Demenz - mehr als Vergesslichkeit
Weltweit leiden rund 47 Millionen Menschen unter Demenz. Ob und wie man sie heilen könnte und warum – trotz der rasanten Entwicklung der Medizin – die Zahl der Kranken immer noch im Steigen begriffen ist, lässt uns mit vielen offenen Fragen zurück.
Vergesslich oder dement.
Besonders zu Beginn der Krankheit ist es schwer, eine „normale Vergesslichkeit“ von einer Demenz abzugrenzen: Jeder Mensch vergisst einmal etwas. Sich etwas merken zu können, ist auch abhängig von der momentanen seelischen und geistigen Belastung, der Konzentrationsfähigkeit und der Aufmerksamkeit. Auch das Alter spielt natürlich eine Rolle, da jeder von uns körperlich und geistig mit zunehmenden Jahren immer weniger wendig und flexibel wird. Nicht jede Vergesslichkeit ist also mit einer beginnenden Demenz gleichzusetzen. Und solange keine weiteren Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit hinzukommen, gibt es keinen Grund zur Sorge.
Symptomatisch.
In Abgrenzung zur „normalen“ Vergesslichkeit weisen Menschen, die tatsächlich an einer Demenz erkrankt sind, einige typische Merkmale auf. Vor allem treten im Verlauf der Erkrankung immer mehrere und zunehmend stärker ausgeprägte Symptome in Erscheinung. Ein jeder vergisst hin und wieder einmal etwas und sei es eine Telefonnummer, aber er weiß, wo er dafür nachschauen muss und was es mit diesen Nummern auf sich hat. Ein von Demenz Betroffener weiß nicht mehr, was diese Nummern bedeuten und was er damit tun soll. Die Fähigkeit zur Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten geht zunehmend verloren. Menschen mit einer (Alzheimer-)Demenz vergessen häufig, erinnern sich nicht mehr und stellen immer wieder die gleichen Fragen, obwohl sie die Antwort schon wiederholte Male erhalten haben.
100 Jahre – offene Fragen
Die Alzheimer-Demenz ist ein eigenes Kapitel und wird in den nächsten Jahren noch viele weitere Fragen aufwerfen. Die Geschichte der Alzheimer-Krankheit beginnt 1901 mit der Einlieferung von Auguste Deter in die „Anstalt für Irre und Epileptische“ in Frankfurt am Main. Die Patientin leidet unter Vergesslichkeit und Wahnvorstellungen. Das Gesprächsprotokoll, das der zuständige Psychiater anfertigt, markiert den Forschungsbeginn einer Krankheit, die unter dem Namen des behandelnden Psychiaters in die Medizin einging: Alois Alzheimer. Er stellte fest, dass es sich bei Auguste Deter nicht um eine Altersdemenz handeln konnte, dafür war sie mit 51 Jahren einfach zu jung. „Präseniles Irresein“ lautet daher seine vorläufige Diagnose. Als er nach Deters Tod ihr Gehirn im Mikroskop untersucht, findet er zugrunde gegangene Nervenzellen mit Bündeln faseriger Strukturen – den Neurofibrillen – sowie Ablagerungen außerhalb der Zellen, sogenannte senile Plaques. Für Alzheimer bestätigt das die Theorie, wonach Geisteskrankheiten organische Ursachen haben müssen. Im Jahr 1907 veröffentlicht er seine Abhandlung „über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“. 1910, drei Jahre später, führt das „Lehrbuch der Psychiatrie“ diese Krankheitsform zum ersten Mal unter dem Namen „Alzheimersche Krankheit“. In den über hundert Jahren, die seit damals vergangen sind, hat sich die Alzheimer-Krankheit von einem Randphänomen zu einem weltweiten Gesellschaftsproblem entwickelt. Mittlerweile sind zwar viele mögliche Ursachen bekannt, doch eine Heilung steht immer noch aus. Was die diagnostischen Möglichkeiten angeht, hat sich bei den bildgebenden Verfahren wie MRT und PET unheimlich viel getan. So gibt es mittlerweile Möglichkeiten, abgelagertes Amyloid mit PET-Verfahren sichtbar zu machen sowie Tau-Protein-Ablagerungen zu erkennen. Eine ursächliche Behandlung von Alzheimer-Demenz hingegen wird es so schnell nicht geben, weil die Krankheit multifaktoriell ist. Vergleichbar mit einer Krebsbehandlung, wird es nicht nur ein Medikament geben, sondern verschiedene mit unterschiedlichen Ansätzen. Eine gute Prävention ist, das Gehirn anzuregen, aber nicht mit stupiden Übungen, sondern damit, was dem Menschen Freude macht. Bei bereits bestehender Demenz können sogenannte Antidementiva helfen, also Medikamente, die die geistige Leistungsfähigkeit etwas verbessern. Es lässt sich mit dieser Krankheit durchaus sehr gut leben, wenn man eine frühzeitige bzw. rechtzeitige Diagnose bekommen hat – dazu gehört neben der richtigen medizinischen Versorgung eben auch die liebevolle Begleitung im Alltag.
