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Geschäftsleute in einem Hochhaus mit Blick auf die Skyline von Tokio | Credit: iStock.com/metamorworks
Momente der Ruhe im geschäftigen Treiben
Momente der Ruhe im geschäftigen Treiben
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Vorbild Japan? So meistert das Land Veränderungen

07.02.2023 um 12:44, Artikel von Passion-Autor: Barbara Kluibenschädl
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In Japan setzen tiefgreifende Veränderungen vielen Menschen nicht weniger zu als hierzulande. Wie die Menschen des Landes der aufgehenden Sonne gelernt haben, sie anzunehmen.

Ein Blick auf Mitteleuropa zeigt: Die Landschaft in unseren Breiten ist deutlich langsameren und weniger offensichtlicheren Wandlungen unterworfen als jene im Land der aufgehenden Sonne. Kein Berg ist jemals zusammengefallen, kein Wald wurde von einem zum anderen Tag ausgelöscht, die Jahreszeiten kommen verlässlich, und die Seen liegen ruhig in den Talkesseln. Die Zeit scheint still zu stehen. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf die Mentalität der Menschen: Ein tief verankertes Sicherheitsbedürfnis bewirkt, dass wir an gewohnten Strukturen festhalten und uns weigern, die unausweichlichen Veränderungen zu akzeptieren.

Japan und seine geografische Besonderheit

Nicht so die Bevölkerung in Japan, dessen Natur ein gänzlich anderes Gesicht zeigt. Durch seine Lage am "Ring of Fire", einer Zone im pazifischen Ozean, die eine hohe seismische und vulkanische Aktivität aufweist, ist das Land Veränderungen geographischer Natur deutlich stärker ausgesetzt als Länder in Mitteleuropa. Tsunamis, riesige Flutwellen und Erdbeben gehören zum Alltag und bringen Veränderungen des persönlichen Lebensraums im Zeitraffer mit. Das prägt nicht nur die Lebenswelt der Menschen, sondern auch ihr Denken.

Japanerin im Kimono und mit Regenschirm am Ufer eines Sees mit Blick auf den Fuji | Credit: iStock.com/tawatchaiprakobkit
Japans Gesellschaft schöpft Kraft aus ihrer Kultur

Tokio versus Wien

So könnten Wien und Tokio strukturell gesehen nicht unterschiedlicher sein. In Wien, wie auch in vielen anderen Städten Europas, gelten strenge Denkmalschutz-Gesetze und städtebauliche Vorschriften, die das materielle Erbe des Landes bewahren. In Tokio dagegen herrscht nahezu architektonische Anarchie. Die Höhe und das Aussehen eines Gebäudes sind einerlei, die Bausubstanz ist auf maximal dreißig Jahre ausgelegt, wodurch der Wiederverkaufswert der Immobilien gleich Null ist. Kontinuierlich wird gebaut, abgerissen und wiederaufgebaut. Jedes Gebäude kann das Stadtbild neu definieren. Sich an materielle Werte zu klammern, scheint den Bewohnern absurd. Keine Denkmäler prägen die Straßen, sondern blinkende Werbetafeln verschiedener Firmen. Ein Spiegelbild der geographischen Gegebenheiten der Halbinsel, deren Natur nicht zur Ruhe kommt.

Reges Treiben in den Straßen von Tokio | Credit: iStock.com/fazon1
Tokio - eine Stadt, die nicht zur Ruhe kommt

Schlummernde Naturgewalten

Wie die westlichen Industriestaaten hat auch Japans Gesellschaft mit den Anforderungen des modernen Lebens zu kämpfen, darunter der Zunahme psychischer Erkrankungen. Die latente Bedrohung in Form von schlummernden Naturgewalten, die sich jederzeit entladen können, verstärken diese Tendenz noch. Hans Sautter beschreibt jene in seinem Bildband "Japan" treffend als "Katalysator für mentale Instabilität".

Tsunamis und Zen-Gärten

Dazu kommt, dass das Meer in Japan nie mehr als 114 Kilometer weit entfernt liegt. Es ist Nahrungsquelle und zerstörerische Kraft in einem. An einem Tag beschenkt es die Menschen mit Fischen und Meeresfrüchten, an anderen Tage bringt es Tsunamis mit sich, die enorme Schäden und viel Leid verursachen. Die Erkenntnis, dass die Natur weder gut noch böse ist, sondern sich einfach permanent wandelt, ist mit ein Grundstein japanischer Ethik und Kultur.

Darin wurzelt auch das nahezu zwanghafte Bedürfnis, die Natur unter Kontrolle zu bringen. Beispiele dafür sind die Küstenabschnitte Japans, die zum Schutz vor Sturmfluten mit Wellenbrechern verbaut sind, oder die penibel gestutzten und gefegten Zen-Gärten.

Japanischer Zen-Garten im Herbst | Credit: iStock.com/gyro
Zen-Gärten - wohltuende Oase der Ruhe

Mono no aware

Wie ein Ausgleich zu dem ständigen Wandel, dem alles unterliegt, erscheint das im Lauf von tausenden Jahren entstandene geistige Erbe des Landes. Der Glaube an eine übernatürliche Welt mit Geistern, die Tradition der Ahnenverehrung, soziale Rituale und Zeremonien geben Japans Kultur festen Halt.

Belege dafür findet man auch in der Sprache wieder. "Mono no aware" ist ein japanischer Begriff, der sich kaum wörtlich übersetzen lässt und sinngemäß den Genuss der Endlichkeit und die Akzeptanz der Unbeständigkeit bedeutet. Japaner gehen davon aus, dass Schönheit erst durch ihre Vergänglichkeit ihre Besonderheit erlangt. Ein bekanntes Beispiel ist die Sakura-Blüte (Kirschblüte), die Japaner über alles verehren, obwohl oder gerade weil ihre Blütezeit nur von kurzer Dauer ist.

Wer sich dem Gefühl "mono no aware" hingibt, überwindet seinen Schmerz über die Vergänglichkeit des Lebens, indem er sie anzunehmen lernt. Eine Gabe, die die japanische Gesellschaft im höchstem Maße kultiviert hat.

Ausfahrtsstraße in Tokio bei Nacht | Credit: iStock.com/Epsilon5th
Die japanische Gesellschaft ist buchstäblich in Fahrt

Zur Autorin

Sie schwärmen für Asien? Dann haben Sie etwas mit Passion Author Barbara Kluibenschädl gemeinsam. Die Tirolerin hat ein Faible für asiatische Kultur und Kulinarik, von denen auch ihre Texte, mit denen sie www.weekend.at bereichert, überwiegend handeln.

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