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Christoph Leitl, Präsident IWS OÖ
Christoph Leitl, Präsident IWS OÖ
Hermann Wakolbinger

„Einen Sicherheitsrat für Europa”

19.03.2025 um 08:19, Klaus Schobesberger
2 min read
Christoph Leitl, Präsident der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich, über die nötigen Schritte in Österreich und in Europa.

CHEFINFO: Die Welt verändert sich derzeit schneller, als uns lieb sein kann. Wie ist Ihre Einschätzung?
Christoph Leitl: Donald Trump hat die Welt auf den Kopf gestellt und zertrampelt viel von dem, was gut war an wechselseitigem Vertrauen. Aus den verbündeten USA sind Gegner geworden. Sie verbünden sich mit Russland, das gestern noch als Reich des Bösen galt, gegen Europa. Die Vorgangsweise Trumps hat nur ein Gutes: nämlich, dass Europa endlich begreift, selbstständig und unabhängig zu werden. 

Welche Rolle könnte Österreich in einer neuen Sicherheitsarchitektur spielen?
Leitl: Es geht nicht darum, dass wir morgen eine europäische Armee haben, das ist unrealistisch. Aber es muss eine europäische Sicherheitskooperation geben zwischen ­Armeen. Wir haben nicht zu wenig Geld, wir geben für militärische Rüstung so viel aus wie China und Russland zusammen. Aber wir sind zersplittert in unseren Ausgaben, wir sind abhängig von den Amerikanern, wir haben ­keine gemeinsamen militärischen Strategien. Also: Einen Sicherheitsrat für Europa, wie es Macron vorgeschlagen hat, und eine vertiefte Kooperation in Sicherheitsfragen ließen sich kurzfristig machen. Da könnten auch neutrale Länder mitmachen. Selbstverteidigung ist uns im Staatsvertrag als Pflicht auferlegt und nicht verboten.

Braucht die EU eine neue Struktur?
Leitl: Absolut. Wir müssen weg von der blockierenden und lähmenden Einstimmigkeit, die zudem undemokratisch ist. Demokratie lebt von Mehrheiten. Zweitens müssen wir in der Außen- und ­Sicherheitspolitik sowie in wichtigen Bereichen der Wirtschaftspolitik eine vertiefte ­Union schaffen. Wenn das Einstimmigkeitsprinzip nicht abgeschafft werden kann, weil immer ein Land wie Ungarn oder Malta, das auf seine Steuerprivilegien nicht verzichten wird, dagegen ist, dann steht die ganze Kolonne still. Daher schlage ich vor, dass einige Länder vorangehen, so wie es auch bei der Eurozone oder bei Schengen der Fall war – andere können dann nachfolgen oder auch nicht. Wenn Deutschland und Frankreich vorangehen und die Hälfte der Mitglieder einer Vertiefung der Union zustimmt, werden auch die USA und China Europa respektieren und ernst nehmen. Europa muss mit einer Stimme sprechen und gleichberechtigter Akteur in der Weltpolitik sein.

Was braucht es zur Stärkung des Standorts?
Leitl: Es sind die exorbitant gestiegenen Arbeitskosten, die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten und die leidige Bürokratie, die den Standort nach unten drücken. Wenn wir bei diesen drei Dingen ansetzen, und das scheint mir möglich, wird auch die Zuversicht zurückkehren, ja mehr noch, die Freude, zu investieren. Denn trotz mancher Nachteile, die Europa hat, sind die große Begabung und die Talente der Menschen, die hier leben und arbeiten, der große Vorteil.

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