menschen eine Art, ihre Liebe zu zeigen. Andere zeigen ihre Zuneigung zu ihrem Partner durch Zweisamkeit, bewusste Quality Time also, um mit dem Liebsten Zeit zu verbringen. Eine weitere Sprache der Liebe bezeichnet Chapman als „Geschenke, die von Herzen kommen“: Bewusst überlegt, worüber sich der Herzensmensch freut, kann ein wohl überlegtes Geschenk zeigen, wie sehr jemand mitdenkt, zuhört und die Wünsche des anderen kennt. Eine weitere Sprache der Liebe ist die Hilfsbereitschaft, die sich oft in kleinen Gesten und alltäglichen Aufmerksamkeiten zeigen. Ob es der frisch gemahlene Kaffee ans Bett serviert ist oder das ungebetene Öffnen der Tür, wenn man nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt. Unter Zärtlichkeit vereint Chapman die letzte Sprache der Liebe, zärtliche Berührungen, Händchenhalten und im Vorbeigehen ein Kuss auf die Schulter: So verstehen manche Menschen am besten die Liebe des Gegenübers. Auch wenn die Sprachen der Liebe wohl facettenreicher in all ihren Nuancen sind, so wohnt dem Gedanken doch eine wichtige Botschaft inne: Jeder versteht die Liebe und Zuneigung des Gegenübers über andere Kanäle. Ob in einem Strauß voller Rosen, in einem flüchtigen In- die-Wange-Kneifen, ob mit einer Schachtel Lieblingspralinen oder der ungeteilten Aufmerksamkeit bei einem Gespräch: Erst wenn wir die Sprache unserer Liebsten erkennen, die Gesten, Geschenke oder großen Worte als Bezeugung der Liebe wahrnehmen, können wir diese Sprache auch verstehen. Am Ende des Tages sind die Beziehungen so verschieden wie wir Menschen, und zwischen dem Sichund das Gegenüber-sein-Lassen zeigt die Liebe viele ihrer Facetten: liebevolles Verständnis, unermüdliche Geduld, tiefes Vertrauen und Respekt, der uns auch in Ausnahmesituationen erhalten bleiben sollte.

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