Direkt zum Inhalt
TRUST, Fokusiert / iStock / Getty Images Plus

Der Markt wird immer mobiler

28.10.2024 um 12:52, Jürgen Philipp
min read
Zeitarbeit gilt als Konjunkturseismograf. Noch wirkt sich das schwierige Marktumfeld aus, doch es gibt Lichtblicke. Wann schlägt dieser Seismograf wieder aus?

Inhalt

Es war ein kurzes Aufflackern. Ende September sprangen die Aktien der weltweit größten Personaldienstleister unerwartet in die Höhe. So manche optimistischen Analysten werteten das als Frühsignal für eine bevorstehende Konjunkturerholung. Doch wenige Tage später flauten die Papiere wieder ab. Sowohl die globale Nummer eins, die niederländische Randstad, als auch die auf den „Plätzen“ liegende Adecco (Schweiz) und Manpower (USA) veröffentlichen demnächst ihre Quartalsberichte. Richtig gute Neuigkeiten kann wohl keine von ihnen vermelden. Randstad sprach von einer stabilen Lage, Adecco von einem schwierigen Marktumfeld.

Neue Bewerberschichten 

Das können auch Österreichs Personaldienstleister unterschreiben. Der Geschäftsführer des Marktführers Hofmann Personal mit Sitz in St. Florian, Helmut Herzog, spricht von Einbußen, aber auch von Chancen. „Facharbeiter sind immer noch hoch gefragt.“ Personaldienstleister seien daher auch in der Pflicht, in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu investieren. „Wir haben aktuell 100 Leute in Ausbildung rund um das Thema E-Mobilität.“ Nicht überall gibt es Rückgänge. „Wir sind in Linz etwa über dem Vorjahresniveau. Die Bewerberfrequenz steigt und auch die Qualifikation steigt. Die Art der Bewerber hat sich verändert. Es sind heute -Leute jobsuchend, die vor einem Jahr noch kein Problem hatten“, schildert der Niederlassungsleiter von Hofmann in Linz. Gut qualifizierte Menschen, die schnell wieder eingesetzt werden können. „Es gibt immer noch Branchen, bei denen es bergauf geht und die Mitarbeiter suchen, etwa der Maschinenbau, die Chemie- oder Lebensmittelindustrie.“ Dennoch bremst Herzog ein. „In manchen Branchen gibt es Einbußen von 20 Prozent.“

Von 100.000 auf 78.000 

Das bestätigt auch Roman Ettinger, Geschäftsführer von Trust Personal in Enns. „Im August 2022 gab es rund 100.000 Zeitarbeiter in Österreich. 2023 waren es 92.000. Heuer sind es nur 78.000.“ Schwankungen sei die Branche aber gewohnt. „Das gehört zu unserem Business. Derzeit ist vieles noch ungewiss, etwa wie die neue Regierung aussehen wird.“ Aktuell seien daher keine klaren Signale in Sicht. Die Zeitarbeitsbranche gilt seit jeher als Konjunkturbarometer. Steigt die Zahl an eingesetzten Mitarbeitern, steht meist ein Wirtschaftsaufschwung vor der Tür. Umgekehrt werden in herausfordernden Zeiten zuerst Leiharbeiter freigesetzt. „Wir sind ein wichtiger Indikator.“ Sowohl Herzog als auch Ettinger sehen unisono einen Aufschwung frühestens Mitte 2025. Grund zur Panik sei aber keiner gegeben.

Roman Ettinger Geschäftsführer Trust Personal

Bis die Zinssenkungen am Markt ankommen, dauert es meistens noch zwei Quartale.

Wann schlagen Zinssenkungen durch? 

