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Formel 1 1976 - Tyrrell P34
Der Sechsrad-Tyrrell aus der Formel-1-Saison 1976
Der Sechsrad-Tyrrell aus der Formel-1-Saison 1976
Mauritius Images / Almamy Stock Photos / Howard Sayer

Die verrücktesten Boliden der Formel-1-Geschichte

01.03.2024 um 11:41, Philipp Eitzinger
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Seit jeher geht es in der Formel 1 darum, entscheidende Zehntelsekunden zu sparen. Dafür hat es einst ganz schön wilde Ideen gegeben.

Das Ziel der Formel-1-Ingenieure war in den 1950ern nicht anders als heute: Wie können wir unsere Boliden so gestalten, dass man womöglich entscheidende Zeit auf der Strecke sparen kann? Nur die Lösungen waren immer andere - natürlich auch abhängig vom Stand der Technik und dem jeweils vorherrschenden Reglement.

Der Sechsrad-Tyrrell

1976 kam Derek Gardner ins Grübeln: Wenn wir die Vorderräder so klein machen, dass sie hinter dem massiven Frontflügel nicht herausragen, gibt es viel weniger Luftverwirbelungen und damit wird die Aerodynamik besser. Weil man mit so einem kleinen Rad aber nicht genug Auflagefläche hat, um die PS auf den Boden zu bringen, brauchte man vier statt zwei. Also wurde eine zweite Vorderachse verbaut und geboren war der Sechsrad-Tyrrell.

Die Fahrer Jody Scheckter und Patrick Depailler waren damit auch absolut konkurrenzfähig: Platz drei in der Hersteller-WM hinter Niki Laudas Ferrari und James Hunts McLaren-Team, es gab einen Sieg und elf weitere Podestplätze. Aber nach einem Jahr fand sich kein Reifenfabrikant mehr, der die Sonderanfertigungen zu einem für Tyrrell bezahlbaren Preis herstellen wollte.

Der Lotus mit den Bügelbrettern

1966 wurde der Hubraum auf drei Liter verdoppelt – die Frage war: Wie soll man die PS auf die Straße bringen? Lotus montierte ab 1968 regelrechte Bügelbretter, um Anpressdruck zu erzeugen. Die Dinger brachen aber wie Zündhölzer, alarmierende Unfälle wie jener der Lotus-Piloten Jochen Rindt und Graham Hill am Stadtkurs von Barcelona waren die Folgen. Nach diesen Crashes wurden die direkt auf der Radaufhängung statt am Chassis befestigten Galgen im Frühjahr 1969 in dieser Form verboten.

Hohe Flügel beim Lotus 49B aus dem Jahr 1968
Der Lotus 49B aus den Jahren 1968 und 1969 mit den extra hohen Flügeln

Niki Laudas Staubsauger-Brabham

Im Jahr 1977 entwickelte Lotus-Mastermind Colin Chapman die Idee, mit einem wie ein umgedrehter Flugzeug-Flügel geformten Unterboden Anpressdruck zu erzeugen - der sogenannte "Ground Effect". In der Saison 1978 war das System ausgereift, Mario Andretti und Ronnie Peterson dominierten die meisten Rennen nach Belieben. Das brachte die Konkurrenz in Zugzwang und Brabham-Designer Gordon Murray entwickelte einen Ventilator am Heck, der die Luft unter dem Auto wegsaugt, um den gleichen Effekt herzustellen wie bei Lotus.

Beim Rennen in Schweden debütierte der "Staubsauger-Brabham" und Niki Lauda gewann das Rennen prompt. Den Regeln widersprach das Auto nicht, dennoch regte sich die Konkurrenz fürchterlich auf. Brabham-Boss Bernie Ecclestone, gerade auf dem Weg zum Formel-1-Zampano, wollte potenzielle Mitstreiter im Kampf gegen die FIA-Diktatur nicht vergrämen und zog den Staubsauger nach nur einem Rennen wieder aus dem Verkehr.

Mit einem Ventilator am Heck erzeugte der Brabham BT46B im Jahr 1978 Anpressdruck
Der Brabham BT46B mit dem Ventilator am Heck

Der Ferrari mit dem Doppelflügel

Apropos Kampf der Hersteller-Teams (wie Ferrari oder die Turbo-Pioniere von Renault) gegen die Privat-Rennställe (wie Brabham, Williams und McLaren) - dieser eskalierte im Jahr 1982. Die Privatiers nützten schamlos Unklarheiten im Reglement aus, Ferrari antwortete beim Rennen am winkeligen, engen Stadtkurs von Long Beach mit einer gezielten Provokation.

„Ein Heckflügel darf maximal 110 cm breit sein“, stand nämlich wörtlich im Regelbuch. Im Wortsinn war es also erlaubt, dass Ferrari an diesem Wochenende einfach zwei davon montierte, um für mehr Grip zu sorgen. Disqualifiziert wurde Gilles Villeneuve, der wenige Woche vor seinem Tod das von Niki Lauda gewonnene Rennen als Dritter beendete, dennoch.

Ferrari provozierte 1982 beim US-Grand-Prix mit einem doppelten Heckflügel
Der Ferrari 126C2 mit dem doppelten Heckflügel in Long Beach 1982

Die ungleichen Silberpfeil-Zwillinge

Als Mercedes 1955 in die F1 einstieg, brachte der W196 auf dem Stand die totale Dominanz – auch weil es zwei Varianten gab: Als Stromlinienversion „Monza“ für schnelle Strecken (hier mit Michael Schumacher am Steuer) und als „Open- Wheeler“ (hier mit Nico Rosberg) für die kurvenreichen.

Juan Manuel Fangio, Legende der 1950er-Jahre, wurde damit mühelos Weltmeister 1955 und 1956, ehe sich Mercedes wieder zurückzog und erst vier Jahrzehnte später als Motorenlieferant bzw. 54 Jahre später als eigenständiges Team zurückkehrte.

Die Stromlinien-Version des Mercedes W196 mit Michael Schumacher am Steuer sowie die Open-Wheel-Variante mit Nico Rosberg am Lenkrad.
Den Mercedes W196 gab es im Jahr 1955 in zwei Versionen

Und 2024: Sparen bei der Lackierung

Was bei den Boliden der Klasse von 2024 auffällt, ist die bei den meisten Teams sehr sparsam verwendete Farbe. Ob Alpine oder Sauber, ob Williams oder Haas: Längst ist nicht nur Mercedes mit großen schwarzen Flächen auf seinen Fahrzeugen unterwegs. Simpler Grund: Lässt man die rund 1 kg schwere Lackierung weg und lässt nur die blanke, schwarze Kohlefaser übrig, gewinnt man 0,03 Sekunden pro Runde...

Alpine F1 2024
Der Formel-1-Bolide von Alpine im Jahr 2024

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