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BYD Dolphin
BYD Dolphin rollen in Bremerhafen nach Europa
BYD Dolphin rollen in Bremerhafen nach Europa
LARS PENNING / DPA / PICTUREDESK.COM

Automobil - Fahrt ins Ungewisse

03.04.2024 um 11:00, Klaus Schobesberger
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Tesla gibt erstmals keine Absatzprognose ab, Mercedes Benz setzt wieder mehr auf den Verbrenner und die Chinesen mischen den Markt auf.

Große Töne sind Teil der Show und Ende Februar war es wieder so weit. Elon Musk kündigte für 2025 den lang erwar­teten Tesla Roadster an. Das schnittige Gemeinschaftsprojekt mit dem Raumfahrtunternehmen SpaceX soll in weniger als einer Sekunde von null auf 100 km/h beschleunigen. Ob das jemand braucht mit einer Automarke, die doch den Anspruch hat, die Welt zu retten, ist zweitrangig. Geschwindigkeit ist Teil des Marketings. Nicht von ungefähr bietet Tesla den „Ludicrous Modus“ als Leistungsupgrade für seine Spitzenmodelle an. Der Modus ist angelehnt an Mel Brooks Slapstick-Komödie „Spaceballs“, in der die Raumschiffe mit „wahnsinniger Geschwindigkeit“ schneller als das Licht fliegen können. Tatsächlich hat es Musk geschafft, in nur einem Jahrzehnt die Autowelt als Innovator auf den Kopf zu stellen und von Verbrenner auf E-Mobilität umzupolen. Tesla führt ­heute mit riesigem Abstand die Liste der wertvollsten Autohersteller an und ist mit den Technologiekonzernen Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft und Nvidia Teil der „Glorreichen Sieben“, die derzeit den Aktienmarkt dominieren und etwa 20 Prozent des globalen MSCI World Index ausmachen.

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In der Elektro-Falle
Aber in den letzten Monaten häuften sich die Probleme für Tesla – und diese kommen nicht nur aus China. Bereits im Jänner legte das Unternehmen enttäuschende Zahlen für das vierte Quartal vor. Der Umsatz stieg um nur 3 Prozent auf 25 Milliarden Dollar, der ­operative Gewinn brach nahezu um die Hälfte auf zwei Milliarden Dollar ein. Insgesamt verlor der Autopionier seit Jahresbeginn rund 240 Milliarden US-Dollar an Börsenwert und wurde unter anderem von Visa überholt. Damit zählt ­Tesla nicht mehr zu den zehn wertvollsten US-Unternehmen. Die Nachfrageschwäche für Elektrofahrzeuge trifft nicht nur Tesla. So hat Volkswagen angekündigt, die geplante „Überlaufproduktion“ für das Elektromodell ID.3 in Wolfsburg zu streichen, weil schlicht die Käufer fehlen. Apple, von deutschen Magazinen als „Automacht“ gefeiert, hat bei seinem nie offiziellen E-Auto-Projekt laut „Wall Street Journal“ nun den Stecker gezogen. Die 2.000 Mitarbeiter, die vorwiegend an selbstfahrenden Systemen gearbeitet haben, sollen in der KI-Sparte des Konzerns weiterarbeiten. Vom Wachstums­treiber „künstliche Intelligenz“ kann Tesla jedoch im Unterschied zu ­Apple, Microsoft oder Nvidia nicht profitieren. Das Unternehmen bleibt Teil des zyklischen Automobilgeschäfts, das im E-Autobereich immer mehr von Preisnachlässen geprägt ist. Im Vorjahr wurden 1,81 Millionen Teslas abgesetzt – ein neuer Rekord. Für 2024 wagte Musk erstmals keine Absatzprognose wegen der schwachen Nachfrage. Die Tesla-Aktie dürfte weiter nachgeben, auch wenn die Wette auf weiteres Wachstum nicht vorbei ist. Schon in der Vergangenheit hat man die schnell und einfallsreich agierenden Amerikaner zu oft und zu rasch abgeschrieben.

