Die JKU ist kein Elfenbeinturm
Wie haben Sie Ihre ersten Tage als Rektor verbracht?
Mit vielen inspirierenden Begegnungen mit Kollegen aus unter schiedlichen Bereichen der Johannes Kepler Universität Linz. Ich kenne die JKU ja bereits aus meiner Zeit als Professor und Vizerektor für Lehre und Studierende, aber durch die neue Rolle als Rektor erhalte ich noch vielschichtigere Einblicke in den Uni-Alltag. Das ist sehr spannend.
Als Wirtschaftsinformatiker stehen Sie fast sinnbildlich für die Transformation der Wirtschaft. 2023 war das „Jahr der KI“, weitere sollten folgen. Wie sehen Sie Österreich in diesem Transformationsprozess aufgestellt?
KI ist eine Schlüsseltechnologie, die für unsere Zukunft entscheidend ist. Derzeit können wir beobachten, dass sich Weltmächte wie USA und China und große Konzerne einen Wettlauf um die neuesten Errungenschaften liefern. Fakt ist, dass wir gerade hier, am Standort Oberösterreich und an der JKU, über eine enorme Expertise im Bereich künstliche Intelligenz verfügen. Die JKU betreibt mit dem Institute for Machine Learning, unter der Führung von Sepp Hochreiter, seit Jahren Pionierarbeit. Unsere KI-Experten forschen im LIT AI Lab disziplinenübergreifend an dieser Kerntechnologie. 2019 haben wir außerdem das europaweit erste „Artificial Intelligence“Studium eingeführt, das sich großer Beliebtheit erfreut. Insofern glaube ich nicht, dass wir uns hier verstecken müssen. Wichtig ist aber, dass wir im Schulterschluss von Wissenschaft, Industrie, Wirtschaft und Politik weiterhin die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir Schlüsseltechnologien aktiv gestalten können.
Mit dem IDSA und der Medizinischen Fakultät der JKU positioniert sich Linz immer mehr als Bildungsstadt. Die JKU ist deren Dreh- und Angelpunkt. Was bedeutet das für Sie in Ihrer täglichen Arbeit?
Die JKU ist mit ihren vier Fakultäten, die jüngste davon ist die Medizinische Fakultät, die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Oberösterreich. Als solche haben wir auch in Zukunft den Anspruch, den Universitätsstand ortmaßgeblich zu gestalten. In diesem Zusammenhang ist uns die Kooperation mit anderen Hochschulen am Standort – und darüber hinaus – sehr wichtig. Es können dadurch spannende Projekte und ganz neue Fächerkombinationen entstehen, zum Beispiel auch in der Verbindung von Kunst und Wissenschaft oder in der Pädagogenbildung.
Österreichs Unis stehen international zwar sehr solide da, aber kaum eine ist an der globalen Spitze. Woran liegt das aus Ihrer Sicht und was kann man tun, um ganz vorne mit dabei zu sein?
Insgesamt denke ich, dass Österreich und insbesondere Oberösterreich in den letzten Jahren als Universitäts- und Forschungsstandort an Relevanz gewonnen haben. Es gibt ein gutes Fundament, auf dem es jetzt aufzubauen gilt. Die JKU wird sich dabei weiterhin von einem bedingungslosen Qualitätsanspruch in Lehre und Forschung leiten lassen und am Puls der Zeit bleiben. Unsere Fächerbreite bietet dafür viele Möglichkeiten, z.B. in der Vernetzung von Technik und Medizin. So haben wir mit dem JKU medSPACE am MED Campus eine weltweit einzigartige Möglichkeit für Virtuelle Anatomie geschaffen – und das als vergleichsweise junge Universität. Außerdem möchten wir in den nächsten Jahren unsere internationale Sichtbarkeit weiter stärken – der Beitritt zur European University Alliance EC2U ist ein entscheidender Schritt dafür.
Die ETH Zürich wirbt damit, über 500 Spin-offs hervorgebracht zu haben. Welche Strategie verfolgen Sie, um diesen Anteil an der JKU zu steigern?
Die JKU hat mit dem LIT Open Innovation Center seit 2019 einen 8.000 m2 großen, lebendigen Coworking Space, der die Kompetenzen von Wissenschaft und Wirtschaft an einem Ort bündelt. Dadurch haben wir ein Ökosystem für Innovation, Technologie und Entrepreneurship, das die Entwicklung von Startups oder Spin-offs begünstigt – denken wir nur an die erfolgreichen JKU Spinoffs sendance GmbH, datavisyn, Micro Resonant Technologies GmbH oder die Plastic Innovation GmbH. Die Entwicklung und Förderung von Spin-offs wird daher auch in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt sein – denn nicht nur die Forschung, sondern auch unsere Studierenden profitieren von der Anbindung an Wirtschaft und Industrie.
Welche Pläne haben Sie für 2024?
Wir möchten unsere Fächerbreite nutzen, um interdisziplinäres Forschen zu aktuellen Transformationsprozessen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit weiter zu stärken. Als wichtiger Knotenpunkt dafür soll unser Linz Institute of Transformative Change (LIFT_C) fungieren. Eben so möchten wir der sich verbreitenden Wissenschaftsskepsis auf Augenhöhe und mit Fakten entgegentreten. Die JKU ist kein Elfenbeinturm, wir suchen immer den Kontakt zur Gesellschaft. Der Zirkus des Wissens und auch zahlreiche Programme für junge Menschen sind Beispiele dafür. Außerdem gilt es, die Abstimmung und Zusammenarbeit mit unserem neuen Nachbarn, der IT:U bzw. Institute for Digital Sciences Austria (IDSA), gut zu organisieren, sodass bestmöglich alle Potenziale für den Standort ausgeschöpft werden. Und natürlich möchte ich die langfristige Finanzierung unserer Universität sicherstellen. Wir sind dabei auf einem guten Weg und ich blicke zuversichtlich in die kommenden Verhandlungen zur Leistungsvereinbarung 2025 bis 2027.