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Lehrlinge: Wer holt sich den besten Nachwuchs?

08.01.2025 um 08:26, Andreas Hamedinger
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Junge Menschen suchen mehr als einen Ausbildungsplatz: Wertschätzung, Entwicklung und eine sinnstiftende Arbeitsumgebung sind gefragt.

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Ohne Lehrlinge ­würde es in Zukunft ­keine Fachkräfte mehr geben. Das ­würde ­bedeuten: Niemand repariert mehr Autos, niemand ­kümmert sich um das Blumengesteck für die Hochzeit, keiner deckt das Dach nach dem Sturm und keiner kocht oder serviert das Essen am Muttertag. Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich, weiß aber, wie wichtig Lehrlinge für die heimische Wirtschaft sind: „In Österreich ist die duale Ausbildung ganz klar die tragende Säule der berufspraktischen Qualifizierung, um die wir international beneidet werden. Gerade angesichts des Fachkräftemangels wird die Ausbildungsleistung der ­Betriebe immer bedeutender. Knapp 80 Prozent der Lehrlinge sagen, dass durch den Fachkräftemangel die Lehre noch wichtiger geworden ist“, so Kühnel.

Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine Lehre im Gastgewerbe. Viele Betriebe bieten Lehrlingen deswegen eine Vielzahl an Benefits.

Den Horizont erweitern 

Laut Wirtschaftskammer werden zwar jährlich in Österreich jedes Jahr fast gleich viele Lehrlinge ausgebildet. So waren es 2023 108.266 (+181 oder +0,2  % im Vergleich zu 2022). Es gibt aber Branchen, in denen ein besonders starker Rückgang an Lehrlingen zu verzeichnen ist. Besonders auffällig ist laut einem Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft die Entwicklung in der Tourismusbranche, wo sich die Zahl der Lehrlinge in den vergangenen 15 Jahren mehr als halbiert hat. Mit nur mehr 7.189 Auszubildenden im Gastgewerbe ist dies ein verheerender Lehrlingseinbruch. Um diesem Trend entgegenzuwirken, fordert die Gewerkschaft vida eine deutliche Verbesserung der Ausbildungsqualität sowie Maßnahmen, um die Branche an sich attraktiver zu machen. Ein Betrieb, der diese Situa­tion kennt und schon lange dagegen aktiv etwas unternimmt, ist das ­„Weiße Rössl“ aus St.  Wolfgang. Rösslwirtin Gudrun Peter weiß, dass man Lehrlingen heute etwas bieten muss: „­Unsere Lehrlinge haben die Möglichkeit, an ­firmeninternen Schulungen teilzunehmen, die ihren gastronomischen Horizont erweitern.“ Laut Peter zählen dazu Produktschulungen – etwa zu tropischen Früchten – oder Wein- und Champagnerseminare, die der Lehrlingsausbildner und Sommelier Zoran Babic durchführt. „Zudem zahlen wir unseren Lehrlingen nach der Lehrabschlussprüfung – bei gutem Erfolg – den Führerschein, oder es gibt Prämien für sie, wenn auf ihre Empfehlung neue Mitarbeiter bei uns anfangen.“ Mit dem Problem, Lehrlinge zu finden, hat man im „Weißen Rössl“ nicht zu kämpfen, wie die Gastronomin erklärt: „Wir stehen in der Region zwar mit zahlreichen Handwerksbetrieben in Konkurrenz, doch dank unseres guten Rufs als Ausbildungsbetrieb haben wir keine Schwierigkeiten bei der Lehrlingssuche.“ Auch Lisa Sigl, Vorstandsmitglied der Linzer Gastronomie-Kooperation
„hotspots“, weiß, wie wichtig gute Lehrlinge für die Branche sind: „Neben fachspezifischen Kursen bieten wir auch Weiterbildungen in den Bereichen der Persönlichkeitsbildung oder im Umgang mit Social Media an.“

Lisa Sigl ist selbst in einer Gastronomiefamilie aufgewachsen. Heute betreibt sie gemeinsam mit ihrem Mann Michael Nell in Linz das Hotel „Schwarzer Bär“.

