Alles China oder was?
Inhalt
- Europa eine Lkw-Nase voraus?
- H2-Match an China?
- Batteryman vs. Rocketman
- Auf Daten bauen?
- Aufbau West
Man muss schon genau schauen, will man in der allgemein schlechten Wirtschaftslage in Europa zarte Konjunkturpflänzchen wachsen sehen. Doch es ist Frühling und es gibt sie – Indikatoren für vorsichtigen Optimismus. So etwa der Nutzfahrzeugmarkt. Werden Nutzfahrzeuge gekauft, ist das ein Signal für wachsende Konsum- und Investitionsbereitschaft. 2024 stiegen die Zulassungszahlen bei allen Fahrzeug-Gattungen gesamt um vier Prozent. Bei detaillierterer Betrachtung zeigt sich jedoch etwas Ernüchterung. Schwere Lkw fuhren ein Minus von neun Prozent ein. Das ist der nach wie vor schwächelnden Baukonjunktur zuzuschreiben. Jüngste Branchenberichte aus 2025 zeigen aber auch hier mittlerweile steigende Nachfrage. Ein sattes Plus gab es EU-weit bei klassischen Transportern. Sie legten ebenso um acht Prozent zu wie mittelschwere Lkw und Busse. Im Lkw-Segment setzen die Europäer nach wie vor zu 95 Prozent auf den Diesel, während in Bussen bereits 19 Prozent E-Antriebe (rein elektrisch bzw. Hybrid) verbaut waren. Auch wurden 2024 bei Transportern und Zustellfahrzeugen bereits sechs Prozent rein elektrische verkauft.
Europa eine Lkw-Nase voraus?
Und hier kommt die nächste gute Nachricht. Im Gegensatz zu BEV- (rein elektrischen Pkw) und Hybriden, wo China in der EU immer stärker reüssiert, spielen E-Nutzfahrzeuge aus dem Land der Mitte noch kaum eine Rolle. Einzig Maxus ist in Europa großflächig vertreten. Geht es nach den Plänen des Ex-BMW-Managers Daniel Kirchert, soll sich das bald ändern. Der China-affine Kirchert, Ex-Byton-CEO, gründete in China das E-Transporter-Unternehmen Flynt. Hinter Flynt steht einer der größten chinesischen Autobauer: GAC. Kirchert will mit Flynt eine völlig neue Plattform mit flacher Bodengruppe für E-Transporter etablieren. Da hinken die Europäer noch hinterher. Fast alle Transporter aus Europa sind in ihrer Basis – egal, ob Diesel oder elektrisch – ident. Und eine weitere Kampfansage kommt von Flynt. Es soll eine große Nickel-Kobalt-Mangan-Batterie geben, die extrem schnell wieder geladen werden kann, und welche – laut Kirchert – die niedrigsten Verbrauchswerte in diesem Segment bieten soll. Noch haben die Europäer ein wenig Zeit, ihre E-Transporterflotten zu modifizieren. Flynt soll erst 2026 an den Start gehen.

H2-Match an China?
Bei mittelschweren und schweren Lkw sieht die Welt ein wenig anders aus. Während europäische Hersteller ihre Flotte mittlerweile durchgehend elektrifiziert haben (Marktanteil in der EU: 2 %), treibt China massiv die Kommerzialisierung von Wasserstoff (H2) im Lkw-Verkehr voran. Das hat einen Grund. Seit Anfang 2025 gilt Wasserstoff als offizielle Energiequelle und wird von der chinesischen Regierung nun forciert. Der Mittel- und Langfristplan des Regimes sah bereits 2021 H2 als strategischen Forschungsschwerpunkt, weshalb China als Technologieführer gilt. In China wurden daher mehr Wasserstofffahrzeuge verkauft als in der gesamten restlichen Welt zusammen, erhob das Beratungsunternehmen Sinolytics. 87 Prozent des Kuchens an verkauften Wasserstoff-Fahrzeugen in der Volksrepublik betreffen Lkw. Aktuell sind die Zulassungszahlen jedoch wieder rückläufig. Hohe Kosten und ein H2-Tankstellen-Engpass bremsen den Trend gerade so massiv ein wie die große Mauer einst potenzielle Invasoren.
Batteryman vs. Rocketman
Der Peking-Express soll dadurch nicht ins Stocken geraten. Bei schweren und mittelschweren Lkw kündigen chinesische Hersteller eine Marktoffensive in Europa an. Die bisherigen Exportmärkte von Sinotruk oder Dongfeng konzentrierten sich auf Asien und Lateinamerika. Noch hat Europa nach wie vor einen Heimvorteil. Daimler, Scania, MAN, DAF oder Volvo investierten viel in ihre Flotte. Sichtbares Zeichen: der von einer Fachjury zum „International Truck of the Year 2025“ ausgezeichnete „eActros 600“ aus dem Hause Daimler. Der 40-Tonner schafft dank einer Batteriekapazität von über 600 Kilowattstunden rein elektrisch 500 Kilometer Reichweite. Mit Megawatt-Chargern kann der eActross 600 in nur 45 Minuten geladen werden, passend zu den gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen für Fahrer. Umgerechnet auf den Dieselverbrauch würde der E-Lkw nur rund neun Liter Diesel auf 100 Kilometer benötigen – in etwa ein Drittel im Vergleich zu seinen Verbrenner-Kollegen. Europa scheint technologisch mit China nicht nur mitzuhalten, sondern dürfte noch deutlich die Nase vorn haben. Einen derartigen Run wie auf chinesische Pkw halten Brancheninsider im Lkw-Segment in nächster Zeit für unwahrscheinlich. Im Rahmen der „IAA Transportation 2024“ in Hannover meint die Vorstandsvorsitzende der Daimler Truck Holding AG Karin Radström: „Solange wir uns darauf fokussieren, unsere Sache gut zu machen, sind wir zuversichtlich, auch diese Konkurrenz zu meistern.“ Dennoch muss Radström den Rotstift ansetzen – Daimler Trucks soll eine Milliarde Euro sparen. Ein Grund: Abschreibungen und Wertberichtigungen im China-Geschäft. Und noch etwas trügt den (europäischen) Ausblick: Fast ausschließlich alle verbauten Batterien kommen vom chinesischen Giganten CATL, der unumstrittenen Nummer eins in seinem Segment weltweit. Das Selbstbewusstsein von CATL scheint ungebrochen und lässt selbst Elon Musk verstummen, wie CATL-Gründer Robin Zeng im November 2024 Reuters verriet: „Ich habe es ihm gezeigt. Er war still. Er weiß nicht, wie man eine Batterie macht“, und Zeng setzte, befragt nach Teslas eigenen Batterieentwicklungen, nach: „Tesla wird scheitern und nie Erfolg damit haben.“ Unabhängigkeit von chinesischer Akku-Technologie sieht anders aus.

