Nehammer-Interview: Auch Köstinger muss "abrüsten"
Nicht nur via ORF2 war Kanzler Nehammer in den Wohnzimmern der Österreicher zu Gast, auch ATV und Puls 4 übertrugen das Interview, das von Armin Wolf und Corinna Milborn etwas glanzlos geführt wurde. Tonprobleme der technischen Art sorgten für Irritation, der Bundeskanzler schlug dagegen einen versöhnlichen Ton an.
Ich muss mich leider nochmal für den katastophalen Ton des Kanzler-Interviews entschuldigen, den @corinnamilborn & ich während des Gesprächs nicht mitbekommen haben. Hatte nur im Ohr die Bitte: „Entschuldige dich am Ende für die Tonprobleme am Anfang.“
— Armin Wolf (@ArminWolf) December 12, 2021
Leider nicht nur am Anfang.
In 20 der zur Verfügung stehenden 30 Minuten behandelte das Trio das Thema Pandemie. Wenig überraschend nutzte der Bundeskanzler die Sendezeit, um mehrfach zur Impfung aufzurufen. Warum Impfpflicht jetzt, lautete eine Frage, die wurde doch zuvor vehement ausgeschlossen? Nehammer versuchte sich in "Selbstkritik":
Wenn wir selbstkritisch sind, dann werden wir draufkommen (…), dass uns die Pandemie seit zwei Jahren lehrt, dass wir ständig allesamt Lernende sind.
"Abrüsten auf allen Seiten"
Interessant war zu erfahren, dass Karl Nehammer den versöhnlichen Ton nicht nur für sich in Anspruch, sondern seine ParteikollegInnen hier in die Pflicht nimmt. So hat sich der ÖFP-Chef offenbar Tourismusministerin Elisabeth Köstinger zur Brust genommen. Diese hatte zuvor gegen Wien ("unverständliche Corona-Maßnahmen") und FPÖ-Chef Kickl ("Blut an den Händen") ausgeteilt. Nicht in Ordnung fand das Karl Nehammer:
Ich habe auch mit Ellie Köstinger darüber gesprochen, ich halte das für eine jetzt ganz wichtige Zukunftsfrage, in der Sprache sehr sorgfältig zu sein und dieses aufeinander Zugehen jetzt auch tatsächlich auf allen Ebenen zu leben.
Dass im Zusammenhang mit Neo-Innenminister Karner auch das Dollfuß-Museum zur Sprache kommen würde - Karner war in der Gemeinde Texingtal, wo das Museum beheimatet ist, Bürgermeister - überraschte Karl Nehammer wohl nicht. Auf die Frage von Armin Wolf: "War Dollfuß Austrofaschist?" antwortete der Bundeskanzler: "Dollfuß war Austrofaschist. Im Kontext der Zeit ... ja." Nur um sofort hinzuzufügen:
Austromarxismus war eine große Bedrohung, das muss man vielleicht noch dazusagen.
Dollfuß kein Tabu mehr?
Auch wenn dieser Hinweis auf die Linke nicht fehlen durfte, ist Nehammers "Ja" sogar historisch zu nennen, oder wie Armin Wolf sagte,..."dass Sie der erste ÖVP-Obmann oder überhaupt der erste ÖVP-Spitzenpolitiker sind (...), der sagt, Engelbert Dollfuß war ein Austrofaschist."
Kommunikationsprofi
Das Interview wurde in den Medien überwiegend positiv aufgenommen. Nehammer habe "seine Chance genutzt", er verfüge über "Humor und historisches Wissen", er schlage "neue Töne" an und setze eine "kameraerfahrene Mimik" ein. Zumindest letzteres kann nicht verwundern: Der Bundeskanzler ist schließlich ausgebildeter Kommunikationstrainer.
Danke für das Gespräch @corinnamilborn und @ArminWolf! Hier ist das gesamte Interview zum Nachsehen zu finden: https://t.co/9pu8b8UbPt
— Karl Nehammer (@karlnehammer) December 13, 2021