Big Banking in Europa
Inhalt
- Neue Bankenlandschaft für Europa
- Neuer Schwung für Europa
- Größe allein ist noch keine Lösung
- Mehr privates Kapital notwendig
Aus österreichischer Perspektive wirkt es wie ein -Déjà-vu: In einem mehr als fünf -Jahre dauernden Rechtsstreit versuchte die UniCredit als Minderheitsaktionär, über die börsennotierte Oberbank -inklusive der 3-Bankengruppe die Kontrolle zu erhalten, was jedoch vor Gericht scheiterte. Auch in Deutschland tobt ein Übernahmekampf zwischen der italienischen Großbank und der Commerzbank. Dieser spielt allerdings in einer anderen Liga und hat vor allem eine politische Dimension, weil der Staat Kernaktionär der Commerzbank ist. Die Bundesregierung bot ein Aktienpaket von 4,5 Prozent zum Verkauf an, das am 11. September unüblicherweise von einem einzigen Investor erworben wurde: der UniCredit. Der Anteil der Italiener betrug nun 9 Prozent und der Aktienkurs der Commerzbank stieg auf den höchsten Wert seit 13 Jahren. Parallel dazu sicherte sich die UniCredit durch Derivatgeschäfte die Option, den Anteil auf 21 Prozent zu erhöhen. Ein Manöver, das Deutschland aufschreckte, da die Vorgehensweise an feindliche Übernahmen in der Industrie erinnerte. Mehr als 10 Prozent der Commerzbank-Anteile zu besitzen war der UniCredit ohne Zustimmung der Bankenaufsicht untersagt, und dennoch gelang es ihr, als nunmehr größter Aktionär die Vorschriften einzuhalten. „Man kann darüber denken, was man will, aber das ist einfach sehr gut gemacht“, zitiert die „Financial Times“ einen Frankfurter Banker. Was Bundeskanzler Olaf Scholz als „unfreundliche Attacke“ der Italiener bezeichnete, könnte ein Vorspiel für eine innereuropäische Bankenkonsolidierung sein.
Neue Bankenlandschaft für Europa
Hinter dieser Übernahmetaktik steckt Europas Star-Banker, UniCredit-Chef Andrea Orcel. Scholz ist nicht der erste Mächtige, den der wettbewerbsorientierte Manager verärgert. In Italien lehnte Orcel im Jahr 2021 ab, dass die UniCredit für den Staat bei der maroden Monte dei Paschi di Siena (MPS) einspringt. Diese Bank war das größte Risiko für Italiens Finanzsystem und musste mit Milliarden Euro gerettet werden. Seinen Ruf als knallharter Durchgreifer verdiente er sich als Sanierer der nach der Finanzkrise desolaten Investmentsparte der Schweizer UBS. 2012 lotste deren Chef, Sergio Ermotti, den 1963 in Rom geborenen Orcel mit einem Antrittsbonus von 25 Millionen Franken von der US-Investmentbank Merrill Lynch weg. Nach einem kurzen Gastspiel bei der spanischen Großbank Santander holte ihn 2021 die UniCredit als Vorstandsvorsitzenden. Seither hat sich der Aktienkurs des Mailänder Bankinstituts vervierfacht. Gleichzeitig hat er die Kosten im Griff: Die Cost-Income-Ratio als entscheidende Kennzahl für Effizienz liegt bei der UniCredit um 20 Prozentpunkte unter jener der Commerzbank. Erfahrung mit der Übernahme deutscher Banken haben die Italiener bereits früher gesammelt: Seit 2005 gehört ihnen die Münchner Hypo Vereinsbank. „Kann Andrea Orcel eine Super-Bank formen?“, titelte der „Economist“. Seine Absicht, die Landkarte des europäischen Bankensektors neu zu zeichnen, ist jedenfalls unübersehbar. In einem Interview mit dem Hamburger „Spiegel“ aus dem Jahr 2022 ärgert sich der Bankmanager darüber, dass die UniCredit, obwohl in 13 Ländern präsent, nicht als paneuropäische Bank wahrgenommen wird.
