Michaela Langer-Weninger über Wolf und Landwirte
Klima, Katastrophen, Killer-Wölfe: Selten zuvor war der Job als Landespolitikerin an der Spitze des Agrar-Ressorts fordernder als heute. Während des Interviews klopft Michaela Langer-Weninger (ÖVP) als glücksbringende Geste auf den Tisch. Sie ist froh, dass Oberösterreich von Katastrophen heuer weitgehend verschont geblieben ist. Anderenorts in Europa sorgten Waldbrände, Hochwasser und Murenabgänge im Sommer für negative Schlagzeilen. Im Büro der 44-jährigen Biobäuerin und ehemaligen Landwirtschaftskammer-Präsidentin Oberösterreichs ist Idylle angesagt. Von ihrem Schreibtisch blickt sie auf ein Panoramabild mit alpiner Kulisse, grünen Weiden und Blick auf den Mondsee. „Ein geglückter Schnappschuss mit meinem Smartphone“, erklärt sie. Das Motiv zeigt die Wahlheimat der gebürtigen Waldviertlerin. Langer-Weninger lebt in Innerschwand am Mondsee, ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit dem 23. Oktober 2021 ist die ausgebildete Tourismusfachfrau Landesrätin unter Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). In ihre Zuständigkeit fallen Land- und Forstwirtschaft, Gemeinden, Ernährung, Feuerwehren und Katastrophenschutz.
CHEFINFO: Sie waren kürzlich in den Almgebieten unterwegs. Was bereitet Landwirten mehr Sorgen: Der Klimawandel oder der Wolf?
Michaela Langer-Weninger: Beides. Die Folgen des Klimawandels schlagen unmittelbar durch, weil Landwirte ihre Werkstatt unter freiem Himmel haben. Einen Tag vor der Ernte-Einbringung kann ein Hagelunwetter alles zunichte machen. Der Wolf ist für die Alm- und Weidewirtschaft ein riesiges Thema. Im Biobereich ist Weidehaltung Vorschrift. Damit haben Raubtiere, allen voran der Wolf, leichteres Spiel. Wir haben als Land reagiert und einen Vierpunkteplan auf den Weg gebracht. Der beinhaltet eine Informationskampagne über das richtige Verhalten bei Wolfskontakt, Herdenschutzmaßnahmen, Wolfsverordnung und schließlich die Forderung, die FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, Anm.) auf EU-Ebene anzupassen. Die Richtlinie aus Brüssel zementiert den Schutzstatus des Wolfs seit mehr als 30 Jahren ein, obwohl man in Europa inzwischen rund 20.000 Wölfe zählt. Bei dieser Population kann man von keiner gefährdeten Tierart mehr sprechen.
Das Land Oberösterreich hat zwei Wölfe zum Abschuss freigegeben. Man spricht dabei von Problemwölfen. Suggeriert das nicht, dass die anderen Artgenossen weniger gefährlich sind?
Langer-Weninger: Natürlich sind alle Wölfe gefährliche Räuber. In der Verordnung ist von Risikowolf und Schadwolf die Rede, beide werden synonym als Problemwolf bezeichnet. Dahinter steht mit den Vorgaben des Österreichzentrums Bär-Wolf-Luchs ein klares Reglement. Demnach muss der Risikowolf sich einer Siedlung unter hundert Meter annähern, dann muss er vergrämt werden. In Unterweißenbach im Mühlviertel ist die erste Vergrämungsmaßnahme gesetzt worden. Weil der Wolf innerhalb von vier Wochen wieder aufgetaucht ist und erneut vergrämt werden musste, wird er als Risikowolf zur Entnahme, sprich zum Abschuss, freigegeben. Beim Schadwolf ist es die genaue Definition der Risszahlen, die den Mechanismus auslösen. Das war im August am Dachstein-Plateau der Fall, wo an einem Wochenende neun tote und zwei verletzte Schafe gezählt wurden. 25 weitere Schafe sowie eine Kalbin sind in dem Gebiet abgängig.
Warum ist gerade beim Wolf so viel Emotion im Spiel?
Langer-Weninger: Ich kann die Emotion sehr gut bei jenen verstehen, die betroffen sind und die von der Landwirtschaft und Tierhaltung leben. Oft wird ins Treffen geführt, dass der Wolf Tiere reißt, weil sie seine Nahrung sind und der Besitzer ja ohnehin finanziell entschädigt wird. Was man dabei vergisst: Nicht entschädigt wird der Landwirt für die Arbeit, die im Vorfeld eingeflossen ist, etwa das Tier von klein auf an die Herde zu gewöhnen.
Hat der Wolf bei uns Zukunft?
Langer-Weninger: Er wird immer seine Berechtigung haben. Niemand redet davon, den Wolf ausrotten zu wollen. Es geht um eine Koexistenz. Der Wolf ist der Letzte in der Nahrungskette, hat keine natürlichen Feinde und hat deshalb auch seine Scheu abgelegt. Das ist genau der Punkt, an dem wir arbeiten müssen und wo uns die Wissenschaft unterstützt: Wenn es dort und da Entnahmen gibt, dann lernt der Wolf, dass er sich Siedlungen nicht annähern darf. Er zieht sich dann in geschlossene Waldgebiete zurück, wo er auch hingehört. Der Wolf muss lernen, dass er Feinde hat.
