Michelin: Die Rückkehr der Sterne
Paris, 1900. Auf Frankreichs Straßen waren noch wenige Autos unterwegs. Dennoch kam der Reifenhersteller Michelin auf die Idee, einen Führer herauszugeben. Die Initiatoren André und Édouard Michelin gaben mit ihrem Guide unter anderem Tipps zum Umgang mit dem Auto und den Reifen und führten die Namen von Werkstätten, Batterieladestationen und Benzindepots auf. 1923 erschienen erstmals Hotel- und Restaurantempfehlungen. Ab 1926 gewann der -Guide Michelin für die Gastronomie einen noch höheren Stellenwert, weil er erstmals einzelne Sterne vergab. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Sterne des Michelins in Frankreich, Deutschland, Belgien, Japan und vielen anderen Ländern zu einer der wichtigsten Auszeichnungen für Köche. Denn: Ein, zwei oder drei -Sterne bedeuten Anerkennung und wirtschaftlichen Aufschwung. Doch es gibt auch Nachteile: Der Verlust eines Sterns soll Köche schon in den Selbstmord getrieben haben und Sterneküche bedeutet einen hohen finanziellen Aufwand – hochwertige Lebensmittel und Top-Personal kosten nicht wenig. Egal, die ganze Welt der Gastronomie schien von der Welt der Sterne gefangen zu sein. Die ganze Welt? Nein, in Österreich war der Marktauftritt der roten Restaurant-Bibel nur ein kurzer: Von 2005 bis 2009 dauerte das Gastspiel der Franzosen in Österreich. Dann war Schluss. Doch 2025 wird es zwischen Bregenz und Wien wieder so weit sein: Köche werden sich wieder um die begehrten Sterne bemühen. Doch welche Bedeutung haben Sterne überhaupt? Juan Amador, Österreichs einziger Drei--Sterne-Koch, sieht die Entwicklung positiv: „Restaurantführer haben eine enorme Bedeutung für die Restaurants und die Michelin-Sterne sprechen ein internationales Publikum an. Ich schätze, dass vier bis fünf Restaurants in Österreich das Potenzial für drei Sterne haben. Daneben gibt es zahlreiche Betriebe, die sich zwei oder einen Stern verdienen.“
Unfaire Finanzierung?
Doch die Rückkehr es Michelins nach Österreich ist nicht ganz unumstritten. Das liegt der vor allem an der finanziellen Unterstützung, die der Restaurantführer für die Rückkehr nach Österreich erhält. Finanziert wird die Rückkehr der Sterne nämlich von der Österreich Werbung durch acht Landestourismusorganisationen. Martina Hohenlohe, Chefredakteurin des Restaurantführers Gault&Millau Österreich, dazu: „Wir von Gault&Millau Österreich haben nichts gegen eine Rückkehr des Guide Michelin einzuwenden, wir befinden uns auf einem freien Markt und dementsprechend agieren wir auch. Die Finanzierung des Guide Michelin ist allerdings etwas, wo wir uns klar und deutlich dagegen positionieren. Wir sind seit 40 Jahren in Österreich tätig und bekamen und bekommen in keiner Weise eine ähnliche Unterstützung vom Staat Österreich. Das Finanzierungskonstrukt ist unfair und ganz klar wettbewerbsverzerrend.“
Anerkanntes Gütesiegel
Amador sieht die Situation anders: „Förderungen gibt es vielen Bereichen, etwa in der Kunst. Und ich bin mir fast sicher, dass das Geld, das investiert wird, durch Mehrausgaben der ausländischen Touristen wieder eingenommen wird. Denn wer gut essen geht, der muss auch anreisen und schlafen.“ Und auch der Arbeitsmarkt profitiert davon, wenn Menschen gut essen gehen. Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer, begrüßt ebenfalls die Rückkehr des Guide Michelin: „Dies ist ein klares Zeichen für die -exzellente Qualität und Vielfalt der gastronomischen -Szene in ganz Österreich. Für die heimischen Betriebe bietet die Präsenz des Michelin eine wertvolle Möglichkeit, ihre kulinarischen Kreationen und hochwertigen Produkte verstärkt auch einem internationalen Publikum zu präsentieren. Die Auszeichnungen und Sterne sind ein weltweit anerkanntes Gütesiegel, das hohes Vertrauen bei den Gästen genießt. Der Guide ist letztlich auch ein Trendsetter, der dabei hilft, neue Talente zu entdecken und international bekannt zu machen. Damit wird auch ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung und Imagebildung der gesamten österreichischen Gastronomieszene geleistet.“
Positive Effekte für Gastronomie
Laut dem Gastronomiemagazin „Kalk&Kegel“ sollen ungefähr 700.000 Euro im Jahr benötigt werden, um die Infrastruktur, die der Guide Michelin benötigt, zu finanzieren. Die Tests für den Restaurantführer werden von ausgebildeten Kostexperten durchgeführt, ein Grund für die hoch wirkenden Kosten für die Implementierung des Guides. Der positive Effekt auf die Wirtschaft wird von der Gastronomie allerdings als weit höher eingeschätzt, rechnet man schließlich mit Mehreinnahmen von 48 Millionen Euro durch den Guide Michelin für Österreich.