Künstlerporträt - viel Lärm um Jedermann
Er verkörpert sie alle: Bühnenstücke etwa von Goethe, Schiller, Stifter, Kafka und nicht zuletzt Hoffmannsthal in unterschiedlichen Interpretationen und Settings. Zwischendurch gerne außergewöhnliche Rollen in Film und Fernsehen wie die des blinden Sonderermittlers oder des schwulen Kanzlerkandidaten. Seine Vielfältigkeit, sein Talent, seine und Hingabe scheinen unendlich. Als neuer Jedermann, den er gerne mit James Bond vergleicht, möchte er das Publikum abermals überraschen. 2018 ist der Grimme- und zweifache ROMY-Preisträger buchstäblich über Nacht – nur 36 Stunden nach dem Anruf, der ihn in Berlin erreichte – am Salzburger Domplatz für den erkrankten Tobias Moretti eingesprungen, heuer ist er der vom Publikum seither ersehnte Jedermann. Zu schaffen war das für den Mimen mit Leseschwäche nur, weil er bereits seit 2013 den Monolog Jedermann Reloaded – ein apokalyptisches Sprechkonzert mit experimentellen Sounds – mit seiner Band, der Elektrohand Gottes, performt. In diesem Monolog spielt er sämtliche Rollen, der Text war ihm also bereits innewohnend, der Rest war vom gesamten Ensemble hervorragend improvisiert. Seine Interviews sind handverlesen und minutiös getaktet, seine Gedanken scheinen bereits weit in die Zukunft zu blicken, dennoch hat sich Philipp Hochmair dankenswerterweise für die CHEFINFO – zwischen Terminen und Proben – etwas von seiner wertvollen Zeit abgezweigt.
In einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ haben Sie gesagt, Sie würden die Leute vielleicht erst mal irritieren, um sie dann irgendwohin zu führen, wo sie vorher noch nicht waren. Wie möchten Sie das Festspielpublikum als Jedermann überraschen?
Das ist natürlich eine sehr gute Frage und ich würde sie Ihnen auch wirklich gerne beantworten können. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, da wir mit dem Probenprozess noch gar nicht begonnen haben.
Mit Ihren Eigenproduktionen Jedermann Reloaded, den Schiller Balladen oder etwa dem neu vertonten Hagestolz nach Adalbert Stifter erreichen Sie ein Publikum, das bei klassischen Interpretationen im Theater eher nicht anzutreffen ist. Was möchten Sie den Besuchern mitgeben?
Ich dachte ursprünglich, dass ich mit meinen Produktionen ein ganz anderes Publikum in die Staatstheater holen würde. Aber so ist das nicht. Meine Zuschauer sind ganz klassische Theaterliebhaber, die sich an der offenen Form und dem Experiment erfreuen. Die sozusagen die Vorlagen, die wir neu vertonen, bereits gut kennen und so unserer Versuchsanordnung ohne Weiteres folgen können.
Jedermann war schon kurz nach Beginn des Kartenverkaufs ausverkauft. Wie hat sich das Engagement auf Ihre anderen Engagements ausgewirkt? Was hat sich seither geändert?
Ich habe mich natürlich gefreut, dass der Andrang auf die Karten so groß war. Aber die zu leistende Arbeit liegt ja noch zur Gänze vor uns.
Wie hat sich Ihre Beziehung zu Jedermann entwickelt?
Ich habe den Jedermann als 23-jähriger Schauspielschüler am Salzburger Domplatz gesehen und mir gedacht: „Was ist das für ein G’riss um diese Aufführung, warum wird so viel Lärm um diesen Jedermann gemacht und warum sind die Karten so teuer?“ Als ich dann das passende Alter erreichte – Jedermann feiert auf der Bühne seinen 40. Geburtstag –, habe ich begonnen, das Bandstück zu entwickeln, einen Monolog daraus zu machen, der am Thalia Theater in Hamburg rausgekommen ist. Mit diesem Jedermann Reloaded bin ich seit zehn Jahren on tour. Dass ich jetzt im Sommer der neue Jedermann bin, ist wahrscheinlich eine Konsequenz aus dieser Revolte. Lustigerweise komme ich jetzt an den Domplatz zurück, wo ich als Schauspielschüler enttäuscht war. Mal schauen, was passiert.
Die Frage ist aktueller denn je: Was bleibt vom Leben, wenn es ans Sterben geht? Bekanntlich bereut Jedermann erst im Angesicht des Todes sein ausschweifendes, rücksichtsloses, gottesfernes Leben. Was meinen Sie, wie würde er wohl heute mit den aktuellen Herausforderungen, wie etwa den Klimazielen, Lieferkettengesetzen, der Digitalisierung, Rezession oder Kirchenaustritten, umgehen, die mitten in Wirtschaft und Gesellschaft angekommen sind?
Jedermann ist meiner Ansicht nach ein klassisches Opfer all dieser Punkte. Er ist der Prototyp des Verursachers, des rücksichtslosen Alphatiers. Bis zu seinem letzten Stündlein denkt er nicht darüber nach, was sein Handeln für Konsequenzen für seine Mitmenschen und auf seine Umwelt haben könnte.
Wie sehen Sie die Zukunft der Schauspielerei in Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz? Bruce Willis wurde nachgesagt, sein Erscheinungsbild verkauft zu haben, um mithilfe von KI trotz schwerer Krankheit doch noch Geld zu verdienen. Er hat dementiert. Andere Kollegen verkaufen ihre Stimme. Monetarisieren, ohne selber zu spielen? Ist das die Zukunft? Wird nicht demgegenüber der Bühnenakt durch KI umso authentischer, weil es das einzig Authentische ist, das noch bleibt?
Das Theater bekommt jetzt eine ganz neue Chance. Ich hatte ernsthaft befürchtet, dass Internetserien und Computerspiele den Tod des Theaters einleiten würden, aber durch das Aufkeimen von KI in allen Bereichen ist das Theater jetzt notwendiger denn je geworden. Denn das Live-Erlebnis von Theater, das spontane Reagieren, das lebendige Spiel von echten Menschen wird nie durch eine KI ersetzt werden können.
Es bleibt also spannend!