Trust setzt dabei auf drei Standbeine. Die Entwicklung im Segment Gewerbe und Industrie „sei noch sehr flau“. Im Bereich der Medizin und Pflege „spüren wir keine Krise. Dieser Sektor bleibt unberührt.“ Beim dritten Standbein, dem der hoch qualifizierten Mitarbeiter, gibt es ebenfalls keinen Rückgang. „Bei reinen Facharbeitern geht es nach unten. Wir bekommen immer wieder Leute zurückgemeldet.“ Die Branche hat ihre Fühler aber längst in alle Richtungen ausgestreckt. „Wir müssen schauen, was sich vor unserer Haustüre tut und gleichzeitig auch was in der großen weiten Welt vor sich geht.“ So registriert man die jüngsten Zinssenkungen der EZB und der Fed. Könnte das eine Belebung der Bauwirtschaft nach sich ziehen? „Bis die Zinssenkungen am Markt ankommen, dauert es meistens noch zwei Quartale“, so Ettinger.

Internationale Personaldrehscheibe 

Auch Helmut Herzog beobachtet das Weltgeschehen. Hofmann Personal ist in acht Ländern vertreten, darunter auch in den USA. „Dort haben wir bereits neun Niederlassungen.“ Der US-Jobmarkt brummt. Während in -Europa die Arbeitslosigkeit steigt, gibt es in den USA Rekordbeschäftigung. Die Personalwelt internationalisiert sich immer mehr. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage wird grenzenloser. „Wir -setzen innerhalb des Konzerns bereits 500 Spanier in Deutschland ein. Das bedeutet aber auch, dass es spanische Ansprechpartner geben muss, bis hin zu einer spanischen Lohnverrechnung. Auch in Tschechien gibt es Spezifika. Die Tschechen setzen stark auf -Arbeitskräfte aus der Mongolei oder Nepal. Hofmann Tschechien begleitet diese Mitarbeiter von der Anmeldung über die Arbeitsgenehmigungen und unterstützt bei allen anderen bürokratischen Prozessen. Auch der ungarische Staat will 50.000 Philippinos ins Land holen und dort für Gesundheits- und Pflegeberufe qualifizieren. Der Personalmarkt wird immer mobiler.“

Helmut Herzog Geschäftsführer Hofmann Personal Österreich

Ausbildungen und Weiterqualifizierungen sind für unsere Branche ein großes Thema. Wir sind hier genau vorbereitet.

Image der Branche steigt 

Mit diesem Trend wird auch die ge-samte Zeitarbeitsbranche populärer. Ettinger: „Es gibt einen Imagewandel. Bei der Arbeitsplatzzufriedenheit war unserer Branche immer besser als der Durchschnitt. In Deutschland steigt es ebenfalls. Dort gibt es keinen KV wie bei uns seit 2002, sprich Zeitarbeitsfirmen bei unseren Nachbarn haben lange das Lohnniveau gedrückt.“ Dort entdecken neue Zielgruppen die Branche. Bereits 10 Prozent aller Zeitarbeiter in Deutschland sind Akademiker. Gerade in Pflegeberufen wechseln immer mehr Deutsche von klassischen Arbeitsverhältnissen in die Zeitarbeit. Nur 18 Prozent von ihnen wollen zurückrudern, wie die „Frankfurter Allgemeine“ berichtet. Roman Ettinger sieht diesen Trend auch -hierzulande. „Gerade für junge Leute wird das viel attraktiver. Wir haben Pflege- und medizinisches Personal, das in der Saison in Privatkliniken in den Skigebieten arbeitet. Sie verdienen deutlich mehr Geld und arbeiten dort, wo andere Urlaub machen.“

Ideale Zeit für Qualifizierung 

Flexibilität ist in der Branche nicht nur kein Fremdwort, sondern gehört zum Kerngeschäft. Krisen und Aufschwung wechseln sich ab. „Ich bin seit 27 Jahren dabei, das gehört einfach dazu“, so Ettinger. Ebenso wie das Gespür und das Ohr an den Qualifikationen. Herzog: „Ausbildungen und Weiterqualifizierungen sind für unsere Branche ein großes Thema. Wir sind aber vorbereitet. Wir wissen von den HR-Abteilungen immer ein wenig früher, was am Markt passiert.“ Die Krisenzeiten aktiv zu nutzen, um -seine Mitarbeiter für morgen zu rüsten, sei das Gebot der Stunde. Der „Konjunkturbarometer“ Zeitarbeit ist bereit für eine neue Hochblüte. Ein Blick auf die Aktienmärkte der globalen Player kann da Aufschluss bringen.

more