Milliardenprojekt: Grüner Stahl
Die rötlich rauchenden Hochöfen der voestalpine haben Linz den Spitznamen Stahlstadt eingebracht. Die Zeiten des dauerhaft über Linz hängenden Industrienebels und schlechter Luft sind jedoch längst Geschichte. Schon ab 1971 wurde Umweltschutz im Unternehmen zum Programm. Über die Jahrzehnte hat man Luftemissionen und Energieverbrauch auf das technologische Minimum reduziert. Doch noch immer (Stand 2019) ist der Konzern für zehn Prozent aller österreichischen CO2-Emissionen verantwortlich. Eine weitere signifikante Reduktion ist laut Unternehmen nur mit einem grundlegenden Technologiewandel möglich. Das erklärte Ziel: Bis 2050 soll der Umstieg auf CO2-neutrale Produktion mittels grünem Wasserstoff geschafft sein.
Ambitionierter Stufenplan
„Wir haben mit greentec einen klaren Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt und sind bereits weitgehend startbereit“, sagt voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner. Der Stufenplan steht: Erst kürzlich hat der Aufsichtsrat grünes Licht gegeben für die Umbauarbeiten an den Standorten Linz und Donawitz. Noch im Sommer sollen die notwendigen Baufelder freigemacht werden, der Bau der Elektrolichtbogenöfen wird nach Unternehmensangaben 2024 starten, Anfang 2027 sollen sie in Betrieb gehen. Durch die Umstellung will man rund drei bis vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und damit rund 30 Prozent einsparen. Doch die Hybrid-Elektrostahlroute als Ergänzung zur herkömmlichen Hochofenroute ist nur ein Zwischenschritt zur vollständigen CO2-Neutralität.
Hybridroute zu Hochofen
Stahl zählt zu den weltweit am meisten verwendeten Werkstoffen. Aktuell entsteht Stahl bei der voestalpine in der Hochofen-Konverter-Route: Im Hochofen wird aus Eisenerz Roheisen hergestellt, wobei Koks die chemischen Prozesse ermöglicht und die benötigte Energie bereitstellt. Anschließend werden durch Einblasen von Sauerstoff unerwünschte Bestandteile entfernt und man erhält Roheisen. Mit den Elektrolichtbogenöfen, die in Linz und Donawitz geplant sind, will man im Parallelbetrieb zur herkömmlichen Hochofen-Konverter-Route Schrott unter Einsatz von elektrischer Energie einschmelzen. Die Materialbasis soll mit Eisenschwamm ergänzt werden, um so weniger Roheisen im Hochofen erzeugen zu müssen. Er wird unter Einsatz von Wasserstoff und Kohlenmonoxid, aus Erdgas reformiert, erzeugt.
Weltweiter Vorreiter
Im Stufenplan greentec arbeitet der Konzern jedoch zeitgleich auch an noch innovativeren Technologien und Produktionsverfahren. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Sustainable Steelmaking“ wird seit Kurzem in einer neuen Testanlage am Standort Donawitz der Einsatz von Wasserstoffplasma für einen CO2-neutralen Stahlherstellungsprozess untersucht. Die voestalpine ist nach eigenen Angaben derzeit das weltweit einzige Stahlunternehmen, das zu Wasserstoffplasma in der Stahlherstellung forscht. Koks, Kohle oder Erdgas sollen durch Wasserstoff als Reduktionsmittel für die Erze ersetzt werden. Wenn dabei auch noch grüner Strom im Gleichstromelektrobogenofen verwendet wird, entsteht als Endprodukt lediglich Wasserdampf.
Strom-Infrastruktur fehlt
„Die Voraussetzung für die Verwirklichung dieser revolutionären Vision ist offensichtlich: Grüner Strom und Wasserstoff müssen in ausreichenden Mengen und zu marktkonformen Preisen zur Verfügung stehen“, macht CEO Eibensteiner deutlich. Grüner Stahl ist also ohne grünem Strom nicht realisierbar. Der Energiebedarf der Elektroöfen wird vom Strombedarf für wasserstoffbasierte Stahlerzeugung noch weit übertroffen. „Wenn es bis 2026 keine 220-kV-Leitung gibt, werden wird unser Hybridprojekt in Linz und Donawitz bis 2030 nicht umsetzen können“, unterstreicht Stefan Engleder, Hauptprozessleiter Strom, die Forderung an die Politik.
Greentec steel Edition
Derzeit kostet grüner Stahl noch signifikant mehr als herkömmlicher. Seit Ende vergangenen Jahres bietet die voestalpine einen Teil ihrer Produktion in einer CO2-reduzierten Ausführung an. In Linz produzierter Flachstahl der „greentec steel Edition“ wurde mit zehn Prozent weniger CO2-Emissionen erzeugt. „Das Interesse an grünem Stahl nimmt kontinuierlich zu“, so Eibensteiner. „Derzeit bildet sich ein Markt in Europa, diese Entwicklung wird insbesondere von der europäischen Automobilindustrie vorangetrieben.“