Mercedes-Benz
Mercedes-Benz: Aus für die Electric-Only-Strategie
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Chinesen auf Angriffsmodus
Vor allem vor dem chinesischen Hersteller BYD hat Elon Musk großen Respekt. Wie angriffslustig der rasant wachsende E-Auto-Hersteller aus Shenzen ist, wurde erst vor Kurzem schockartig bewusst, als BYD bei einer Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur (BBG) als Bestbieter für Dienstautos öffentlicher Behörden hervorging. „Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die meisten anderen Autofirmen in der Welt so ziemlich zerstören“, warnte Musk auf seiner eigenen Plattform des Nachrichtendienstes X. Die USA schützen ihre Autoindustrie mit einem Einfuhrzoll von 25 Prozent vor billigen chinesischen Autos. BYD soll jetzt ein eigenes Werk in Mexiko planen, um sich Zutritt durch die Hintertür nach Amerika zu verschaffen. Was ist das Geheimnis der Chinesen? Kein anderer Konzern verkauft mit drei Millionen Fahrzeugen jährlich mehr E-Autos und Plug-in-Hybride. Der Nettogewinn hat sich 2023 auf umgerechnet fast vier Milliarden Euro verdoppelt. Die Fertigungstiefe bei BYD liegt bei 75 Prozent. „Ähnlich wie Tesla entwickelt und produziert BYD den Großteil der Technik in seinen Fahrzeugen selbst – vom Elektroantrieb und der Leistungselektronik über die Batteriezellen und Akkupakete bis zu Leiterplatten, Steuergeräten und Chips“, analysiert das deutsche „Handelsblatt“. Die Chinesen bedienen den Massenmarkt mit Kleinwagen und sind im Unterschied zur westlichen Konkurrenz in der Lage, preiswerte Modelle anzubieten und damit Geld zu verdienen. Der BYD Seagull soll unter 10.000 Dollar kosten und bietet eine Reichweite von rund 400 Kilometern. Der Aktienkurs ist in den letzten Monaten dennoch stark gefallen – was laut Marktbeobachtern an der Staatsführung in Peking und nicht am Unternehmen selbst liegt.

Ferrari
Ferrari: erstmals mehr als eine Milliarde Euro Gewinn
Ferrari Grafik

Achterbahnfahrt für Hersteller
Aber es gibt durchaus auch in Europa interessante Entwicklungen. 20 Prozent Anteil gemessen an der Gesamtflotte -wollte Mercedes-Benz im Vorjahr an vollelektrischen Autos absetzen, geworden sind es nur 12 Prozent. Die Stuttgarter beerdigen ihre Electric-only-Strategie und setzen wieder verstärkt auf Verbrenner bei wichtigen Baureihen wie S-Klasse, E-Klasse, GLE oder GLC. Sogar die bereits abgeschriebenen Achtzylinder werden wegen der großen Nachfrage wieder neu aufgefrischt. Nach dieser Ankündigung stieg die Aktie kräftig und nähert sich einem Zwölfmonatshoch. Das hat wohl damit zu tun, dass die Margen bei Verbrennern deutlich höher sind als bei Elektromodellen. An seinem Ziel der CO2-Neutralität wolle der Konzern festhalten. Die Antriebswende verlaufe aber nicht geradlinig, sondern wie auf einer Achterbahn, erklärte Konzernchef Ola Källenius. Eine spannende Börsengeschichte bietet Ferrari. Die Edelschmiede, die nur 13.700 Autos im Vorjahr produzierte, ist an der Börse mehr wert als BMW, Volkswagen oder Honda und erzielte im letzten Geschäftsjahr erstmals mehr als eine Milliarde Euro Gewinn. Potenzial hat auch Stellantis mit 14 Marken unter einem Dach, darunter Peugeot, Citroën, Fiat und Chrysler. Der Konzern zählt seit der Fusion vor drei Jahren nicht nur zu den größten Autobauern der Welt, sondern auch zu den profitabelsten. Die operative Umsatzrendite lag im Geschäftsjahr 2023 bei 11,8 Prozent. Die Aktie ist billig und spiegelt diesen Erfolg (noch) nicht wider. Bis 2025 plant Stellantis im Bereich Vernetzung und E-Mobilität Investitionen von mehr als 30 Milliarden Euro.   

Tesla
Tesla: Rabattschlachten ante portas
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