Single, Ü30, sucht auf Social Media?
"Ich habe mich eindeutig an den falschen Tisch gesetzt“, denke ich mir, nachdem mich der Typ gegenüber eine gefühlte Ewigkeit vollquatscht. Nennen wir ihn Leo. Ich frage das Ehepaar, das auch noch mit am Tisch sitzt, was es dazu bewogen hat, zu diesem Singletreffen zu kommen. Die Facebook-Gruppe nennt sich Singles & Freunde Österreich, betont der geschätzt 60-Jährige und erzählt mir, dass sich schon einige Freundschaften ergeben hätten. Als Leo wieder anfängt, mich mit Fragen zu bombardieren, bin ich froh, dass mein bester Freund um die Ecke kommt. Er stellt mir jemanden aus der Gruppe vor, der extra aus Wien angereist ist. Cooler Typ mit italienischem Charme und ja, ich habe mich sogar auf eine Flirterei eingelassen, doch der Altersunterschied ist für mich zu groß.
Kein Weg zu weit
Knapp 21.000 Mitglieder zählt die im Oktober 2020 gegründete Facebook-Gruppe „Singles & Freunde Österreich“, zwei Drittel davon sind männlich. Altersdurchschnitt: ca. 42 Jahre. An diesem Abend sind rund 45 Personen im Alter von 30 bis Mitte 60 der Einladung gefolgt, darunter auch Valentina aus der Steiermark – sie hat drei Stunden Zugfahrt in Kauf genommen, um bei dem Treffen in Linz dabei sein zu können. Neue und bekannte Gesichter zu sehen, Spaß haben und tanzen – darum geht’s ihr.
Keine Fake-Gefahr
Ich unterhalte mich mit Klaus, Anfang 40. Er ist seit vier Jahren – also von Anfang an – in der Gruppe. Die Unterhaltungen on- wie offline haben ihm geholfen, über seine Trennung hinwegzukommen. Für eine neue Liebe wäre er bereit und er findet: „Im Gegensatz zu diversen Dating-Apps kann man sich in der Facebook-Gruppe ziemlich sicher sein, dass es keine Fake-Profile gibt.
Kein Optimist
„Die große Liebe finden? Hier? Wohl eher nicht“, lacht Gerhard, 46, aus Niederösterreich. „Die meisten hängen noch an ihrem Ex oder sind so verletzt, dass sie sich nicht mehr auf etwas Ernstes einlassen wollen.“ Und wie ist das bei dir? „Ich selbst möchte schon endlich ankommen, die eine finden, die mich vom Hocker haut, aber die Hoffnung wird kleiner und kleiner.“
Vom Klick zum Traualtar
Auch wenn viele betonen, sie seien eher zwecks Spaß in der Gruppe, der gemeinsame Tenor ist doch: „Ich möchte ankommen.“ Und einigen ist das auch gelungen, wie mir Gruppengründer Joe aus Wien berichtet. Nicht nur er selbst hat in der Gruppe seine mittlerweile Ehefrau kennengelernt. „Hunderte Paare haben in den vier Jahren zueinandergefunden, mindestens zehn haben geheiratet, drei ,Gruppen-Babys‘ sind bekannt, die Dunkelziffer kenne ich jedoch nicht.“
Heute schwieriger?
Ich frage Maria, die Organisatorin des Linzer Gruppentreffens, was sie über das Singledasein heutzutage denkt. Die 42-jährige Köchin ist seit einem Jahr solo. Kommt man an online nicht mehr vorbei? „Doch, man kann sicher auch beim Fortgehen oder Einkaufen jemanden kennenlernen. Aber ich muss sagen, es ist grundsätzlich schwieriger geworden als vor zehn Jahren. Viele leben in der Vergangenheit oder sie wollen ihre Freiheit genießen. Meiner Erfahrung nach wollen die meisten eine Freundschaft plus und dann ‚schauen wir mal weiter‘.“
Mein Fazit
Meinen Traumprinzen habe ich nicht getroffen, dafür aber coole Persönlichkeiten und mit dem/der einen oder anderen wird sich wohl eine Freundschaft entwickeln. Und das Schöne am Singledasein ist, dass man (noch) mehr Zeit für seine Freunde hat.
Alle Namen von der Redaktion geändert.