Jetzt ist genau die richtige Zeit
CHEFINFO: In einer Studie geben 60 Prozent der befragten Österreicher an, keinen Sinn in ihrem Job zu sehen. Warum stecken so viele offensichtlich in den falschen Jobs?
Lisa Winkler: Das beginnt schon mit dem falschen oder gar keinem Schulabschluss. Damit sind schon ganz viele Türen zu, obwohl dort Jobs zu finden wären, die zu meinen Stärken passen. Ein Beispiel: Viele Mitarbeiter gehen in den Handel und unterschätzen die speziellen Skills, die dort gefragt sind, wie Extrovertiertheit oder Freude am Kundenkontakt. -Introvertierte sind da falsch am Platz. Sie wissen oft nicht, dass Einzelhandel und kaufmännische Berufe artverwandt sind. Man kann sich also in sehr kurzer Zeit umorientieren. Wichtig ist eigentlich nur, dass man etwas abschließt, von dort aus kann man immer aufbauen und den richtigen Weg finden. Wir arbeiten für das AMS und erkunden gemeinsam mit den Auszubildenden, wo ihre Skills liegen, gleichzeitig müssen wir auch darauf schauen, wo Bedarf herrscht, etwa bei pädagogischen Assistenzkräften. Zu uns kommen Leute, die keine abgeschlossene Ausbildung haben oder ihre Ausbildung nicht abschließen konnten. Gemeinsam suchen wir die richtige Ausbildung. Diese wird dann in den Betrieben oder eben in Kindergärten und Horten absolviert. Somit lernt der potenzielle Arbeitgeber die potenziellen Mitarbeiter kennen bzw. umgekehrt. Es ist sehr nahe an der Praxis und es gibt für beide Seiten keine Verpflichtung, also auch nur wenig Risiko. Jetzt ist genau die richtige Zeit um diese Leute zu qualifizieren.
Zu Ihnen kommen viele junge -Leute, die keinen Abschluss haben. Wie schafft man es, sie in den Arbeitsprozess zu integrieren?
Winkler: Zuallererst muss man davor warnen, alle über einen Kamm zu scheren. Junge Arbeitnehmer haben andere Ansprüche. Sie wollen Wertschätzung. Viele von den Jungen, die zu uns kommen, wurden nicht auf das Erwachsenenleben vorbereitet. Ihnen wurde bisher zu viel abgenommen. Gibt es dann kleine Probleme in den Unternehmen, ist ihnen das oft schon zu viel. Bei uns müssen sie Anwesenheitslisten führen, lernen Pünktlichkeit oder wie sie eine Krankmeldung richtig abgeben. Wir bringen sie wieder in die Eigenverantwortung. Wäre das Schulsystem mehr in Richtung Praxis ausgerichtet, würden wir uns leichter tun. Sie wären auf das Berufsleben besser vorbereitet. Nimmt man sie nicht in die Pflicht, tut man ihnen nichts Gutes. Zudem nehmen psychische Belastungen stark zu. Doch wir sehen eine gute Entwicklung. Am Anfang der Ausbildung müssen sich die Auszubildenden selbst einschätzen, etwa ihren Selbstwert und den Grad der Selbstbestimmtheit. Sie schätzen sich meist schlecht oder mittel ein. Am Ende sind diese Werte fast immer um zwei bis drei Punkte höher. Bei allen schaffen wir das nicht, aber viele finden ihre Berufung. Den Willen, es schaffen zu wollen, müssen sie aber selbst mitbringen.