Die Partnersuche von heute
Seit fast vier Jahren schmücke ich das Tanzparkett der Single-Clubs, wenn auch anfangs so gewollt. Mittlerweile wäre ich bereit für Mr. Right, der mit mir die schönen Dinge des Lebens genießt und teilt. Tatsächlich aber, scheint es mir, als werde ich ständig um mein Singledasein beneidet: „Wie toll, du kannst nächtelang um die Häuser ziehen, mit allen möglichen Menschen flirten, ja sogar mit ihnen nach Hause gehen und wilde Fantasien ausleben!“ Das Singledasein wird aus irgendeinem Grund immer positiv dargestellt, in Filmen oder Büchern: Als kitschromantaugliche Abfolge von aufregenden Begegnungen, heißen und schlaflosen Nächten. Ja, das mag in einigen Fällen auch so sein. Aber das ist doch nicht das, was das Singlesein so großartig macht – oder jedenfalls nur ein kleiner Teil davon!
Wenn man diese Art von Singlesein so lebt, und nicht so wie ich mit einem Bein in der Öffentlichkeit steht, dann können solche Nächte durchaus amüsant sein, vielleicht. Der weitaus gewichtigere Grund, warum das Singlesein so seine Vorteile hat: Es ist niemand da, auf den man Rücksicht nehmen muss! Man entscheidet die Dinge so, wie es für einen selbst gerade am besten passt. Mit allen absonderlichen, wunderlichen und vor allem unerträglichen Eigenarten, die jeder hat. JEDER!
Secret Single Behavior
Dass es das ist, was das Leben ohne Partner erstrebenswert macht, zeigen schon die unzähligen Artikel, Facebook- oder Instagram- Postings zum Thema „ Secret Single Behavior“. So nennen Menschen in Beziehungen all das, was sie nur ausleben können, wenn der Partner mal nicht da ist. Die Beispiele dieser Eigenheiten und Verhaltensweisen erspare ich Ihnen an dieser Stelle. Solo erleben viele Menschen enorme Entwicklungen, sind eigenständig und unternehmungslustig. Ich stelle fest, das Singledasein ist gar nicht mal so übel, zumal die Tatsache, wie man heute jemanden kennenlernen kann, schwieriger zu sein scheint, als einfach vor sich hinzuleben.
Unzählige Möglichkeiten
Wie bitte, Sie sind der Meinung, heutzutage passiert das Kennenlernen ganz nebenbei? Sportvereine, Arbeitskollegen, unzählige Partnerbörsen sollten doch die Begegnung zum Menschen vereinfachen, oder etwa nicht? Tatsächlich sieht die Realität heute anders aus. Monatelange Lockdowns, Abstandhalten und Maskenpflicht, geimpft versus ungeimpft – diese Faktoren entscheiden aktuell darüber, ob man in die Bar oder ins Fitnessstudio darf oder nicht: All das hat die Form des Kennenlernens völlig durcheinandergebracht. Ob es jetzt nun besser, leichter oder schwieriger ist, jemanden kennenzulernen, sei dahingestellt.
Universum & Glück
Doch wie so oft spielen auch in dieser Lebenssituation Frau Universum und Herr Glück ihre Rolle. Und wenn beide gerade nicht im Einsatz sind, kann es passieren, dass man zum Dauer-Single wird – ob nun gewollt oder ungewollt. Von Nichtsingles kann man dann auch den einen oder anderen mitleidigen Blick ernten. Denn ohne bessere Hälfte scheint dann doch vielen Paaren ein zufriedenes Leben unmöglich zu sein. Wer sich über einen längeren Zeitraum nicht in einer festen Partnerschaft befindet, wird von seinem Umfeld oft misstrauisch angeschaut und in Frage gestellt. Schnell landet der Betroffene hinter vorgehaltener Hand in den Schubladen „Beziehungsunfähig“, „Eigen und wählerisch“ oder „Komplizierte Persönlichkeit“.
Unterstützung von außen
Es geht vor allem darum, die eigenen Ansprüche und Erwartungen genauer unter die Lupe zu nehmen und selbstkritisch zu hinterfragen. Denn viele Singles stehen sich bei der Suche nach dem geeigneten Partner oft selbst im Weg, ohne es richtig zu wissen. Mentaltrainings, Coachings und Abertausende Ratgeber sowie Podcasts werden mittlerweile angeboten: „Du strahlst es aus – ob du offen bist oder nicht!“ oder „Deine innere geistige Einstellung entscheidet, ob du deinem Traumpartner begegnest“. Ist das alles nur Gerede oder liegt in solchen Theorien doch ein Körnchen Wahrheit? Wie war das noch mal: „Wenn man nicht danach sucht, kommt es von selbst!?“ Okay, ich suche nicht – ich tindere nur!
Tinder, Partnerbörse & Co.
