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Die Mühlviertel Classic Charity Rallye lockt Fahrer aus ganz Europa an: Ulrich Renger und Maria Linder aus Deutschland in einem Alvis 12/70 Speed 20.
Die Mühlviertel Classic Charity Rallye lockt Fahrer aus ganz Europa an: Ulrich Renger und Maria Linder aus Deutschland in einem Alvis 12/70 Speed 20.
Die Mühlviertel Classic Charity Rallye lockt Fahrer aus ganz Europa an: Ulrich Renger und Maria Linder aus Deutschland in einem Alvis 12/70 Speed 20.
Severin Aichbauer / Sepa.Media / Picturedesk.com

Oldtimer: Granit und altes Blech

08.07.2024 um 10:46, Michael Schwarz
min read
Im Frühjahr und Sommer werden die gut behüteten automobilen Klassiker massenhaft zum Schaulaufen ausgefahren. Zum Beispiel bei der Mühlviertel Classic.

Beim ersten Einsteigen in einen Jaguar XK 140 vermisst man zunächst einen sichtbaren Türgriff, der als störendes Element an der formschönen, handgefertigten Karosserie empfunden werden könnte. Einlass wird erst durch das Ziehen eines ledernen Halteriemens an der Innenverkleidung gewährt. Knifflig ist auch das Fahren des Roadsters aus dem Jahr 1956. Wenig Beinfreiheit, kaum Komfort und eine komplett mechanische Arbeitsweise bis in die ­letzte Faser des Reihensechszylinders verlangen einem Fahrer viel ab. Genau das fasziniert Werner Lang an den automobilen Klassikern. Sie alle haben ihre Geschichte und besondere Geschichten. „Solche Autos werden heute nicht mehr gebaut“, sagt der Seniorchef von Lang+Lang Werbearchitektur in Leonding. Sechs Oldtimer hat der Unternehmer in seiner Garage stehen, darunter auch einen zitronengelben VW Käfer 1300 Cabrio aus dem Jahr 1974, mit dem die Tochter Denise Lang ausfährt. Und fahren muss man mit Sammlerstücken, um sie in Schuss zu halten. Ein jährliches Highlight für beide ist die Mühlviertel Classic, eine Oldtimer-Rallye mit 120 Teilnehmern aus dem In- und Ausland, die dieses Jahr von 13. bis 15. Juni stattfand. 

Werner Lang, Oldtimer-Enthusiast und Mitveranstalter der Mühlviertel Classic
Werner Lang, Oldtimer-Enthusiast und Mitveranstalter der Mühlviertel Classic

Es gleicht einem riesigen Klassentreffen, bei dem man sich unter alten Bekannten austauscht.

Werner Lang, Mitveranstalter der Mühlviertel Classic

Die Kunst des Oldtimer-Fahrens

Als Urmutter aller Klassik-Rallyes gilt die Mille Miglia. Das berühmte italienische Straßenrennen führt von Brescia nach Rom und retour. Auch in Österreich erleben Oldtimer-Rennen einen regelrechten Boom, wenn auch der Promifaktor nicht ganz so hoch ist. Dabei ist der Begriff „Rennen“ im Vergleich zu den mit Hightech-Boliden bestückten modernen Motorsportveranstaltungen relativ zu sehen. In den knatternden Kisten zählt nicht das pure Bolzen, sondern fahrerisches Können und Teamwork. Teil der Herausforderung sind Sonderprüfungen, die in einer genau festgelegten Zeit bewältigt werden müssen, etwa wenn die Teilnehmer auf einem Dorfhauptplatz, zur Freude des Publikums, 100 Meter in genau 13 Sekunden zurückzulegen haben. Wer zu langsam oder zu schnell fährt, kassiert Strafpunkte. Dieses sogenannte Fahren auf Gleichmäßigkeit, bei der Durchschnittsgeschwindigkeit und Präzision zählen, ist die hohe Kunst des Oldtimer-Fahrens. Die Sonderprüfungen erfordern eine enge Abstimmung zwischen Fahrer und Beifahrer. Der Sozius hat dabei die Rolle des Navigators inne und weist dem Lenker mittels des am ersten Renntag ausgehändigten Roadbooks den Weg. Selbst die technischen Hilfsmittel präsentieren sich im Retro-Stil: Der Tripmaster, ein mechanischer Wegstreckenzähler, misst die zurückgelegten Kilometer mit höchster Präzision. „Der Wettbewerb ist ein wichtiger Anreiz für Teilnehmer, aber nicht der wichtigste, besonders nicht für uns“, sagt Werner Lang, der auch im Organisationsteam der Mühlviertel Classic sitzt.

Fahren ohne ABS und Servo: Stefan und Brigitte Barbaric in einem Packard V12 Roadster aus dem Jahr 1936.
Fahren ohne ABS und Servo: Stefan und Brigitte Barbaric in einem Packard V12 Roadster aus dem Jahr 1936.