Auf Daten bauen?
Ein Zweig der Nutzfahrzeugindustrie wird von den USA dominiert: Baumaschinen. Unumstrittener Weltmarktführer mit deutlichem Respektabstand ist Caterpillar. Unter den globalen Top Ten finden sich nur drei Europäer: Liebherr (D), Volvo (SWE) und JVC (UK). Im Gegensatz zur Pkw-Sparte (wurde großteils an Chinas Geely verkauft) ist der Lkw- und Baumaschinen-Sektor von Volvo nach wie vor in schwedischer Hand. Hohe Zinsen, wenig Bautätigkeit und die Unsicherheit am größten Markt für Baumaschinen, der USA, schlugen in den vergangenen Jahren durch. Doch die Branche erfindet sich gerade neu, wie bei der Weltleitmesse – der „bauma 2025“ – im April zu sehen sein wird. Im Zentrum steht die Digitalisierung von Baumaschinen. Das ist nicht neu – neu ist nur, wie sie markenübergreifend künftig miteinander kommunizieren werden. Schon jetzt gibt es Maschinen, die teilautonom und selbstständig auf Baustellen arbeiten können. Das können sie aber nicht isoliert. Es braucht Schnittstellen und Datenaustausch. Wolfgang Lübberding, Geschäftsstellenleiter des Verbands der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik, meint in einem Interview mit dem bauma-Messemanagement: „Ein Schritt in diese Richtung ist die ISO 15143-3, die wir gemeinsam mit der Technischen Universität München und Partnerverbänden aus den USA zum weltweit gültigen Standard entwickelt haben.“ Daten auf Baustellen würden zu einem neuen Geschäftsmodell werden – der digitale Zwilling lässt grüßen.

Aufbau West
Dank BIM (Building Information Modeling) werden Planung, Bau und die spätere Verwaltung von Gebäuden digitaler und vernetzter. Dazu kommen neue Bezahlmodelle. Fast jeder große Hersteller bietet Demand-Modelle an, sprich bezahlt wird nur die Nutzung. Das entlastet das Working Capital der Baufirmen. Sie können flexibler auf die Auftragslage reagieren. Baumaschinenhersteller investierten daher in den vergangenen Jahren viel in die IT, um die Vernetzung sowie neue Miet- und Leihmodelle besser zu verwalten. Und es gibt einen weiteren Silberstreif am Horizont, der auch Österreichs Zulieferindustrie freuen wird: das angekündigte, bis zu 500 Milliarden Euro umfassende deutsche Konjunktur- und Aufbauprogramm. Zwar ist noch nichts in trockenen Tüchern, allein die Ankündigung zeigt aber unübersehbare Effekte. So auch beim deutschen Wacker-Neuson-Konzern. Einer der größten Produktionsstandorte befindet sich in Hörsching. Nach Kurzarbeit in den vergangenen Monaten geht es jetzt zurück in den Vollbetrieb. Man ist wieder auf Erfolgskurs und das zeigt auch die Aktie. Das Papier zog deutlich an. Angezogene Handbremsen werden nun allgemein gelockert. Die Nutzfahrzeugbranche scheint einen Gang höher zu schalten – und
Europa fährt dabei vorne mit.
