„Nordkoreanisches Ergebnis“: Karl Nehammer zum ÖVP-Chef gewählt
Die Helmut-List-Halle in Graz platzte beinahe aus allen Nähten, als Karl Nehammer den 40. ao. Bundesparteitag der ÖVP unter großem Applaus der Delegierten eröffnete. Vor dem Einzug des Bundeskanzlers präsentierte sich die ÖVP in einem Imagevideo mit dem neuen Namen „Die Volkspartei“. Die Freude über so viele Besucher dürfte den Kanzler zu dem Ausspruch „das Virus kümmert uns nicht mehr“ hinreißen lassen.
Altkanzler im Interview
Wolfgang Schüssel versuchte bei seinem Auftritt Optimismus zu verbreiten und wirkte angriffslustig wie eh und je. „Der Pessimist ist der einzige Mist, auf dem nichts wächst“, zitierte er Theodor Heuss. „Wir dürfen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Danke Karl, dass du in Moskau gewesen bist“, lobte Schüssel den umstritten Besuch Nehammers bei Wladimir Putin. Die ÖVP müsse „lernen, wieder zu kämpfen“, so der Altkanzler, „es heißt Wahlkampf, liebe Freunde“. Kritik gab es von Schüssel auch an den Ermittlungen: Persönlichkeitsrechten, Rechtsschutz und Meinungsfreiheit seien angesichts des Zugriffs der Justiz auf Briefe und Chat-Nachrichten in Gefahr.
Der vielerwartete Auftritt von Sebastian Kurz brachte nur wenig Neues. Vor allem über die Umstände seines Rücktritts äußerte sich Kurz nicht. Der Altkanzler plauderte über sein neues Leben in der Privatwirtschaft und den kleinen Konstantin. Karl Nehammer wünschte Kurz, dass er so bleiben soll, wie er ist. Kurz bedankte sich bei den Delegierten und Wegbegleitern „für die großartige Zeit“. Ratschläge wollte er seinem Nachfolger nicht geben: „Also Ratschläge gibt es von mir nicht, vor allem nicht öffentlich.“
„Der Koarl steuert uns durch diesen Sturm“
Klubobmann August Wöginger begann seine Rede mit einem kurzen Rückblick in die Geschichte der ÖVP. Von Leopold Figl über die 30-jährige Durststrcke der Volkspartei mit Sozialistischen Bundeskanzlern. Mit der Kanzlerschaft von Wolfgang Schüssel seien „eine gute Entwicklung im Land“ eingetreten. Die letzten zwei Jahre haben das Land vor riesige Herausforfderungen gestellt. Die Regierung befinde sich durch Corona und Ukraine-Krieg in einem „Dauerkrisenbewältigungsmodus“. Trotzdem sei es gelungen, „das Land weiter nach vorne zu bringen“. Die Bilanz könne sich mit ökosozialer Steuerreform, Ausbau der erneuerbaren Energien, Breitbandausbau, Pakete gegen die Teuerung und Pflegereform sehen lassen. Auch Wöginger bekritelte „die ständigen Anpatzversuche und Anzeigen“, diese würden nur dazu dienen, Rücktritte zu provozieren. Die Hälfte aller Ermittlungsverfahren seien mittlerweile eingestellt worden. „Wir lassen uns die Lust an der Politik nicht nehmen“, so Wöginger. Man müsse sich die Partei wie ein Segelschiff in einem Sturm vorstellen. Karl Nehammer steuert das Boot, die anderen flicken die Segel und schöpfen Wasser aus dem Boot.
Wann, wenn nicht jetzt
Die Bühne für Karl Nehammer war bereitet. In seiner Rede appellierte er an die Widerstandsfähigkeit der Partei. „Wir wären nicht die Volkspartei, wenn nicht aus Gegenwind wieder Rückenwind werden könnte“, so Nehammer. In allen Veränderungen würde auch eine Chance stecken. Die Rücktritte von Elisabeth Köstinger und Margarete Schrammböck hätten ihm einen „turbulenten Montag“ beschert, er sei aber „stolz darauf ein Minister-Team zu haben, das diese Veränderungen auch mitnimmt“. Ein besonderer Dank ging an Martin Kocher, der in seinem neuen Ressort Wirtschaft und Arbeit über hat. Ihm sei es wichtig die Agenden neu zu ordnen, betonte Nehammer. Beim Thema Korruption versuchte der Bundesaknzler zu beschwichtigen. „Sie kann uns überall begegnen. Menschen sind fehlbar“, so Nehammer. Korruption wäre ein „gesellschaftspolitisches Thema, das man ernsthaft angehen muss, aber nicht parteipolitisch instrumentalisieren darf“.
Ein bunter Mix, ein breiter Bogen
Im weiteren Verlauf seiner Rede spannte der Nehammer einen breiten Bogen über aktuelle Themen wie den Ukraine-Krieg, über Versorgungssicherheit bis hin zu innerer Sicherheit und Bildung. Beim Thema Flüchtlinge betonte Nehammer zwar die Wichtigkeit von nachbarschaftlicher Hilfe, stellte sich aber auch klar gegen illegale Migration und verwies dabei auf den EU-Außengrenzschutz. Er sei hier ein „starker Kämpfer“ für die österreichischen Interessen. Einen Seitenhieb gab es auf die „Echokammern“, die Menschen dazu verleiten, Wurmmittel zu nehmen. „Wir müssen unsere Kinder darauf vorbereiten, was in der Welt auf sie zukommt“, beschwor er die Wichtigkeit von Bildung. Nach etwa einer Stunde wurde Nehammer
„Nordkoreanisches“ Ergebnis
Sichtlich erfreut verkündete Tirols Landeshautpmann Günter Platter das Ergebnis: 100 Prozent Zustimmung für den Karl Nehammer. „Ich nehme mit Stolz und Dankbarkeit die Wahl an“, freute sich der frischegebackenen ÖVP-Parteichef.