Kennen Sie das, man sieht jemanden und denkt sich: Diesen Menschen möchte ich kennenlernen? Tinder und Co. verhelfen in Sekundenschnelle, genau das auch in die Tat umzusetzen. Ein Wisch nach links und einem Flirt, vorausgesetzt das Gegenüber wischt auch auf die richtige Seite, steht nichts mehr im Weg. Diese Form des Kennenlernens empfinden mittlerweile viele als „einfacher“, um auf neue Leute zu treffen. Diese Art und Weise, neue Menschen kennenzulernen, scheint tatsächlich Anklang in unserer Gesellschaft gefunden zu haben. Mittlerweile lernt sich so jedes dritte Paar kennen, was mitunter auch zum Bund der Ehe führen kann.
Die Zeiten, wo man in der Bar oder auf einem Festival, sofern nicht wieder ein Lockdown ist, jemanden anflirtet, sind irgendwie leider passé. Man ist entweder zu cool oder zu schüchtern geworden, um sich anzusprechen. Selbst das „Ansprechen unter Gleichgeschlechtlichen ist nicht mehr das, was es mal früher war …“, so homosexuelle Freunde von mir. Warum das jetzt? Haben Tinder und Co. dem persönlichen Kennenlernen nun doch den Rang abgetreten? Vermutlich ja, denn da kann man sich so schön hinter einer Fassade verstecken – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Aber Tinder und Partnerbörsen haben auch so ihre Tücken: „Lügen, falsche Identitäten bis hin zur virtuellen Belästigung durch pornographische Bilder und abstoßende Texte“, so eine Bekannte, die namentlich nicht genannt werden möchte.
An sich arbeiten.
Je länger ein Mensch solo ist, desto mehr Zeit hat er schon damit verbracht, über sein Alleinsein nachzudenken. Immer wieder kreisen die Gedanken um frühere Beziehungen, verpasste Gelegenheiten oder aktuelle Kandidaten mit ihren jeweiligen Plus- und Minuspunkten. Eingesessene Singles haben oft lange Listen im Kopf – fix und fertig angelegt und jederzeit abrufbereit. Darauf steht genau, wie der Traumpartner sein soll. Noch viel genauer ist dort definiert, wie bzw. was er auf keinen Fall sein, tun oder haben darf. Das Problem an diesen Listen ist, dass sie in der Realität nicht umsetzbar sind. Denn alle darin enthaltenen Informationen beziehen sich entweder auf vergangene Partnerschafts- oder Ehe- Erlebnisse oder basieren auf Überlegungen, die man für sich selbst festgelegt hat. Es ist also kein Wunder, dass solche Listen den Weg zu neuem Glück nicht erleichtern, sondern eher verstellen.
Verpasste Chance
Es wird also, anstatt nach vorn zu blicken, viel mehr an der Vergangenheit festgehalten – dabei kann man glückliche Zufälle, überraschende Wendungen und unerwartete Gelegenheiten verpassen. Die wenigsten glücklich Verliebten oder glücklich Verheirateten haben ihren Partner vorgefertigt oder die große Liebe exakt nach Plan gefunden. Meistens war der Mensch plötzlich da, als die Zeit reif war oder als man gerade nicht nach ihm gesucht hat. Bei der ersten Begegnung konnte keiner der beiden schon klar voraussagen, was der neue Partner bzw. die neue Beziehung mit sich bringen würde.
Ansprüchen gerecht werden.
Es gilt also, trotz aller Überlegungen offen zu bleiben für Überraschungen und Ungeplantes. Und wer aussortieren möchte, sollte bei seinen persönlichen Ansprüchen anfangen. Das hat nichts mit dem ebenfalls oft zitierten „Herunterschrauben“ der eigenen Ansprüche zu tun, sondern mit der Abkehr von einem Denksystem, das dazu neigt, sich im Kreis zu drehen und immer gegen die Wand zu fahren, statt eine neue Tür zu öffnen. Die Liebe braucht kein System! Wäre das anders, würde sie im Volksmund nicht mit dem „gewissen Etwas“, dem Feuer oder einem überspringenden Funken verglichen werden.
Darum raten Psychologen und erfahrene Singleberater bzw. Paartherapeuten von zu viel Systematik bei der Partnersuche ab. Im Beziehungsalltag kann das anders werden: Hier sind individuelle Systeme, gemeinsame Organisation und natürlich auch Planung hilfreich, um neue Herausforderungen zu meistern sowie die Partnerschaft und das Zusammenleben stabil und harmonisch zu gestalten. Aber an dieser Stelle höre ich mit meinen Beziehungstipps auf, denn sonst wäre ich ja kein Single.
Zur Autorin
Violeta Danicic ist Moderatorin und Redakteurin bei moments Magazin. In ihrer Cover-Story schreibt sie über Ihr Leben als Single und wie sich die Partnersuche, in Zeiten von Pandemie und Einschränkungen, wesentlich verändert hat.