Familie, Freunde & Charity

Die Veranstaltung in der ­Grenzregion zeichnet sich durch Werte mit Retro-Charme aus: Netzwerken ohne ­digitale Plattformen, das Stärken von Familienbanden und das Treffen alter Freunde. „Es gleicht einem riesigen Klassentreffen, bei dem man sich unter alten Bekannten austauscht“, beschreibt Werner Lang die Grundstimmung. Hier kommt kein elitärer Club zusammen, kein alter oder neuer Geldadel, sondern Oldtimer-Enthusiasten aus vielen sozialen Schichten und Ländern. Sie alle fahren für den guten Zweck – oder „Drive for Charity“, wie man auf Neudeutsch sagt. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat die Mühlviertel Classic mehr als 250.000 Euro an Direkthilfe für Betroffene bereitgestellt. „Das unterscheidet uns grundlegend von anderen bekannten Oldtimer-Rallyes wie der Ennstal Classic“, erläutert Lang, zugleich Gründer des Austrian Classic Circle (ACC). Alle ACC-Mitglieder, wie etwa das Gaisbergrennen in Salzburg, haben sich dem Charity-Gedanken verschrieben. Zu den weiteren Vorteilen der Veranstaltung zählen Kultur, kulinarischer Genuss sowie die Streckenführung selbst. „Bei einigen der bekannteren Hardcore-Rennen bleibt der Genussfaktor oft auf der Strecke“, erklärt Werner Lang.  Zu den kulinarischen Höhepunkten der dreitägigen Classic-Rundfahrt zählen das Hotel Bergergut in Oberafiesl sowie das nahe gelegene Hotel Guglwald, wo die Teilnehmer auch untergebracht sind. 

Schöne Blechkurven: Werner Lang am Steuer des Jaguar XK140 OTS, Beifahrer ist Sohn Paul.
Schöne Blechkurven: Werner Lang am Steuer des Jaguar XK140 OTS, Beifahrer ist Sohn Paul.

Die Faszination der Strecke

Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass die rund 450 Kilometer lange Route jedes Jahr vom Mastermind und Streckenchef Rudi Sammer neu geplant wird. Der ehemalige Hotelier aus Kirchschlag verfügt über exzellente Kontakte in die Region sowie in die internatio­nale Oldtimer-Szene. Wichtig ist Sammer auch ein „völkerverbindender“ Aspekt der Strecke. Im vergangenen Jahr war das Ziel der Classic-Rallye das Weltkulturerbe Krumau in Tschechien. All ­diese Aspekte machen die Mühlviertel Classic zu einem begehrten Schaulaufen für altes Blech; Werner Lang zählt den jährlichen Event zu den Top 3 der Oldtimer-­Rennen in Österreich. Auch Peter Affenzeller schwärmt: „Es ist eine Gaudi, ein toller Austausch und am Abend gibt es stets etwas zu feiern. Der Oldtimer-Tross legte bereits zweimal einen Stopp bei seiner Whiskydestillerie in Alberndorf ein. Affenzeller nahm selbst auch schon als Beifahrer teil. Sein Fazit: eine wunderbare Veranstaltung, geprägt von bodenständigen Menschen. Seit diesem Jahr engagiert sich der Unternehmer zudem als Sponsor des Rennens. Werner Lang zeigt sich in Bezug auf den Nachwuchs unbesorgt. „Heute gibt es deutlich mehr Frauenteams als früher, und auch junge Fahrerinnen und Fahrer zeigen großes Interesse.“

57er-Chevy in Damenhand: Angela Sammer aus Kirchschlag lenkt eine Chevrolet Corvette C1 Ramjet mit 295 PS.
57er-Chevy in Damenhand: Angela Sammer aus Kirchschlag lenkt eine Chevrolet Corvette C1 Ramjet mit 295 PS.

Bergergut: „Tank“Stelle auf höchstem Niveau

Schon die Anfahrt auf den gewundenen, engen Straßen ist für jeden Oldtimer-Liebhaber ein Traum. Und was den Aufenthalt im 4-Sterne-Superior-Hotel Bergergut betrifft, so spielt das Haus mit seiner „gelebten Gastgeber-Passion“ in einer ­eigenen Liga. Das Bergergut ist seit ­Jahren Partner der ­Mühlviertel Classic. Die Entwicklung des Hotels von einer kleinen Land- und Gastwirtschaft zu einem Urlaubsparadies für genussaffine Paare steht auch sinnbildlich für die touristische Entwicklung der Mühlviertler Hochlandregion. Dahinter steht die Eigner­familie Pürmayr mit ihrer Kreativität und ihrem ­Herzblut. ­Aktuell wird der gesamte Wellnessbereich im großen Stil umgebaut; das neue „Wald-Spa“ wird in der Sommersaison 2024 eröffnet. Ein Highlight für die erschöpften „Classic“-Teilnehmer sind die kulinarischen Genüsse, die Dreihaubenkoch Thomas Hofer auf die 
Teller zaubert.

Einkehr im Bergergut: Gastgeberin Eva-Maria Pürmayr und Dreihaubenkoch Thomas Hofer.
Einkehr im Bergergut: Gastgeberin Eva-Maria Pürmayr und Dreihaubenkoch Thomas Hofer.

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