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ImagineGolf / E+ / Getty Images, nikoBlue

Ein letzter Ritt, ein letzter Tschick

19.03.2025 um 08:31, Michael Schwarz
5 min read
Der Marlboro Man hat seinen Cowboyhut schon länger an den Nagel gehängt, aber nun steht anscheinend auch die Zigarette vor dem Aus.

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Mit Cowboyhut am Kopf, Lasso am Gürtel und Zigarette im Mund ritt der „Marlboro Man“ jahrzehntelang durch die amerikanische Prärie und über die Bildschirme und Leinwände der ganzen Welt. Nach Jahrzehnten der Kampagnen schickte Marlboro-Hersteller Philip Morris den Cowboy schließlich in die Pension. Fünf der Darsteller der Kultfigur waren über die Jahre an Krankheiten verstorben, die mit Rauchen in Verbindung stehen. Nichtsdestotrotz gelang Philip Morris mit dem Macho auf dem Pferderücken ein Marketing-Geniestreich und Marlboro avancierte zur bekanntesten Zigarettenmarke der Welt. Umso erstaunlicher also, dass ­Philip Morris nun komplett aus dem Zigaretten-­Business aussteigen möchte. Doch man hat die Zeichen der Zeit erkannt. Nachdem der Tabakkonsum in Österreich in den späten 1990ern noch einmal kurzzeitig stieg, ist er seitdem kontinuierlich zurückgegangen. Philip Morris zieht ­Konsequenzen: In Deutschland wird die Produktion noch dieses Jahr eingestellt. Stattdessen setzt man nun auf ein neues Pferd: Tabakerhitzer.
 

Das beste Pferd im Stall

2011 stellte Philip Morris seinen Tabakerhitzer „IQOS“ vor. Bei dieser Technologie wird der Tabak nicht verbrannt, sondern lediglich erhitzt. Am Ende des Jahres 2023 überholte der Umsatz des Produkts außerhalb der USA bereits Marlboro. Für Philip Morris ist der Tabakerhitzer der Retter. Anstatt der Zigarettenbranche weiterhin beim langsamen Sterben zuzusehen und damit selbst zu verglühen, macht IQOS den Konzern ein weiteres Mal zum Marktführer. 2020 war es dieses Produkt, welches als Erstes seiner Art in Österreich zugelassen wurde. Ironischerweise ließ der Erfolg von IQOS den größten Erzeuger von Glimmstängeln plötzlich zum Verfechter einer „zigarettenfreien“ Zukunft werden. ­Tabakerhitzer werden als „risikoreduzierte Alternative“ gehandhabt. Studien bestätigen auch, dass beim Tabakerhitzer weniger Giftstoffe freigesetzt werden als bei der Zigarette. Langzeitstudien fehlen allerdings noch. Aber nicht nur der Tabakerhitzer feiert Erfolge, auch andere Alternativprodukte befinden sich im Aufwind. E-Zigaretten liegen besonders bei jungen Menschen im Trend. Beinahe jeder fünfte 15-Jährige gab bei der größten europäischen Kinder-und-Jugendgesundheitsstudie „HBSC“ aus dem Jahr 2022 an, im vergangenen Monat E-Zigaretten geraucht zu haben. Ganz ohne Inhalieren kommen hingegen Nikotinbeutel aus. Diese „Pouches“ werden unter die Oberlippe geschoben, wo über die Schleimhaut das Nikotin aufgenommen wird.
 

Franz Seba Gründer nikoBlue

"Wenn unsere rund 40.000 Kunden durch die Teuerung zur Schmuggelware abwandern, trifft das nicht nur uns, sondern auch unsere 1.300 Trafik-Partner."

Alles, was „Recht“ ist

Die neuen alternativen Produkte haben in der Vergangenheit oft Lücken im österreichischen Gesetzbuch aufgerissen. Auf den letzten Metern brachte der damalige Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen Mitte ­Jänner noch einen Entwurf für ein neues Tabak- und Nikotinsucht-Gesetz in Begutachtung. Ziel der Novelle sind die Tabakbeutel, für die kein einheitliches Verbot für den Verkauf an unter 18-Jährige besteht. Das wollte der scheidende Gesundheitsminister noch ändern. Und auch die neue „Zuckerl“-Regierung hat in ihrem 211  Seiten starken Programm die Tabakbranche nicht unerwähnt gelassen. Da soll es erstens zu einer „Verwaltungsvereinfachung im Bereich der Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse“ kommen, wobei Tabakerhitzer besonders hervorgehoben wurden. Der „aktuelle Wettbewerbsnachteil und vor allem Steuerverlust gegenüber unseren Nachbarn“ soll ausgeglichen werden. Denn derzeit ist der Schmuggel von Tabakerhitzern ein prävalentes Problem für die heimischen Trafiken, die eine nur sehr kleine Produktpalette legal anbieten dürfen. Diese Maßnahme wird in der Branche Zustimmung finden, doch beim zweiten Punkt erhitzen sich die Gemüter.
 

