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Der Präsident des Landesgerichts sieht den Rechtsstaat in Gefahr.
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APA/GEORG HOCHMUTH

Freispruch in Missbrauchsprozess: Hasswelle gegen Richterin

16.01.2025 um 07:36, Stefanie Hermann & APA, Red
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Das Urteil im Missbrauchsprozess um eine 12-Jährige sorgt für Empörung. Der Präsident des Landesgerichtshofs, Friedrich Forsthuber, ist alarmiert.

Ein in der Vorwoche am Wiener Landesgericht erfolgter Freispruch in einem Prozess um eine mutmaßlich missbrauchte Zwölfjährige hat für bisher selten da gewesene Reaktionen gesorgt. In einigen Boulevardmedien und vor allem in den sozialen Medien war die Empörung groß, die vorsitzende Richterin erntete einen Shitstorm. Für Friedrich Forsthuber, den Präsidenten des Landesgerichts, wurden dabei in "mehrfacher Hinsicht rote Linien überschritten".

Forsthuber: "Rote Linien" überschritten

"Als Präsident des Landesgerichts für Strafsachen weise ich die in den letzten Tagen vor allem in den sozialen Medien erfolgten emotionalen Angriffe gegenüber der Vorsitzenden des Schöffengerichts und der unabhängigen Rechtsprechung in aller Deutlichkeit zurück", sagte Forsthuber am Mittwoch im Gespräch mit der APA. Die Angriffe hätten die Schranken einer zulässigen Kritik an der Rechtsprechung bei Weitem überschritten, "was sehr beunruhigend ist. Dadurch wird ein Druck aufgebaut, der die Justiz und die unabhängige Rechtsprechung in Gefahr bringt", zeigte sich Forsthuber besorgt.

Freispruch und Begründung

Ein Schöffensenat hatte am 7. Jänner in einem Verfahren um eine Anfang 2023 in Wien-Favoriten mutmaßlich missbrauchte Zwölfjährige einen 17-Jährigen vom Vorwurf der Vergewaltigung im Zweifel rechtskräftig freigesprochen. Das Gericht kam nach zweitägiger Verhandlung, die nicht zuletzt aus Opferschutzgründen über weite Teile unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, zum Schluss, dass es bei dem inzwischen 13 Jahre alten Mädchen wohl "eine innere Ablehnung" gegen die inkriminierte Handlung gegeben habe, wie es in der mündlichen Begründung der Gerichtsentscheidung hieß. Es sei aber "nicht erwiesen, dass das für den Angeklagten erkennbar war." Im Zweifel sei weiters "nicht feststellbar", dass Gewalt angewendet worden sei. "Es passiert oft, dass man zuerst Nein sagt und sich dann durch Zärtlichkeiten überzeugen lässt", bemerkte die vorsitzende Richterin in einer ausführlichen Begründung, weshalb der 17-Jährige von der Vergewaltigung freizusprechen war. Da sich bereits im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gezeigt hatte, dass der 17-Jährige das Alter des Mädchens nicht kannte und die Schülerin durchblicken hatte lassen, dass sie über 14 war, kam auch ein schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen (§ 207 StGB) nicht in Betracht.

Reaktionen und Kritik

Vor allem an der Begründung des Freispruchs, die in einigen Medien und in sozialen Netzwerken verkürzt und teilweise sinnentstellt wiedergegeben wurde, entzündete sich scharfe Kritik. Sogar Elon Musk kommentierte den Freispruch auf X als "verrückt", wobei dessen Tweet über 25.000 Mal geteilt wurde. Die Richterin wurde in Kommentarspalten einiger Online-Medien persönlich attackiert und bedroht und damit zur Zielscheibe von "Hass im Netz".

"Die in diversen Medien verbreitete Darstellung der Gründe, die das Gericht zu dem konkreten Freispruch veranlasst haben, wurden sinnentstellt unvollständig wiedergegeben", betonte Gerichtspräsident Forsthuber. Der Entscheidung seien auch Umstände zugrunde gelegen, die im nicht öffentlichen Teil der Verhandlung erörtert wurden: "Da das Beweisverfahren zum Schutz des Opfers vor Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte zur Gänze unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden musste, können und werden diese Details auch nachträglich nicht bekanntgegeben."

Begründung für das Urteil

Das Gericht könne einen Schuldspruch nur dann fällen, "wenn der angeklagte Sachverhalt durch die vorliegenden Beweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist. In allen anderen Fällen muss ein Freispruch erfolgen", hielt Forsthuber fest. Ob eine Straftat - im gegenständlichen Fall die ursprünglich inkriminierte Vergewaltigung - erwiesen ist, entscheiden im großen Schöffenverfahren zwei Berufsrichterinnen oder -richter sowie zwei Laienrichterinnen oder -richter aus dem Volk, "die gemeinsam die Beweiswürdigung vornehmen". Dabei würden "sämtliche Umstände und Handlungen aller Beteiligten vor, während und nach der vorgeworfenen Tat berücksichtigt."

Aus Kontext gerissen

Im gegenständlichen Fall hatte ein einziger aus der Freispruch-Begründung der Richterin entnommener Satz dafür gesorgt, dass ihr seitens einiger Medienschaffender fälschlicherweise unterstellt wurde, damit sei ein mehrfaches Nein eines Opfers einer Sexualstraftat grundsätzlich als nicht ausreichend für eine Verurteilung bezeichnet worden. Die Richterin hatte allerdings in der Begründung, bei der die Öffentlichkeit zugelassen war, für Zuhörende erkennbar nicht im Sinn, sich an der "Ein Nein muss ein Nein bleiben"-Debatte zu beteiligen. Der Fall der damals Zwölfjährigen, in dem von der Staatsanwaltschaft Wien noch gegen zahlreiche weitere jugendliche Verdächtige wegen Verdachts auf sexuellen Missbrauch ermittelt wird, eignet sich aufgrund der Umstände und Hintergründe, die sich aufgrund des nicht öffentlichen Ermittlungsverfahrens medialer Berichterstattung entziehen, auch nicht bzw. nur bedingt als Beitrag zu dieser Debatte.

Gefahr für Rechtsstaat

"Wenn Personen oder Gruppierungen aus persönlichen oder gar politischen Motiven durch aus dem Gesamtkontext der Urteilsverkündung herausgelöste Zitate Fehlinterpretationen in sozialen Medien provozieren und die vorsitzende Richterin sogar persönlich attackieren, gefährden sie damit nicht nur diese. Dann sind auch die Grundlagen unseres demokratischen Rechtsstaats gefährdet", befürchtet Forsthuber. Eine freie und unabhängige Rechtsprechung sei dessen Fundament: "Dieses zu schützen, ist unsere Verantwortung als Gesellschaft." Nur in einem Klima, "das von Vertrauen und Respekt gegenüber den demokratischen Institutionen geprägt ist, können Richterinnen und Richter ihre Arbeit zum Wohl unserer Gesellschaft leisten", bekräftigte der Präsident des Wiener Landesgerichts.

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