Was die drei Kulturhauptstädte können
Touristische Highlights wie Florenz, Hallstadt oder Venedig sind in der Hauptsaison über alle Massen überlaufen. Viele andere Städte haben das entgegengesetzte Problem und finden, dass ihnen etwas mehr (Qualitäts-)tourismus nicht schaden könnte. Ein Mittel, denselben anzukurbeln, ist eine erfolgreiche Bewerbung als "Europäische Kulturhauptstadt". Der Titel wird seit 1985 von der Europäischen Union verliehen, um das Wissen um die kulturelle Vielfalt Europas zu fördern. Heuer haben wieder drei Städte den Titel verliehen bekommen. Es sind dies Elefsina in Griechenland, die Region rund um Veszprém in Ungarn und Timișoara in Rumänien.
Geheimkult der Antike
„Elefsina“ hat heute 30.000 Einwohner, befindet sich 20 Kilometer östlich von Athen und ist eigentlich ein Vorort der griechischen Hauptstadt. Noch bis Beginn des 20. Jahrhunderts war der Ort ein bedeutendes Industrie- und Handelszentrum, wurde aber dann von Athen und Piräus überrundet und verfiel. Während Industrieruinen und Schiffswracks aus dem Stadtbild verbannt werden sollen, sind die antiken Ruinenfelder das Alleinstellungsmerkmal des Ortes. "Eleusis", so hieß der Ort in der Antike, war einst ein bedeutender Wallfahrtsort, weil hier zwischen dem 7. und 4. Jahrhundert der Kult der Göttinnen Persephone und Demeter zelebriert wurde. Bei Führungen zu den Ausgrabungen wird man höchst kompetent in die Geschichte der damals geheimen Mysterienspiele eingeweiht. Das Programm des Kulturhauptstadtjahres gibt es hier.
Ungarns Leonardo
Die alte Universitätsstadt Veszprém hat rund 60.000 Einwohner und liegt erhöht inmitten einer idyllischen Hügellandschaft. Der Ort, den eine alte mittelalterliche Festung überragt, ist umgeben von Outdoor-Paradies Bakonywald, gehört zur Weinregion Balaton-Felvidék und grenzt an die ungarische Tiefebene. Veszprém ist überregional bekannt für ganzjährig stattfindende Musikfestivals und hat neben Gourmetrestaurants auch etliche schicke Kultlokale zu bieten. Im Mittelpunkt des Kulturhauptstadtjahrs steht unter anderem die Wiederbesinnung auf den „ungarischen Leonardo“, den Universalgelehrten Faustus Verancsics (1551-1617), der hier Festungskommandant war.
Multikulti-Hotspot
Das rumänische Timișoara (deutsch „Temeschwar“) ist mit 300.000 Einwohnern die größte der drei Kulturhauptstädte 2023. Die sprachliche und ethnische Vielfalt der Stadt, die einst zur k.u.k. Monarchie gehörte, steht dabei im Vordergrund. Hier leben nicht nur Rumänen, sondern auch Serben, Deutsche, Ungarn, Tschechen, Slowaken und Bulgaren. Bis zum II. Weltkrieg gab es auch eine große jüdische Gemeinde. Das Kulturhauptstadtjahr wird von einer Vielzahl an Veranstaltungen geprägt, so gibt es ein Volksgruppen-Festival, ein Roma-Festival, ein internationales Literaturfestival, ein Konzert des französischen Nationalorchesters und die Aufführung der Jack-Unterweger-Oper "The Infernal Comedy" mit John Malkovich in der Hauptrolle.