Lady Gaga: Botschafterin für das Anderssein
Im Laufe ihrer Karriere hat Lady Gaga für einige der ikonischsten Momente der Unterhaltungsbranche gesorgt. Man erinnere sich nur daran, wie sie bei den „MTV Video Music Awards“ ein Kleid aus Rindersteaks trug, während eines Konzerts Funken aus ihrem BH spritzen ließ oder im lila Echthaar-Outfit vom Grazer Salon „Hairdreams“ unterwegs war. Immer wieder gelingt es der Künstlerin, sich neu zu erfinden, eine andere Facette zu zeigen und für eine Überraschung zu sorgen. „Mode und Kunst verschmelzen in meinem Körper. Ich mache Performances, nicht nur Musik“, beschreibt die Sängerin ihr Auftreten.
Wandelbar
Aktuell setzt die 35-Jährige auf einen glamouröseren Stil. Sie zeigt mehr von ihrer natürlichen Schönheit, trägt elegante und pompöse Roben – von Gaga zur Lady sozusagen. Diese Transformation hat vielleicht auch etwas mit ihrer neuesten Rolle im Film „House of Gucci“ zu tun. Für die versetzt sich Gaga nämlich voll und ganz in die divenhafte Figur der Patrizia Reggiani, der Ex-Frau von Maurizio Gucci. Wie sie in einem Interview mit der britischen Vogue erklärt, habe sie ganze eineinhalb Jahre als Reggiani gelebt und mit italienischem Akzent gesprochen, um ihre Darstellung zu perfektionieren. Vollen Einsatz und großes schauspielerisches Talent hatte Gaga bereits in ihrer Rolle in „A Star Is Born“ an der Seite von Bradley Cooper gezeigt, wofür sie herausragende Kritiken und einen Oscar für die beste Filmmusik erhielt.
Junges Talent
In verschiedene Rollen schlüpfen und sich auf kreativste Weise in Szene setzen, das konnte Lady Gaga, die eigentlich Stefani Germanotta heißt, bereits als Kind – auch wenn das in der strengen katholischen Mädchenschule an der Upper East Side, die sie besuchte, nicht so gut ankam. Ihre große Leidenschaft zur Musik entdeckte sie ebenfalls früh. Mit vier Jahren begann sie Klavier zu spielen und mit 14 war sie bereits bei „Open Mic Nights“ in New Yorker Clubs zu sehen. Ihre exzentrische Art verstanden nicht viele, in der Schule wurde sie gemobbt. So lernte sie bereits früh, mit Kritik umzugehen. Anstatt sich von verletzenden Worten unterkriegen zu lassen, nutzte sie diese als zusätzliche Motivation.
Jedes Mal, als ich Nein als Antwort bekommen haben, wurde ich stärker.
- Lady Gaga
Kometenhafter Aufstieg
Nach einer turbulenten Zeit, in der sich Stefani als Go-go-Tänzerin ihre Brötchen verdiente und auch erste Erfahrungen mit Drogen machte, wurde sie im Jahr 2000 von einer Plattenfirma entdeckt. 2008 folgte dann ihr großer Durchbruch als Lady Gaga. Woher der Künstlername eigentlich kommt? Den hat sie Freddy Mercury zu verdanken. Er ist nämlich eine Anspielung auf den Hit „Radio Ga Ga“ von Queen aus dem Jahr 1984. Gagas Debütalbum „Fame“ schlug ein wie eine Bombe: Der poppige, elektronische Sound von Singles wie „Just Dance“, „Poker Face“ oder „Paparazzi“ passte optimal zum Zeitgeist der 2000er. Die folgenden Alben waren nicht weniger erfolgreich und so reihte sich die Künstlerin mit den abgefahrenen Bühnenshows und verrückten Kostümen regelmäßig an der Spitze der internationalen Charts ein. Insgesamt verkaufte Lady Gaga bisher mehr als 150 Millionen Tonträger, veröffentlichte sieben Studioalben und wurde mit zwölf Grammys und zwei Golden Globes ausgezeichnet.