Unterstützung hat viele Seiten 

Um junge Menschen für eine Lehre zu begeistern, bietet auch die Johannes Kepler Universität (JKU) ein breites Angebot an Benefits. „Unsere Lehrlinge erhalten ein Gratis-Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel in Oberösterreich und ihnen wird das Mittagessen bezahlt“, erklärt Jakob Freudenthaler, der Lehrlingsbeauftragte der JKU. Daneben werden den Jugendlichen auch Kurse angeboten, die die Themen Social Media, Persönlichkeitsbildung oder Kommunikation abdecken. Freudenthaler: „Wir unterstützen die Lehre mit Matura mit Sonderurlaub und ermöglichen den Lehrlingen, Sport während der Arbeitszeit zu betreiben.“ Trotz dieses Angebots hat die JKU in gewissen Bereichen Schwierigkeiten, Lehrlinge zu finden: „Eine Universität verbindet man nicht unbedingt mit handwerklichen Berufen. Gerade in diesem Segment ist die Lehrlingssuche für uns schwierig“, sagt der Lehrlingsbeauftragte, der erklärt: „Immer wichtiger wird es, sich auch um Schwierigkeiten abseits beruflicher Themen der jungen ­Menschen zu kümmern. Daher gibt es auch einen Jugendvertrauensrat, an den sich die Lehrlinge wenden können, sowie freiwillige monatliche Entwicklungsgespräche mit einem Jugendcoach.“

Rund 200 Lehrberufe gibt es in Österreich. Bei weniger bekannten Ausbildungsmöglichkeiten – etwa im Bereich der Drucktechnik – sind die Betriebe gefordert, das Berufsbild bekannter zu machen.

Prämien sind nicht alles 

Doch warum entscheidet sich ein junger Mensch für einen bestimmten Betrieb? Regö Kocsis, Drucktechnik-Lehrling bei Tannpapier, dazu: „Das Gratis-Jugend­ticket für öffentliche Verkehrsmittel, das die Firma uns Lehrlingen bietet, ist eine sehr gute Sache, da man damit als Jugendlicher sehr mobil ist. Auch ­Prämien als Anerkennung von meiner Leistung sind mir wichtig und vermitteln mir ein gutes Gefühl der Wertschätzung.“ Kocsis ist aber auch ein anderer Faktor wichtig: „Neben den Benefits schätze ich, dass sich die Kollegen und Ausbildner für uns Lehrlinge Zeit nehmen, um uns ihr Wissen zu vermitteln und uns zu unterstützen.“ Robert Reisinger, bei ­Tannpapier am Standort Traun für Personalfragen zuständig, weiß, dass es mitunter nicht leicht ist, Lehrlinge zu finden: „Als mittelgroßes Unter­nehmen, das jährlich maximal eine ‚Handvoll‘ Lehrlinge aufnimmt, ist es eine Herausforderung, in der Vielzahl der größeren Ausbildungsbetriebe nicht unterzugehen.“ Reisinger weist in diesem Zusammenhang auf eine Besonderheit hin: „Für bekanntere Berufsbilder gibt es vergleichsweise viele Bewerber und es liegt hier die Herausforderung darin, den am besten ins Team passenden Kandidaten herauszupicken. Bei der Besetzung eines weniger geläufigen Lehrberufs, wie beispielsweise der Drucktechnik, müssen wir deutlich mehr investieren, um die Tätigkeiten des Berufsbildes bzw. den Arbeitsalltag im Betrieb zu erklären und somit das Interesse der Lehrlinge sowie auch ihrer Eltern dafür zu wecken. ­Während der Ausbildung selbst punktet Tannpapier, das Teil der Mayr-Melnhof Gruppe ist, neben einem attraktiven Lehrlingseinkommen insbesondere mit dem konzerninternen „Next Generation“Programm. Beispielsweise starten die Lehrlinge ihre Lehrzeit mit einer teambildenden Veranstaltung. „Unser Angebot für Lehrlinge reicht von Seminaren zum Thema ‚Finanzen‘ über den Umgang mit Genuss­mitteln sowie Social Media bis zu Projektplanungs- und Präsentationsfertigkeiten“, erklärt der Human Resources Manager von ­Tannpapier. 

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