Kommen wir zum Klima: Die Neos-Abgeordnete Stefanie Krisper hat angeregt, dass wir aufgrund häufiger auftretender Schäden durch Überschwemmungen und Brände nicht mehr von Klimakrise, sondern von Klimakatastrophe reden sollten. Wie lautet denn ihr Sprachmodus?
Langer-Weninger: Ich rede bewusst immer vom Klimawandel. Es bringt uns nicht weiter, über Begrifflichkeiten zu debattieren. Entscheidend ist vielmehr, die richtigen Maßnahmen für den Klimaschutz zu setzen. Wir unterstützen den Green Deal innerhalb der EU. Die Frage ist nur, ob alle darin geplanten Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion sinnvoll sind. Wenn wir, wie geplant, weniger Tiere halten, weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen und damit weniger landwirtschaftliche Produktion betreiben sollen, dann bedeutet das nicht, dass die Menschen in Europa auch weniger essen werden. Sie werden die Produkte aus anderen Erdteilen beziehen. Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen und mehr CO2 ausstoßen. Europa würde mit dieser Maßnahme zwar seine Klimabilanz verbessern, weltweit würde der CO2-Ausstoß steigen. Das kann nicht im Sinne des Klimaschutzes sein.
Deshalb sind Sie gegen das Mercosur-Abkommen?
Langer-Weninger: Ja, das Abkommen würde die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauern schwächen. Berechnungen zeigen, dass die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch bei uns 14 Kilogramm Co2 verursacht, in Brasilien sind es 80 Kilogramm CO2 für dieselbe Menge. Da geht es nicht nur um die Klimabilanz, sondern auch um Standards in der Tierhaltung. Das kritisieren wir an diesem Pakt.
Dürfen wir noch Schnitzel essen?
Langer-Weninger: Wenn jemand etwas gegen den Klimawandel tun will, soll er auch künftig Fleisch essen, Milch trinken und regionale Produkte verzehren. Warum? Nur wenn wir vor Ort Landwirtschaft betreiben und den Boden bewirtschaften, können wir auch Humusaufbau betreiben und damit auch CO2 speichern. Das kann sonst niemand. Dafür ist bewirtschafteter Grund und Boden nötig. Wir haben über 50 Prozent Grünlandanteil in Oberösterreich. Dieses Grünland ist in weiten Teilen als Grasland verwertbar. Dafür werden Tiere benötigt, die aus minderwertigem Eiweiß für uns hochwertiges Eiweiß erzeugen. Jeder, der möchte, kann sich rein pflanzlich ernähren, aber wir brauchen auch die tierische Produktion.
In England will man dem Weinbau der Franzosen inzwischen Konkurrenz machen. Werden bei uns bald Südfrüchte ein Thema?
Langer-Weninger: Wir haben 100 Hektar Weinbaugebiet in Oberösterreich. Einige Weine zählen inzwischen zu den besten Österreichs, worauf wir sehr stolz sind. Natürlich verändert sich aufgrund neuer klimatischer Bedingungen etwas und wir werden zu experimentieren beginnen – sei es mit dem Anbau von Oliven, Reis oder Erdnüssen. Das gilt nicht nur für neue Kulturen, sondern auch im Ackerbaubereich, wo man sich mit Züchtungen beschäftigt, die trotz weniger Niederschlags eine entsprechende Ernte einbringen. Auch der Wald wird mit klimafitten Baumsorten ausgestattet werden müssen – ein langfristiges Projekt.
Wie sehr ist die Landwirtschaft für die Teuerung verantwortlich?
Langer-Weninger: Die Landwirtschaft ist Preisstabilisator und nicht Preistreiber. Wir haben keine Scheu, die Fakten auf den Tisch zu legen. Diese sind auch visualisiert auf der Homepage der Agrarmarkt Austria (AMA), via Preistransparenzrechner abrufbar. Hier wird klar ersichtlich, zu welchem Preis kauft der Lebensmitteleinzelhandel die Produkte ein und zu welchem Preis liegen sie im Regal. Beim Landwirt bleibt immer nur ein kleiner Prozentsatz von der Verkaufssumme übrig.
Zahlt es sich heute noch aus, Landwirt zu werden?
Langer-Weninger: Die Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden. Einerseits schreckt ein großes Regelwerk an Auflagen ab, andererseits müssen Einkünfte erwirtschaftet werden, die für eine ganz Familie reichen. Ohne schwarze Zahlen geht es in keinem wirtschaftlichen Bereich. Das Einkommen der Landwirte stagniert seit zehn Jahren, wenn man die grünen Berichte im langen Schnitt ansieht. Wir sehen aber auch hochmotivierte junge Bauern, die mit neuen Ideen durchstarten. Einige davon wurden zuletzt mit dem Agrarpreis ausgezeichnet.
782 Schafe & Ziegen
wurden vom Wolf 2022 in Österreich getötet. 111.000 Euro wurden im Jahr 2020 an Entschädigungen ausbezahlt, im Schnitt 380 Euro pro Schaf. Die durchschnittliche Entschädigungssumme für Wolfsrisse 2022 für Landwirte in Oberösterreich betrug 2.239 Euro.