Schattenseiten
Bei all dem Glamour, dem Ruhm und Erfolg vergisst man jedoch schnell, dass es hinter der Fassade oft ganz anders aussieht. Seit ihrer Kindheit kämpft Lady Gaga mit Depressionen, Ängsten und Suizidgedanken. „Ich wachte morgens auf und stellte fest, dass ich ‚Lady Gaga‘ war. Und dann wurde ich deprimiert und traurig, ich wollte nicht ich selbst sein. Ich fühlte mich bedroht von den Dingen, die meine Karriere in mein Leben gebracht hatte, und von der Schnelligkeit meines Lebens,“ erzählte der Star in einem Interview mit dem „People“-Magazin
Trauma
In „The Me You Can’t See“, einem Dokumentarfilm von Moderatorin Oprah Winfrey und Prinz Harry zum Thema mentale Gesundheit, spricht Lady Gaga außerdem von einer besonders traumatisierenden Erfahrung in ihrem Leben, die tiefe Spuren hinterlassen hat. „Ich war 19 Jahre alt, habe in der Branche gearbeitet und ein Produzent sagte zu mir ‚Zieh dich aus‘. Und ich sagte ‚nein‘. Und ich ging und sie sagten mir, dass sie meine ganze Musik verbrennen würden. Und sie hörten nicht auf, mich zu fragen. Ich erstarrte einfach und ich erinnere mich nicht einmal,“ erzählt sie im Interview unter Tränen. Körperlich wie psychisch spürte sie die extremen Konsequenzen der Vergewaltigung über lange Zeit. Sie litt unter chronischen Schmerzen und fühlte sich monatelang krank. Erst Jahre später wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.
Musik als Therapie
Auch wenn sie immer wieder mit depressiven Phasen zu kämpfen hat, so hat Lady Gaga doch gelernt, mit ihren Erfahrungen zu leben. „Ich weiß, wie es ist Schmerz zu empfinden. Aber ich weiß auch, wie es ist, sich davon nicht das Leben ruinieren zu lassen“, so die Sängerin. Kraft findet sie in der Musik. So ließ sie beispielsweise viele ihrer persönlichen Erlebnisse und Probleme in ihr neuestes Studioalbum „Chromatica“ einfließen. Das Schreiben der Songs habe für sie eine therapeutische Wirkung gehabt. Um andere Menschen, die ähnliche Dinge durchmachen, zu unterstützen, spricht Lady Gaga immer wieder auch öffentlich über diese Themen. „Viele Künstler haben damit zu kämpfen. Wir müssen aufeinander aufpassen. Wenn Sie jemanden sehen, dem es schlecht geht, schauen Sie nicht weg. Und wenn es Ihnen nicht gut geht, versuchen Sie, auch wenn es vielleicht schwer ist, den Mut zu finden, dem auf den Grund zu gehen,“ sagte sie bei ihrer Rede bei den Grammys 2019.
Gutes tun
Anderen zu helfen, ist allgemein ein großes Anliegen für Lady Gaga. 2012 gründete sie mit ihrer Mutter die „Born This Way Foundation“, um durch die Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten gemeinsam mit Jugendlichen eine „gütigere und mutigere Welt“ zu schaffen. 2020 erschien außerdem das Buch „Channel Kindness: Stories of Kindness and Community“, in dem sie 50 Geschichten über Freundlichkeit veröffentlichte. Auch in der Corona-Krise wurde Lady Gaga aktiv: Gemeinsam mit der Wohltätigkeitsorganisation Global Citizen sammelte sie 35 Millionen Dollar an Spenden. Anderssein. Musikerin, Schauspielerin, Songwriterin, Wohltäterin, Menschenrechtsaktivistin – Lady Gaga ist all das und noch mehr. Die Kunstfigur, die Stefani Germanotta geschaffen hat, lebt das Anderssein in vollen Zügen und ist für viele Menschen, die nicht mit dem Strom schwimmen, eine Inspiration und Botschafterin. Und das wird sie – ob sie nun in verrückten Kostümen auf der Bühne tanzt, als Schauspielerin Gänsehautmomente erzeugt oder in pompösen Roben über den roten Teppich stolziert – wohl für immer bleiben