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Haftungsfrage
Bei einer Geschäftsführer­haftung drohen nicht nur der Verlust des Privatvermögens, sondern in bestimmten Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen.
Bei einer Geschäftsführer­haftung drohen nicht nur der Verlust des Privatvermögens, sondern in bestimmten Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen.
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Geschäftsführerhaftung: Sie sind ver“haft"et

27.05.2021 um 10:00, Jürgen Philipp
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Mutmaßlich schlafen viele Geschäftsführer derzeit schlecht. Nicht zuletzt deshalb, weil sie im Insolvenzfall haftbar gemacht werden können und drakonische Sanktionen drohen.

Ein erster Blick auf die Insolvenzstatistik ist erfreulich. 2020 waren die Zahlen so niedrig wie zuletzt vor 30 Jahren. Doch ist das nur die Ruhe vor dem Sturm? Werner Obermüller, Eigentümer der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei MWO, ist sich sicher: „Ich rechne im August bzw. September 2021 mit einer Insolvenzwelle. Die wird vor allem Dienstleister, Einzelhandel und die Gastronomie treffen. Mit 1.  Juli 2021 sind die Abgaben fällig.“ Obermüller sieht darin auch etwas Gutes: „Die Insolvenzwelle wird Firmen stärken, die bisher gut unterwegs waren. Die schwachen Firmen fallen weg. Das wird einen bereinigenden Effekt haben. Gerade gesunde Familienbetriebe, die sich gut halten konnten, haben eine gute Chance, die Pandemie schadlos durchzustehen.“

Haftung bewusst machen

Doch viele werden dieses Glück nicht haben. Im Fokus stehen die Geschäftsführer, die sich nicht nur Sorgen um die Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter machen müssen, sondern auch um ihre eigene, denn sie können im Insolvenzfall haftbar gemacht werden. Sanierungsexperte Thomas Kurz von Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH sieht hier eine Wissenslücke: „Ich habe das Gefühl, dass größtenteils viel zu wenig Bewusstsein über die Haftungsfragen besteht. Auch wenn derzeit die Wirtschaft durch staatliche Maßnahmen runtergefahren wird, besteht die Pflicht nach wie vor, seine Gläubiger zu befriedigen. Sobald ich zahlungsunfähig bin, muss ich unverzüglich einen Insolvenzantrag einbringen oder Sanierungsschritte setzen. Der OGH spricht bereits bei einer Deckungslücke von fünf Prozent der fälligen Verbindlichkeiten von Zahlungsunfähigkeit. In spätestens drei Monaten muss ich diese Deckungslücke schließen können.“

Fortbestehensprognose erstellen

Kurz ist bereits seit 30 Jahren mit Insolvenzen betraut und kennt daher das Hauptproblem: mangelnde Liquidität. „Die Zahlungsunfähigkeit betrifft die momentane Liquidität, die Verschuldung betrifft die künftige. Wichtig ist daher eine Fortbestehensprognose.

Zitat Thomas Kurz

Man schaut dabei, ob das Unternehmen im nächsten Jahr noch flüssig ist. Das betrifft nicht nur Geld, sondern etwa auch, ob man noch Vormaterial, wie aktuell Chips oder Rohstoffe, bekommt.“ Ist kein Licht am Horizont erkennbar, muss der Geschäftsführer unverzüglich die Reißleine ziehen. Oder wie es Kurz‘ Kollege Christoph Dupal ausdrückt: „Wenn man zahlungsunfähig ist, hilft es nicht, in die Kirche zu gehen und zu beten, sondern man muss sofort reagieren und Sanierungsschritte setzen oder einen Insolvenzantrag stellen.“