Steuerliche Angleichung

Nikotin-Pouches und elektronische Zigaretten sollen nämlich ab 2026 einer risikobasierten Verbrauchssteuer unterliegen. Derzeit werden diese beiden Produktgruppen lediglich mit der Umsatzsteuer von 20 Prozent belastet. Bei herkömmlichen Zigaretten liegt der Steuersatz hingegen bei satten 60  Prozent. Für die Besteuerung wird es nach Plänen der Regierung aber künftig keinen Unterschied mehr machen, ob ein „E“ vor der Zigarette steht oder nicht. E-Zigaretten-Erzeuger steigen daher bereits auf die Barrikaden wie das Wiener Unternehmen nikoBlue. 2012 als Startup gegründet, hat man sich auf vorbefüllte E-Zigaretten spezialisiert und erwirtschaftet heute einen jährlichen Umsatz von 7,5 Mio. Euro. Gründer Franz Seba kritisiert: „Durch die Besteuerung bleiben Raucher beim Tabak, und nur die Industrie und der Fiskus profitieren.“ Er argumentiert damit, dass E-Zigaretten weniger gesundheitsschädlich sind und das Klientel sich zumindest zu einem Teil aus ehemaligen Rauchern zusammensetzt. Studien, zum Beispiel des Dartmouth College, zeigen aber auch, dass junge Menschen erst durch E-Zigaretten zum Nikotin-Konsum gekommen sind. Außerdem war die Zahl der Raucher bereits vor Einführung der ersten E-Zigarette in Österreich rückläufig. Die Vor- oder Nachteile von E-Zigaretten auf das Gesundheitssystem sind demnach schwer zu eruieren, Gegenrechnungen kompliziert. Bei seiner wirtschaftlichen Kritik würden die meisten Branchenvertreter Seba aber recht geben: „Wenn unsere rund 40.000 Kunden durch die Teuerung zur Schmuggelware abwandern, trifft das nicht nur uns, sondern auch unsere 1.300 Trafik-Partner.“ Auf der einen Seite möchte die Regierung das Tabak-Monopol also stärken und den Schmuggel von Tabakerhitzern reduzieren, und auf der anderen Seite könnte Schmuggel von E-Zigaretten und Pouches bald attraktiver werden. Um das zu verhindern, muss sich Österreich wohl an seinen Nachbarländern orientieren oder mit ihnen gemeinsam an einer Steuerpolitik arbeiten.
 

Neuartige Nikotin-Produkte fallen nicht unter das Tabakwaren-Monopol. Die Trafikanten fordern, dass Pouches, E-Zigaretten und Co. künftig nur noch von ihnen vertrieben werden dürfen.
Neuartige Nikotin-Produkte fallen nicht unter das Tabakwaren-Monopol. Die Trafikanten fordern, dass Pouches, E-Zigaretten und Co. künftig nur noch von ihnen vertrieben werden dürfen.

Krisensicher?

Der Tabakmarkt ist konjunkturunabhängig, Krisen haben nur einen geringen Einfluss auf den Markt. Auch wenn es die vergangenen Jahrzehnte einen jährlichen Rückgang an verkauften Produkten gab, haben die neuen Alternativen frischen Wind in die Branche gebracht. Der Wiener Drogen-Experte Martin Busch wies darauf hin, dass der Nikotinkonsum bei jungen Menschen steigt und E-Zigaretten, Pouches und Co. im Trend stehen. Welche Auswirkungen das auf oberösterreichische Unternehmen haben wird? Der Großhändler Moosmayr beliefert ­seine Abnehmer bereits mit Alternativprodukten. Wie sich die Lage bei Tannpapier darstellt, ist unklar. Das ­Trauner Unternehmen ist Weltmarktführer von Filterpapier, welches bei den ­neuen Nikotin-Produkten keine Rolle spielt. 2018 kaufte Mayr-Melnhof ­Tannpapier auf, doch nach sechs Jahren wurde im Dezember der Verkauf an die Evergreen Hill Enter­prise mit Sitz in Singapur bekannt gegeben. Zu einer Stellungnahme war bei Tann­papier daher niemand bereit. Die inter­nationalen und öffentlich gehandelten Tabakkonzerne erfreuen sich bei Anlegern aufgrund der Krisen­resistenz, der neuen Produkte und auch der großzügigen ­Ausschüttungspolitik großer Beliebtheit. Die „­WirtschaftsWoche“ nannte in ihrer Aufstellung von „25 Aktien für ein regelmäßiges Einkommen“ gleich zwei Tabakfirmen als verlässliche Dividendenzahler: British American Tobacco und – ein weiteres Mal – Philip ­Morris. Das Feuer an der letzten Marlboro wird wohl früher oder später erlöschen, das Ende der Tabakbranche bedeutet das aber noch lange nicht.  

Nikotinbeutel – sogenannte „Pouches“ – sind als einziges  Nikotin-Produkt in Österreich noch nicht in entsprechenden  nationalen Gesetzen geregelt.
Nikotinbeutel – sogenannte „Pouches“ – sind als einziges Nikotin-Produkt in Österreich noch nicht in entsprechenden nationalen Gesetzen geregelt.

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