Wogegen Akupunktur am besten hilft
Um Akupunktur für sich effektiv nutzen zu können, hilft es, zu verstehen, wie östliche Medizin im Vergleich zur westlichen wirkt.
Worin unterscheidet sich die östliche von der westlichen Medizin?
Die westliche Medizin vertritt bis heute im Kern die Auffassung, dass Krankheiten körperlich nachweisbar sein müssen. Entsprechend richten sich die Behandlungen nach den Erkenntnissen über die menschliche Anatomie. Die seelischen - also nicht-sichtbaren - Faktoren werden dabei weitestgehend ausgeblendet.
Erst Sigmund Freud machte auf die Relevanz des Nicht-Sichtbaren auf unser Empfinden aufmerksam - Untersuchungen, die nicht ohne Folgen für die westliche Medizin blieben. Beispielhaft hierfür ist die Parabel der drei Blinden, die einen Elefanten ertasten:
- Die erste Person bekam den Schwanz des Tieres zu fassen und beschrieb diesen als struppigen Ast
- Die zweite Person ertastete den Fuß und beschrieb diesen als einen Baumstamm
- Die dritte Person hielt ein Ohr in den Händen und beschrieb den Elefanten als großes Tuch
Alle drei konnten den Elefanten nur soweit erkennen, als sie ihn zu fassen bekamen. Damit lagen sie nicht falsch. Weil sie jedoch den restlichen Körper des Elefanten aufgrund dessen Größe nicht vollständig ertasteten, konnten sie sich kein Gesamtbild von ihm machen. Ein Beispiel, das sich auf die westliche Medizin übertragen lässt: Ärzte, die das Seelische bei der Diagnose und Behandlung außer Acht lassen, erfassen den Gesamtzustand des Menschen nicht.
In der östlichen Medizin hingegen wird der Blick von vornherein auf das Gesamtsystem Mensch und sein Qi gelegt, das übersetzt "Lebensenergie" bedeutet. Dabei ist das Qi aus östlicher Sicht keine imaginäre Größe, sondern vielmehr eine Komponente, die körperlich zwar nicht greifbar ist, aber deshalb nicht weniger bedeutend als die Organe ist.
Was ist Akupunktur?
Akupunktur ist eine medizinische Methode der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), die dazu dient, Krankheiten zu heilen und Begleitsymptome zu lindern. Diese außergewöhnliche Behandlung war bis vor 300 Jahren in Europa gänzlich unbekannt. Engelbert Kaempfer, ein Physiker und Entdecker des 17. Jahrhunderts, brachte das Wissen um die außergewöhnliche Heilmethode von seiner zweijährigen Reise durch die damalige westindische Kolonie Japan mit. Seine Entdeckungen trugen maßgeblich zur Verbreitung der östlichen Medizin im 18. Jahrhundert bei.
Wie wirkt Akupunktur?
Je nach Beschwerden werden bei der Akupunktur an festgelegten Punkten am Körper feine sterile Stahlnadeln gesetzt. Diese Punkte liegen an den sogenannten Meridianen, ein überwiegend vertikales Liniennetz, das den Körper durchzieht. Der behandelnde Mediziner klärt im Vorfeld anhand der Zunge, der in der TCM große Bedeutung beigemessen wird, und dem Puls am Handgelenk die "Organschwächen" des Patienten ab. Die Befunde lassen sich mit jenen der westlichen Medizin nicht vergleichen.
Nachdem die Nadeln gesteckt wurden, muss der Patient 20 bis 30 Minuten ruhig und entspannt liegenbleiben, bevor sie wieder entfernt werden. Die Behandlung wird in unterschiedlichen Variationen und Abfolgen etwa 8 bis 10 Mal wiederholt. Das Ziel: den Körper zur Selbstheilung anzuregen und Blockaden zu lösen, damit das Qi - die Lebensenergie - wieder frei durch den Körper fließen kann.
Bei welchen Beschwerden kommt Akupunktur zum Einsatz?
Zum Einsatz kommt Akupunktur bei Schwangerschaftsbeschwerden, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Depressionen oder Allergien.
Gibt es Meridiane?
Nicht aus Sicht der westlichen Medizin. Die 12 Hauptmeridiane und die zwei Sondermeridiane gelten als in Längsrichtung verlaufende Bahnen. Anatomisch sind sie nicht nachweisbar, vermutet wird jedoch, dass sie erspürt werden können. Bemerkenswert ist, dass 1 Prozent der Menschen beim Einstechen einer Akupunkturnadel auf einem Meridian korrekt angeben können, wo dieser verläuft, ohne vorher seine Position gekannt zu haben.
Im östlichen Raum seit jeher praktiziert werden meditative Selbstwahrnehmungspraktiken, die dabei helfen sollen, genau diese unsichtbaren Verbindungen und Wärmeströme zwischen Körperteilen zu erfühlen. Eine der bekanntesten ist Qi Gong, eine Bewegungs- und Atmungstechnik mit Ursprung in der Kampfkunst der Shaolin-Mönche. Mit ihr soll sich die Lebensenergie entdecken und lenken lassen, wie sich an den nahezu übermenschlich wirkenden Fähigkeiten der Mönche eindrucksvoll beobachten lässt.
Hilft Akupunktur gegen Traumata?
Akupunktur kann laut Forschern dabei helfen, das Nervensystem wieder auszubalancieren, wenn sich Traumata im Körper verfestigt haben. Wie es zu dieser Verfestigung von Traumata kommt, zeigt ein anschauliches Beispiel aus der Tierwelt.
Bei der Flucht vor dem Löwen werden in der Gazelle jede Menge Adrenalin und andere Hormone ausgeschüttet. Um sein Leben zu retten, erstarrt das Beutetier als letzten Ausweg und stellt sich tot, bis der Löwe abgezogen ist. Erkennt die Gazelle, dass die Gefahr gebannt ist, beginnt sie zu zittern, wodurch die Stresshormone sukzessive abgebaut werden, und sich der Körper wieder entspannt.
Verfestigt sich die Schockstarre jedoch, bleiben Nervensystem und Körper im Stressmodus auch dann, wenn dazu kein Anlass mehr besteht - der Auslöser diverser körperlicher Beschwerden und chronischer Leiden. Akupunktur kann einen guten Teil dazu beitragen, diese Traumata zu lösen. Patienten beschreiben in diesen Fällen immer wieder ein leichtes Zittern, sobald die Akupunktur Wirkung zeigt - vergleichbar dem Fluchttier, das sich aus der Schockstarre befreit. Wissenschaftlich bewiesen ist der Zusammenhang nicht. Die gefühlte Wirkung wird von vielen Menschen jedoch als befreiend empfunden.
Zur Autorin
Sie schwärmen für Asien? Dann haben Sie etwas mit Passion Author Barbara Kluibenschädl gemeinsam. Die Tirolerin hat ein Faible für asiatische Kultur und Kulinarik, von denen auch ihre Texte, mit denen sie www.weekend.at bereichert, überwiegend handeln.