Sugar Rush - Zucker ist wieder in aller Munde
Natürlich auch in allen Fragen rund um Ernährung, und da haben Food-Gurus zu Recht einen gemeinsamen Feind identifiziert: den Zucker. Er macht uns müde, träge und schlimmstenfalls krank. Extreme Ernährungsformen und Diäten passen aber nicht mehr zum Zeitgeist und genau hier setzt die Wahlamerikanerin und Biochemikerin Jessie Inchauspé an. In ihrem Bestseller „Der Glukose-Trick“ stellt sie dauerhaftes Körperglück mittels einfacher Ernährungshacks in Aussicht, sobald man die Glukose-Achterbahn im Blut unter Kontrolle bringt.
Ausschlaggebend
Der Blutzucker zeigt an, wie viel Glukose (Traubenzucker) in unserem Blut zirkuliert. Dabei ist eines entscheidend: Ein Abflachen der Kurve bedeutet ein Leistungstief, ein Ansteigen ein Leistungshoch. Gewonnen wird der Treibstoff für unseren Körper durch die Aufspaltung von Kohlenhydraten aus Brot, Nudeln, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, aber auch Obst und Süßigkeiten im Darm. Das Hormon Insulin trägt dazu bei, dass ein Zuviel an Energie in Fett umgewandelt und als Reserve gespeichert wird. Ständig überhöhte Zuckerwerte fördern die permanente Ausschüttung von Insulin und hemmen dabei den Fettabbau.
Zweischneidiges Schwert
Kohlenhydrate bestehen aus Zuckermolekülen, schmecken aber deshalb nicht gleich automatisch süß. Im Gegenteil. Ernährungswissenschaftlerin Caroline Schlinter-Maltan erklärt: „Es gibt den Einfachzucker, den Zwei- und den Mehrfachzucker, je nach Kettenlänge. Einfachzucker als schneller Energielieferant schießt direkt in die Zellen und macht etwa im sportlichen Kontext Sinn. Im Gegensatz dazu bestehen Mehrfachzucker aus vielen aneinandergereihten Bausteinen. Der Körper kann diese Bausteine nur einzeln verarbeiten und muss dazu die Kette an Bausteinen runterbrechen. Was dazu führt, dass der Blutzucker langsam ansteigt, ein Plateau erreicht und langsam wieder abfällt. Anders als beim Einfach- oder Zweifachzucker kommt es aber nicht zu Ausschlägen.“
Weitreichende Konsequenzen
Die Folge einer Achterbahnfahrt unseres Blutzuckerspiegels? Heißhungerattacken, schlechte Haut und sogar Depressionen.
„Man weiß, dass es zwischen Magen und Darm ein komplexes Nervengeflecht gibt, das Signale ins Gefühlszentrum des Hirns schickt. Und da bewirkt der schnelle Zucker, dass wir uns schnell gut fühlen.“ Gerade bei Kindern, die ihre Emotionen offenkundiger ausleben, ist dieser Effekt deutlich im Alltag zu beobachten. Line Pittino, Ernährungspädagogin und selbstzweifache Mutter, erzählt: „Ein ruhiges Sitzenbleiben ist dann sehr schwer für die Kinder, sie haben den Drang, durch Bewegung die zu viel aufgenommeneGlukose wieder abzubauen bzw. zu verbrauchen.“ Ein natürlicher Reflex, der zu Konzentrationsstörungen und Leistungsabfall im Schulalltag führen kann.
Revolution
Jessie Inchauspé, die sich auf Instagram „Glucose Goddess“ nennt, hat mit ihrer Methode inzwischen 2,6 Millionen Follower auf Instagram und Leser weltweit in ihren Bann gezogen. Ihre Glukose-Tricks stellen sofortige Besserung in Aussicht: darunter weniger Entzündungen im Körper, besseren Schlaf, einen ausgewogenen Hormonhaushalt, bessere Laune. Ihr Zugang ist einfach, praxisnah und wissenschaftsbasiert. Definitiv aber nicht neu.
Schlinter-Maltan: „Ich erinnere mich an die sogenannte Glyx-Diät, die sich auf den Glykämischen Index bezieht, Lebensmittel nicht nach Kalorien definiert und die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel beachtet. Trends beruhen oft darauf, dass gewisse Lebensmittelgruppen komplett weggelassen werden. Die Gefahr dabei ist stets, dass man das Gefühl hat, auf etwas verzichten zu müssen."
Individuell
Die fast schon kultartigen Glukose-Hacks versprechen sogar mehr Genuss beim Essen. So sollen grünes Gemüse vor der Mahlzeit, ein Esslöffel Apfelessig in einem großen Glas Wasser maximal 20 Minuten vorab wie auch Bewegung nach dem Essen Glukose-Spitzen verringern. Aus der Forschung weiß man allerdings, dass es nicht die eine Lösung für alle gibt. Manche Lebensmittel lösen individuell unterschiedliche Blutzuckerspitzen aus, jeder Körper reagiert anders, auch auf äußere Faktoren. Das bestätigt Schlinter-Maltan: „Das Thema ist komplex. Bei den einen steigt der Blutzucker bei einer Portion kaum an, bei anderen eher stark. Körperlicher Stress, psychischer Stress, all diese Faktoren sind schwer zu vereinheitlichen.“ Und auch im Familienalltag wird die Methode wahrscheinlich an ihre Grenzen stoßen.
Snack Time
Pittino und Schlinter-Maltan sind sich einig, wenn es da- rum geht, den Glukose-Haushalt alltagstauglich positiv zu beeinflussen. Ausgewogene Mahlzeiten mit hochwertigen Kohlenhydrat-Quellen dürfen am Tisch nicht fehlen, dazwischen wird das Snacken reduziert, beginnend bei den ganz kleinen Familienmitgliedern. „Das gemeinsame und regelmäßige Essen von gut ausgewählten Gerichten am Familientisch zeigt unseren Kindern, dass buntes und frisches Essen gut schmecken kann“, so die TCM-Ernährungsberaterin Pittino. Und auch die Sensorikerin Schlinter-Maltan fasst zusammen: „Ich bin kein Fan von Verboten. Warum nicht nach dem Mittagessen auch mal einen Schokoriegel genießen. Es geht darum, dass sich unsere Ernährung an langkettigen Zuckerarten ausrichtet. Wenn ich morgens schon mit einem Vollkornbrot und Ei beginne, merke ich, dass ich bis mittags schon viel leistungsfähiger bin.“