„Inflation ist 2024 nicht mehr das zentrale Thema“
Prognosen sind bekanntlich laut Mark Twain schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Gemessen an Unvorhergesehenem in den letzten vier Jahren reiche das „für ein ganzes Berufsleben“, sagte Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken-Generali-Investment-Gesellschaft beim traditionellen Oberbank Private Banking Lunch in Linz vor Anlegern und Kunden. „Prepare, don't predict” lautete mit Blick auf die Geopolitik und die Wahlen in den USA daher auch eine seiner zehn Leitplanken für das Jahr 2024: Man solle sich nicht auf Vorhersagen verlassen, sondern vorbereitet sein. Für Anleger heißt das: Diversifikation und Vermeidung einseitiger Positionierungen.
Erste Zinssenkungen im Frühjahr
Die wohl wichtigste Botschaft: „Inflation ist 2024 nicht mehr das zentrale Thema. Die Notenbanken haben sich ein Jahr um Inflation gekümmert und werden sich sehr bald um die Wirtschaft annehmen müssen“, so Wögerbauer. Beginnend ab März oder April rechnen die Experten mit drei bis fünf Zinssenkungsschritten in diesem Jahr durch die Europäischen Zentralbank (EZB). Ob Zinssenkungen – wie von EZB-Präsidentin Christine Lagarde kommuniziert – erst ab einer Inflationsrate von zwei Prozent im Euroraum passieren werden, sei zu hinterfragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Leitzinsen lange über der Inflationsrate liegen werden, sei jedenfalls sehr gering, wie Zins- und Inflationsdaten der letzten Jahrzehnte zeigen. Derzeit liegt der Leitzins der EZB liegt bei 4,5 Prozent, die Inflationsrate im Euroraum aber knapp unter 3 Prozent.
Staatsschulden rücken wieder in den Fokus
Sowohl Wögerbauer als auch Oberbank-Vorstand Martin Seiter attestieren der EZB ungeachtet aller Kritik einen guten Job gemacht zu haben. „Trotz der radikalen Zinswende ist es zu keiner schlimmen Rezession gekommen und es wurde ein Softlanding geschafft“, sagte der für Private Banking zuständige Vorstandsdirektor in seinem Statement. Nun rückten allerdings die Staatsschulden wieder in den Fokus. „Wenn ich mir ansehe, wie locker derzeit das Geld bei den Regierungen sitzt, habe ich den Eindruck, dass die neue Zinswelt noch nicht in den Köpfen der handelnden Personen angekommen ist.“ Österreich ist ein Sonderfall: Bei uns werde über breit angelegte Subventionen und hohe Lohnabschlüsse die Inflation weiter hochgehalten. Während Italien und andere EU-Länder bereits eine Null vor dem Komma sehen haben, liegt die Inflationsrate in Österreich weiter bei hohen 5,4 Prozent. Das schwäche den Standort und bremse das Wirtschaftswachstum.
„Kapitalmarkt sprüht vor Optimismus“
Dennoch zeigen sich die Banker in ihren Analysen optimistisch: „Die Börsen sind der Realwirtschaft mittlerweile um Monate voraus, das wurde mit der Jahresend-Rallye an den Börsen deutlich sichtbar. Der Kapitalmarkt sprüht vor Optimismus“, sagt Seiter. Die Stimmung bei Kunden sei besser als vor einem Jahr. Die Nachfrage nach Investitionsförderkrediten sei wieder stark vorhanden – vor allem bei den Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Automatisierung. Aber auch das Kreditrisiko steigt mit dem Schub an neuen Insolvenzen. Bei Industrie und Mittelstand sei das Ausfallsrisiko jedoch überschaubar, „weil diese Unternehmen eine starke Liquidität und Eigenkapitalreserve aufgebaut haben“. Seiter rechnet auch damit, dass mit den Zinssenkungen der private Wohnbau wieder anspringt.
„Wahljahre sind tendenziell gute Börsenjahre“
Auch die für die Weltwirtschaft so wichtige US-Wahl, bei der wohl Joe Biden und Donald Trump gegeneinander antreten werden, sollte Anlegern keine großen Kopfschmerzen bereiten. „Wahljahre in den USA sind tendenziell gute Börsenjahre. Mit zwei Ausnahmen waren die Zyklen alle positiv“, sagt Erich Stadlberger, Direktor Private Banking & Asset Management der Oberbank. Für Stadlberger ist hier eine wichtige Botschaft enthalten: „Langfristige Investoren sind in den USA immer gut gefahren.“