Neuer Schwung für Europa
Ein Grund dafür liegt im bisherigen Scheitern Europas, eine Kapitalmarkt- und Bankenunion zu formen, die Voraussetzung für grenzüberschreitende Bankfusionen wäre. Auch wenn es eine Herkulesaufgabe ist: Eine solche Union würde der gesamten EU-Wirtschaft neuen Schwung verleihen und die zerklüftete Bankenlandschaft der amerikanischen ähnlicher machen, sind Befürworter überzeugt. Im Vergleich zu US-Banken erscheinen selbst die größten Bankinstitute innerhalb der EU wie -Zwerge. Die zehn größten EU-Banken erreichen – gemessen an ihrer Marktkapitalisierung – nicht die Größe der US-Bank JPMorgan Chase, die einen Börsenwert von rund 540 Milliarden Euro hat (siehe Grafik). Selbst eine fusionierte UniCredit/Commerzbank käme auf eine Marktkapitalisierung von über 80 Milliarden Euro.
Größe allein ist noch keine Lösung
Ob Europa größere Banken braucht, darüber gehen die Meinungen auseinander. „Groß ist nicht gleich effizient, ist nicht gleich profitträchtig, das haben wir in den vergangenen Bankenkrisen gesehen“, gibt der frühere Linzer JKU-Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider zu bedenken. Große Banken mussten nach der Finanzkrise vom Staat gerettet werden, weil sie als „too big to fail“ galten. Für den Ökonomen ist die UBS, die mit der Credit -Suisse fusionierte und durchaus amerikanische Ausmaße hat, ein nicht unbedingt geglücktes Beispiel neuer Größe. Experten wie Lars Feld sehen eine Konsolidierung im deutschen Bankensektor allerdings als notwendig an. Eine Übernahme der Commerzbank durch UniCredit habe „mehr Vorteile als Nachteile“, sagte er einer italienischen Zeitung. „Das europäische Bankensystem braucht mehr grenzüberschreitende Fusionen und Beteiligungen“, ist Feld überzeugt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz gilt als Befürworter einer europäischen Bankenunion. Wenn jedoch grenzüberschreitende Bankfusionen, kaum dass sie sich abzeichnen, sofort staatlich unterbunden werden, sei das Signal fatal. Denn das Land braucht offene Kapitalmärkte, um asymmetrische Schocks abzufedern.
Mehr privates Kapital notwendig
Der ehemalige EZB-Präsident Mario -Draghi, wie Orcel ein Investmentbanker, zeigte in einer viel beachteten Studie für die EU-Kommission, dass die Europäischen Union Milliardeninvestitionen von Staat und Unternehmen sowie marktwirtschaftliche Lösungen benötigt, um den Anschluss an die USA und China nicht ganz zu verlieren. Als zusätzlichen Schritt zur Finanzierung der Investitionen fordert der Italiener, die geplante Kapitalmarkt-union möglichst zügig voranzutreiben. Diese soll ermöglichen, dass die von Draghi vorgeschlagenen Projekte auch von privaten Investoren finanziert werden können, ähnlich wie in den USA, wo es dank der gut integrierten Kapitalmärkte für Unternehmen wesentlich einfacher ist, an privates Kapital zu gelangen. Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Kapitalmarktunion in ihrer zweiten Amtszeit Priorität. Zuständig für deren Umsetzung ist die portugiesische Sozialdemokratin Maria Luís Albuquerque. Einfach wird das nicht, da es um grenzüberschreitende Besteuerung, Harmonisierung des Insolvenzrechts und die Regulierung von Versicherungen und Banken geht. Letztere könnten in Österreich auch zu den Verlierern zählen, „denn nationale Grenzen sind immer auch ein Wettbewerbsschutz“, sagt der IHS-Chef Holger Bonin.