Wie japanische Pubs die Welt erobern
Wer einmal in Japan war, kennt die typischen kleinen Pubs mit den traditionellen roten Laternen, die die Eingänge zieren. Sie sind praktisch in jeder Großstadt zu finden, von Tokio bis Osaka. Izakayas sind kleine Kneipen, in denen sich Japaner nach der Arbeit zum Trinken und Essen, aber auch zum Entspannen und Vergnügen treffen. Die Japaner schätzen Izakayas für ihre "Wärme". Gemeint ist dabei die gemütliche, bodenständige Atmosphäre der Pubs, die sich in Architektur, Speiseauswahl und Service widerspiegelt. Diese steht im scharfen Kontrast zur geschäftigen Arbeitswelt, zum Lärm und der Unruhe der Großstädte.
Wie enstanden Izakayas?
Der Ursprung dieser traditionellen Bars liegt in der Kamakura-Zeit, dem japanischen Mittelalter. Dort gab es sogenannte Sake-Häuser, in denen das alkoholische Nationalgetränk vorerst nur verkauft wurde. Im Laufe der Zeit begannen die Kunden vor den Geschäften gemeinsam einen Schluck zu trinken, und schon bald wurden Tische aufgestellt und einfache Gerichte dazu gereicht. Die Sake-Häuser verwandelten sich zunehmend in kleine gemütliche Pubs, in denen auch heute noch der Ausschank von Alkohol im Vordergrund steht. So manche Izakayas können eine stolze Auswahl an verschiedenen Sake-Sorten anbieten, manchmal mehr als hundert. Die dazu gereichten Gerichte werden in kleinen Gefäßen und Tellern, ähnlich wie spanische Tapas, als Begleitung zu den Getränken serviert, nicht umgekehrt.
Was macht Izakayas so besonders?
Die Izakayas bestechen durch ihren traditionellen Baustil. Durch Japans Lage an der Naht zwischen pazifischen Ozean und asiatisch-europäischer Kontinentalplatte wird seit jeher aus Holz gebaut, das zugleich beweglich und stabil ist. Der Boden ist mit Tatami-Matten aus gewebten Binsen ausgelegt, die Möbel sind rustikal, aber stets elegant. Das Interieur ist in hellen und warmen Tönen gehalten, die Wände sind mit Aufklebern, Ornamenten und Plakaten verziert, und die Beleuchtung ist gedämpft. Alles soll für Gemütlichkeit sorgen und Geborgenheit und Wärme vermitteln.
Auch der in Japan sonst sehr formelle Sprachgebrauch wird in den Izakayas vernachlässigt. Status und Stellung werden vergessen, es wird ungewohnt laut und offen gesprochen. Der Gast soll sich wie zu Hause fühlen. Deswegen sind auch Küche und Gästebereich nicht getrennt. Kunden, Personal und Besitzer sollen sich näherkommen. Die Bar grenzt daher direkt an den Küchenbereich. Auch die häufig handgeschriebenen Speisekarten unterstreichen das Gefühl von Heimeligkeit.
Izakaya-Besuche als Psychohygiene
Japan ist eines der Industrie-Länder mit der höchsten Suizidrate weltweit. Gründe dafür sind vor allem die Auswirkungen der ökonomischen Krise der 1990er-Jahre und die verhärteten sozio-kulturellen Strukturen, die sich etwa in dem Phänomen Hikikomori äußern. 2009 wurde dazu in der Großstadt Omura eine Studie mit mehr als hundert Izakaya-Besitzern durchgeführt, mit dem Ziel, die Bedeutung der Bars im Leben der Japaner zu erforschen. Die Autoren fanden heraus, dass besonders Männer im mittleren Alter die Gelegenheit nutzen, ungewohnt offen mit dem Personal über die Arbeit und finanzielle Probleme zu sprechen. Die Angestellten in den Izakayas gelten als entsprechend gute Zuhörer.
Izakayas weltweit
Das Konzept der Izakayas hat schon längst Einzug im Westen gehalten. Ein besonders bekanntes und schon seit 1996 etabliertes findet man im Souterrain eines Bürogebäudes in Manhattan. Das sogenannte Sakagura wird von Sakura Yagi geführt und ist trotz mangelhafter Beschilderung außergewöhnlich gut besucht. Auch in anderen Städten wie London und Paris findet man die berühmten japanischen Tapas-Bars.
Anders als in Japan steht in den westlichen Izakayas mehr die Kulinarik im Vordergrund. Angeboten wird meist traditionell Japanisches wie Karaage (knusprig frittiertes Hühnchen), Torytsukuni (Hühnerfleischbällchen), Yakitori (gegrillter Fisch), Tempura oder Tofu. Jedes Gericht wird in einem eigenen Gefäß serviert und zum Teilen in die Mitte des Tisches gestellt. Traditionellerweise variiert das Geschirr mit den Jahreszeiten. Die westlichen Varianten der Izakayas sind dabei mehr hippe Lifestyle-Restaurants als Traditionsgeschäfte, in denen man deutlich den Einfluss der westlichen Esskultur spürt.
Der Besuch in einem Izakaya wird gerne als „Bar-Baden“ bezeichnet, da es so viel mehr zu sein scheint als nur Essen und Trinken. Die japanischen Pubs überzeugen mit ihrer warmen Atmosphäre, Einfachheit, guten Snacks und stets freundlichem, service-orientiertem Personal. Dieses Konzept geht auf - sowohl im Osten als im Westen.
Zur Autorin
Sie schwärmen für Asien? Dann haben Sie etwas mit Passion Author Barbara Kluibenschädl gemeinsam. Die Tirolerin hat ein Faible für asiatische Kultur und Kulinarik, von denen auch ihre Texte, mit denen sie www.weekend.at bereichert, überwiegend handeln.