Haidlmair-CEO: "Nur ganz wenige, die das können"
Was hat einer der europaweit führenden Werkzeugbauer für Spritzgusstechnologie mit steigendem Bierkonsum während einer Fußball-Europameisterschaft zu tun? Eine Menge, denn damit steigt auch die Nachfrage nach Bierkisten. Haidlmair mit Sitz Nußbach im Kremstal ist unter anderem Spezialist, wenn es um Werkzeuge zur Getränkekistenproduktion geht: „Das merken wir schon ein Jahr vor einem solchen Großereignis“, erzählt Mario Haidlmair, CEO der Haidlmair Group. Deren Werkzeuge werden überall dort eingesetzt, wo es um große Mengen geht – weit mehr als nur bei Bierkisten, das wohl einzige Produkt, das direkt an den Endkonsumenten geht. Die Traunviertler sind vor allem im B2B-Bereich tätig und heben sich vom globalen Wettbewerb deutlich ab. „Unsere Werkzeuge benötigen weniger Energie bei höherer Produktivität.“ Werkzeuge, die schon einmal 125 Tonnen schwer sein können.
Größter Auftrag aller Zeiten
Das wiegen die drei Großwerkzeuge für einen Automobilhersteller in Mittelamerika pro Stück. Es sind nicht nur die größten ihrer Art, sondern sie markieren auch den größten Werkzeugauftrag des Unternehmens in der Geschichte. Gemeinsam mit Engel – wo man dafür die weltgrößte Spritzgussmaschine entwickelt hat – läuft das Projekt seit zweieinhalb Jahren. „Es gibt weltweit nur ganz wenige, die das können. Die kann man an einer Hand abzählen. Wir haben mit unserer Technologie gepunktet.“ Bei Großserienfertigungen geht es nicht nur um hohe Stückzahlen, sondern vor allem um niedrige Stückkosten. Je höher der Output, desto teurer sind die Werkzeuge. Werkzeuge, die für eine neue Modellreihe im Automobilbau schon einmal bis zu einer Milliarde Euro kosten können. „Es ist kurios, aber die billigsten Werkzeuge kommen etwa bei Lamborghini oder Bentley zum Einsatz. Die teuersten gehen beispielsweise in die Fertigung eines VW Golf. Wir sind Spezialisten für die hohen Stückzahlen.“ Hinter jedem Werkzeug steckt eine Menge Know-how und Technologie.
Vorreiter bei Mehrweg
Technologie, die in der eigenen Entwicklungsabteilung vorangetrieben wird. „Wir sind einer der wenigen, die sich eine solche Abteilung leisten, und haben aus diesen Entwicklungen schon zwei Firmen ausgegründet. Der Werkzeugbau ist eigentlich eine konservative Branche, doch mein Leitspruch lautet: Vorwärts ist die Richtung.“ Vorwärts geht es auch beim Thema Nachhaltigkeit. Haidlmair produziert als erster seiner Branche bereits CO2-neutral und ist Vorreiter, wenn es um Recycling geht. „Das ist seit einem Jahrzehnt meine Strategie. Ich habe daher die Firmen unserer Gruppe verkauft, die sich mit Einwegkunststoff beschäftigt haben.“
Kunststoff aus Haushaltsmüll?
Noch, so der CEO, fruchten diese Bemühungen bedingt. „Es interessiert keinen Kunden, ob wir nachhaltig arbeiten. Wir bekommen dadurch keinen Auftrag extra, aber das Thema wird kommen und wir sind vorbereitet.“ Auch die Kunden: Sie setzen bereits 50 Prozent Recyclingmaterial ein, und das „obwohl es oft teurer ist als Neuware“. Dazu rollt eine ganze Generation an neuen Materialien an. „Biokunststoffe, etwa aus Getreideabfällen, gibt es schon länger. Auch die lassen sich mit unserer Technologie verspritzen.“ Und sogar Haushaltsmüll. „Es ist schon möglich, Haushaltsmüll zu neuen Produkten zu verarbeiten. Das ist nicht nur CO2-neutral, sondern CO2-negativ, sprich, es wird bei der Verarbeitung weniger CO2 emittiert, als würde man den Abfall verrotten lassen. Das funktioniert bereits sehr gut. Man kann also schon bald Kunststoffprodukte mit gutem Gewissen kaufen.“
Ende des Kartonwahnsinns?
Doch damit ist es nicht getan. Auch dem Thema Karton hat sich Haidlmair gewidmet. „Dafür werden viele Wälder abgeholzt. Zwar wird einiges recycelt, meistens aber verbrannt.“ Für das Kartonrecycling ist zudem viel Energie und Chemie nötig. Eine Mehrwegverpackung für große Onlinehandelshäuser könnte das Problem lösen. „Wir machen bereits erste Versuche mit Amazon und Co. Da wird sich noch einiges auftun.“ Der Firmenchef spricht von Innovationen mit einem riesigen disruptiven (Wachstums)Potenzial. Wachstum, das nach neuen Mitarbeitern verlangt. „Wir sind ständig auf der Suche nach Werkzeugmachern, Konstrukteuren, Lehrlingen, HTL-Absolventen oder -Abbrechern bis hin zu Studienabgängern in Design oder Kunststofftechnik.“ Deren Know-how fließt in unzählige Kunststoffprodukte und -teile – einiges davon auch in Bierkisten.