Sanierungsschritte setzen

Sanierungsschritte müssen aktiv gesetzt werden. Kurz: „Wenn ich mich etwa aktiv um einen außergerichtlichen Ausgleich bemühe oder Zahlungsvereinbarungen treffe, sind das aktiv Schritte.“ Schritte, die laut Dupal akribisch dokumentiert werden sollten. „Die Bemühungen müssen nachweisbar sein. Wenn es aber zum Insolvenzfall kommt und der Geschäftsführer kann nachweisen, dass er aktiv Erfolg versprechende Versuche übernommen hat, die Firma zu retten, kommt er nicht in die Haftung.“ Tritt die Haftung, etwa bei einer Insolvenzverschleppung, ein, dann haftet der Geschäftsführer mit seinem Privatvermögen. Thomas Kurz bringt ein Beispiel: „Stellt der Masseverwalter fest, dass schon vor einem halben Jahr die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist und damals den Gläubigern eine Quote von 15 Prozent geboten hätte werden können, jetzt aber nur fünf Prozent, so hat der Geschäftsführer die Differenz daraus privat zu bezahlen.“

Keine Gläubiger bevorzugen

Ein häufiger Fall von „Gut gemeint, aber schlecht gemacht“ kommt gar nicht so selten vor. „Zahlt der Geschäftsführer mit dem letzten Geld noch die Löhne und Gehälter aus, übersieht aber, dass er einen Monat später die Abgaben zu entrichten hat, ist das eine Gläubiger­bevorzugung und der Geschäftsführer haftet auch in diesem Fall persönlich.“ Der Gesetzgeber gibt keinen Spielraum für solche „Missverständnisse“. Missverständnisse, die rund um das Thema „Haftungen“ immer wieder auftauchen, wie Christoph Dupal skizziert: „Was kaum jemand weiß, ist, dass bei einer Geschäftsführung, die aus zwei oder mehreren Personen besteht, was sehr häufig vorkommt, alle haftbar sind.

Zitat Christoph Dupal

Tritt der Insolvenzfall ein, kann der technische Geschäftsführer nicht sagen: Er hätte das nicht gewusst, weil ihn gegenüber dem kaufmännischen Geschäftsführer eine Überwachungspflicht trifft. Überhaupt ist der Satz ‚Ich habe das nicht gewusst‘ in jedem Fall ein Schuldeingeständnis.“ Denn Geschäftsführer müssen rechtlich gesehen qualifiziert sein, sprich sie müssen Kenntnis über alle relevanten Vorschriften ihrer Branche und auch über Haftungsfragen haben. Warum also als Geschäftsführer das sinkende Schiff nicht einfach rechtzeitig verlassen? Auch das verhindert der Gesetzgeber. „Ein Geschäftsführer muss den Rückhalt in einer eventuellen Generalversammlung suchen. Er kann in der Krise nicht einfach zurücktreten, weil er sonst sofort in die Haftung kommt. Er müsste schon abberufen werden.“

Problemfall: Hochfahren

Aktuell sieht Christoph Dupal einige Herausforderungen auf die Geschäftsführer zukommen. „Derzeit ist die Liquidität in gewissen Branchen gar nicht so schlecht. Es greifen die staatlichen Hilfspakete. Doch stellen wir uns vor, wir fahren alles wieder hoch. Das würde viele Unternehmen vor Probleme stellen. Etwa in der Gastronomie. Viele Mitarbeiter sind angelernt. Sie haben sich mittlerweile andere Jobs gesucht. Die Frage ist also, bekomme ich rechtzeitig genügend Personal, wenn ich es vorher gekündigt habe?“ All diese Szenarien sollten sich in einer Fortbestehungsprognose wiederfinden. „Idealerweise rechnet man verschiedene Szenarien durch. Habe ich normalerweise 50 Mitarbeiter in einem Gastrobetrieb, bekomme aber nur 20, ist das dann noch rentabel? Wichtig ist: Wenn ich mich redlich verhalten habe, dann darf ich auch scheitern.“ In den USA ist diese oft zitierte Kultur des Scheiterns schon deutlich ausgeprägter, wie Thomas Kurz erzählt: „Dort gilt das Sprichwort: ‚I was lucky, I went bankrupt‘.“ Davon sind wir noch weit entfernt, umso mehr heißt es daher, die Regularien rund um die Geschäftsführerhaftung penibel einzuhalten.

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