UMGANG MIT DEMENZ
Jeder hat eigene Vorlieben und -Interessen. Das gilt auch für Menschen mit Demenz.
- Vermeiden Sie Lärmquellen, wenn Sie ein Gespräch führen.
- Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Gegenüber.
- Vermeiden Sie Streitgespräche oder Diskussionen.
- Fallen Sie Ihrem Gesprächspartner nicht ins Wort.
- Stellen Sie konkrete Fragen und beginnen Sie nicht mit „Warum“, „Wieso“, „Weshalb“, …
- Demenz-Erkrankte sind erwachsen: Vermeiden Sie „Babysprache“.
- Nehmen Sie Vorwürfe des Patienten nicht persönlich.
- Nehmen Sie Menschen mit Demenz ernst.
GUT ZU WISSEN
Warum ist es bei Demenz so wichtig, die richtige Diagnose zu erhalten?
Vergesslich werden wir alle irgendwann, nicht jede Vergesslichkeit ist Alzheimer, daher ist die Diagnose wichtig, um zu wissen, ob man tatsächlich Alzheimer hat oder es durch eine sekundäre Erkrankung zur Demenz gekommen ist, beispielsweise zu einer vaskulären Demenz. Bei der gibt es nämlich eine medikamentöse Therapie und es kann sogar wieder zu einer Verbesserung der Symptomatik kommen. Die Vergesslichkeit bei Alzheimer hingegen ist ein langsam schleichender Prozess. Meistens bemerken es die Patienten noch vor den Angehörigen, weil sie auf einmal nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Auch das soziale Umfeld und die Bildung spielen hierbei eine Rolle.
Kann man mit der Ernährung etwas bewirken und so eventuell einer Demenz vorbeugen?
Prävention spielt eine sehr große Rolle und das bedeutet, dass man auch mit der Ernährung sehr wohl etwas bewirken kann. Man weiß zum Beispiel, dass Menschen, die am Meer leben und eher zu Fisch greifen, also ungesättigte Fettsäuren und Omega 3 zu sich nehmen, weniger häufig an Alzheimer erkranken. Wie sich jemand ernährt, überlasse ich den Leuten, aber was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass zu viel Fleisch nicht gesund ist. Es gibt viele gute Gewürze, die uns dabei helfen, das Gehirn gesund zu erhalten wie Ingwer, Kurkuma etc. Auch die ausreichende Zufuhr von Spurenelementen wie Kupfer, Jod, Zink, Magnesium und Selen ist wichtig. Allerdings ist es in Österreich, eigentlich überall in Europa schwierig, ausreichend Selen mit der Nahrung aufzunehmen, weil in unseren Böden im Gegensatz zu Amerika nur geringe Mengen an Selen vorkommen. Ich bin nicht sehr für Ergänzungsmittel, aber Selen bekommt man sonst kaum ausreichend. Deswegen sollte man Selen in der Apotheke kaufen. Ich empfehle meinen älteren Patienten auch gerne ein oder zwei Eier zum Frühstück, da diese viele der wichtigen Vitamine enthalten. Kokosöl ist zwar nicht geeignet zum Kochen, weil es eine gesättigte Fettsäure ist, aber wenn jemand weiß, dass er beginnenden Alzheimer hat, dann ist ein Teelöffel davon therapeutisch sehr gut.
"UND TÄGLICH FRISCH VERLIEBT"
ist der Titel des neuesten Films des österreichisch-iranischen Regisseurs Dr. Houchang Allahyari, der in seinem Hauptberuf als Psychiater und Neurologe tätig ist. Es ist eine Dokumentation, in der Demenz zwar eine zentrale Rolle spielt, aber in den Begegnungen und Gesprächen der beiden Protagonisten Ferry und Amalia Ebert sieht man, dass durch die tiefe Liebe der beiden auch Platz für glückliche Momente ist.