Mastermind, Visionär, Besserwisser: Das ist Ralf Rangnick
Berühmt wurde er in Deutschland, als er 1998 als bis dahin unbekannter Trainer von Zweitligist Ulm im ZDF-Sportstudio auftrat und dem Libero-Land Deutschland die Viererkette erklärte. Er bekam sofort das Image eines besserwisserischen Oberlehrers und er wurde es bis heute nicht los. Dabei hat der 63-jährige Schwabe eine Vita, die an Facettenreichtum kaum zu überbieten ist.
Lobanovski als Vorbild
Als Erweckungserlebnis bezeichent Rangnick, der als Spieler nicht über die Regionalliga hinausgekommen ist, den Trainingslager-Besuch von Dynamo Kiew in seiner Heimatgemeinde Backnang. Deren Trainerlegende Valeri Lobanovski galt schon in den 1960-ern als Erfinder des Pressing-Fußballs, von dem Rangnick ab diesem Treffen im Jahr 1984 besessen war – und bis heute blieb.
Rangnick verdiente sich seine Sporen als Trainer im Jugendbereich des VfB Stuttgart, ehe er 1997 im Alter von 39 Jahren den damaligen Drittligisten SSV Ulm als Trainer übernahm.
Bei Stuttgart und Schalke gescheitert
Innerhalb von zwei Jahren führte Rangnick den Provinzklub von der Regionalliga bis an die Pforte der Bundesliga, noch vor dem Aufstieg (der letztlich auch gelang) wurde Rangnick vom VfB Stuttgart abgeworben. Er wurde zum Visionär, dem aber immer auch die Aura eines realitätsfremden Professors umwehte. Sein Auftritt im ZDF-Studio ist bis heute legendär, aber an den großen Egos im Stuttgarter Kader sollte er ebenso scheitern wie später auch an den egozentrischen Betonköpfen im Vorstand von Schalke 04. Sein Image schien in Stein gemeißelt: Ein großer Denker, aber unfähig, eine Mannschaft mit Stars zu führen.
Neustart in Hoffenheim
Rangnick ging zwei Schritte zurück und versuchte seine Karriere neu zu starten, wo sie einst begonnen hat: In der Regionalliga. Er übernahm 2006 als Trainer und Sportchef bei Drittligist Hoffenheim. Dort fand der dank Mäzen Dietmar Hopp und seiner komplett freien Hand bei Kader- und Strategiegestaltung die perfekten Bedingungen vor. Mit absolut radikalem Pressing-Fußball, höchster Intensität und viel finanziellem Spielraum ging Hoffenheim im taktisch etwas zurückgebliebenen Deutschland ab wie eine Rakete. Zweieinhalb Jahre, nachdem er einen Drittligisten übernommen hatte, war Hoffenheim 2008 Bundesliga-Herbstmeister – mit dem heutigen Salzburg-Trainer Matthias Jaissle als Kapitän. Aus dem spröden Professor war ein offensiver Trashtalker geworden.
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Das weckte wiederum das Interesse von Schalke und Rangnick ging auch tatsächlich zu den Königsblauen zurück, er führte Schalke 2011 sogar ins Halbfinale der Champions League und holte den Pokal (der einzige große Titel seiner Trainerkarriere), zog sich wenig später wegen Burnouts aber zurück.
Das Gehirn hinter Red Bull
Ein knappes Jahr später sah er in Salzburg und Leipzig wiederum die Möglichkeiten, wie in Hoffenheim mit viel Geld und radikalen Ideen etwas Großes zu schaffen. Er wurde 2012 Gesamtveranwortlicher für alle Fußball-Aktivitäten von Red Bull, installierte Trainer Roger Schmidt und installierte eine durchgängige Spielphilosophie, die wiederum auf horrendem Pressing, hohem Tempo und schnellem Denken basierte. Nach einem Jahr Anlaufzeit, in dem die Austria den Titel holte, setzte Red Bull zu einer noch nie dagewesenen Dominanz an, die in mittlerweile neun meist überlegenen Bundesliga-Titeln mündete. Leipzig schoss ebenso ins Spitzenfeld der deutschen Liga, die Jungendarbeit ist europaweit höchst angesehen.
Arbeit in Manchester
Im Sommer 2020 verließ Rangnick Red Bull nach acht Jahren, ein Jahr später übernahm er eine Berater-Rolle bei Lokomotive Moskau, ehe er im Dezember das Traineramt bei Manchester United übernahm. Dieses Engagement war immer bis Saisonende begrenzt, danach soll Rangnick als Berater bei den "Red Devils" bleiben.
Nun steht ihm also der Job als ÖFB-Teamchef bevor. Er ist auf jeden Fall ein großer Name mit einer spannenden Laufbahn. Ob er in seiner Radikalität zum Team passt, wird man sehen. Auf jeden Fall ist er aber ein deutlich forscherer Trainer als der zaudende, vorsichtige und allzu oft allzu kleinmütige Franco Foda.