Männer in Thailand: Zuerst ins Kloster, dann die Hochzeit
Zum Leben der meisten Männer in Thailand gehört der kurzzeitige Eintritt in ein buddhistisches Kloster. Diese Form der Glaubensausübung ist einzigartig im Buddhismus und wird auf diese Art und Weise hauptsächlich in Thailand praktiziert. Fast 95 Prozent der thailändischen Bevölkerung sind Anhänger der buddhistischen Lehre. Wie in jeder modernen Gesellschaft kommt es auch in Thailand zunehmend zu einem Bedeutungsverlust der alltäglichen Religionsausübung (Buddhismus ist keine Religion im eigentlichen Sinne). Mit dem zeitweiligen Eintritt ins Kloster soll die Bedeutung der Kultur und Tradition des Buddhismus wieder gestärkt werden.
Hochzeit, Eltern und Verstorbene
Die Tradition des temporären Klostereintritts in Thailand ist multidimensional verankert. Es geht nicht nur um den Kulturerhalt. In manchen Regionen des Landes ist der Eintritt ein Muss, um als heiratswürdiger Mann angesehen zu werden und den Status des khon dip, einer unreifen Person, abzulegen.
Zudem ist die Zeit im Kloster ein Verdienst an der Familie. Karmische Konsequenzen werden dadurch vermindert und der Eintritt ins Nirwana somit begünstigt. Vergleichbar ist das Nirwana mit dem Paradies oder dem Himmel im christlichen Glauben. Wer es ins Nirwana schafft, hat sich aus der Schleife der Wiedergeburt befreien können und ist in absoluter Balance, frei von Gedanken und Gefühlen.
Außerdem kann der kurzzeitige Eintritt ins Kloster einem Verstorbenen helfen, ins Nirwana zu gelangen. Die thailändische Tradition prophezeit einen leichten Übergang in dieses, wenn sich ein Verstorbener an der Robe eines Mönches festhalten kann.
Regen schafft Zeit
Viele junge thailändische Männer entscheiden sich in der Regenzeit für einen Eintritt ins Kloster. Zu dieser Zeit ist weniger Arbeit auf den Feldern. Die Aufenthaltsdauer im Kloster ist frei wählbar, von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten. Die jungen Männer, oft im Alter von 20 Jahren, treten als neen (Novizen) ihre Zeit im wat (Kloster) an. Gemeinsam mit ihren Eltern und engen Verwandten beginnen diese ihr buat nahfai (Bezeichnung für diese Tradition) mit einer Ordinations-Zeremonie.
Dort wird ihnen als erstes ihr Kopf rasiert. Alle Familienmitglieder schneiden als Geste der Teilnahme ein Büschel Haar ab, ein Mönch des Klosters vervollständigt anschließend die Kopfrasur inklusive der Entfernung der Augenbrauen. Anschließend geht es zum eigentlichen Initiationsritus in die Räumlichkeiten des Tempels.
10 Gebote und orange Roben
Die Zeremonie findet in der alten thailändischen Sprachvariation Pali statt. Nach Gebeten der Mönche müssen die neuen Novizen die zehn Regeln für die Zeit im Kloster vortragen. Diese müssen im Vorfeld auswendig gelernt werden. Zu den Geboten gehört unter anderem kein Essen nach 12 Uhr Mittag und der Verzicht auf Sex, Diebstahl und Tötung, Schlaf in weichen Betten, Gesang sowie Tanz. Anschließend tauschen die Novizen ihre Alltagskleidung gegen die traditionelle orange Robe der buddhistischen Mönche.
Der frühe Novize
Der Tag im Kloster beginnt meist früh. Um 5 Uhr stehen die Mönche und somit auch die Novizen auf, baden und meditieren. Danach gehen sie gemeinsam ins Dorf, um Almosen zu sammeln. Gläubige Buddhisten geben den Mönchen gekochte Speisen und Lebensmittel. Im Austausch dafür erhalten sie deren Segen und sammeln somit Verdienste für ihr Karma.
Das gesammelte Essen wird im Kloster für Frühstück und Mittagessen aufgeteilt. Nach 12 Uhr darf nichts mehr gegessen werden, mit Ausnahme von Milch. Eltern und Verwandte dürfen die Mönche besuchen. Dabei gilt insbesondere für verheiratete Männer das Verbot, ihre Ehefrau zu berühren.
Die restliche Freizeitgestaltung ist je nach Alter und Kloster sehr unterschiedlich. Vom Lernen buddhistischer Inhalte über Ausübung körperlicher Arbeit bis hin zum Playstation-Spielen ist - Berichten zufolge - alles möglich. Am Abend gehen die Novizen nach einer gemeinschaftlichen Meditation zeitig zu Bett, um den nächsten Tag erholt beginnen zu können.
Sinn und Abschied
Am Ende der Klosterzeit findet die seauk (Abschiedszeremonie) statt. Dort wird die Robe wieder abgelegt und die Novizen für ihren weiteren Lebensweg gesegnet. Für manche endet damit eine lästige Pflichterfüllung, für andere eine Zeit des Innehaltens und der Besinnung. Kritische Stimmen sehen in dieser Tradition eine leere Geste, Befürworter wiederum ein Ritual, das identitäts- und sinnstiftend ist.
Unabhängig davon erzeugt die Zeit im Kloster eine gemeinsame Erfahrung, die das Gemeinschaftsgefühl der thailändischen Bevölkerung stärkt und die Generationen miteinander verbindet.
Zur Autorin
Sie schwärmen für Asien? Dann haben Sie etwas mit Passion Author Barbara Kluibenschädl gemeinsam. Die Tirolerin hat ein Faible für asiatische Kultur und Kulinarik, von denen auch ihre Texte, mit denen sie www.weekend.at bereichert, überwiegend handeln.