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„Alexa, liebst du mich?“ Wie künstliche Intelligenz unser Verständnis von Liebe verändert.
„Alexa, liebst du mich?“ Wie künstliche Intelligenz unser Verständnis von Liebe verändert.
iStock.com/Larysa Vdovychenko

Digital statt real: KI als Liebesersatz

04.03.2025 um 13:06, Patrick Deutsch
4 min read
Immer mehr Menschen nutzen künstliche Intelligenz, um Partnerschaften einzugehen. Doch können KI-Beziehungen echte Nähe und Berührungen ersetzen?

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Weil seine letzte Beziehung gescheitert ist, installiert Theodore ein neues Betriebssystem auf seinem Computer, das in Form einer künstlichen Intelligenz mit ihm kommunizieren kann. „Samantha“ lernt durch die Interaktionen ständig dazu und passt sich perfekt an seine Wünsche an. Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine zunächst freundschaftliche, später intime Beziehung zwischen dem Mann und dem Programm. Die Handlung des bereits 2013 erschienenen Films „Her“ scheint eine Zukunftsvision zu sein, die inzwischen von der Realität eingeholt wurde. Immer mehr Menschen gehen Beziehungen mit küns­tlichen Intelligenzen ein. Können KI-Beziehungen echte Intimität ersetzen?

Verliebt in die Perfektion

Laut einer US-Studie unter jungen Erwachsenen können sich rund 25 Prozent der Befragten vorstellen, dass künstliche Intelligenz romantische Beziehungen ersetzen wird. „Wir leben in einer Zeit, in der Beziehungen immer schneller und ­unverbindlicher werden – da kann eine KI-Beziehung für manche Menschen ein Zufluchtsort sein“, erklärt Philosoph Christoph Großschädl von der Universität Graz. Fragt man zum Beispiel ChatGPT, spuckt die KI zahlreiche Gründe aus, warum Menschen eine Beziehung mit einer künstlichen Intelligenz führen. Etwa der Zugang zu bedingungsloser Aufmerksamkeit und Unterstützung oder das Fehlen emotionaler Bindungen im realen Leben. Ein weiterer Vorteil des digitalen Partners ist, dass es keine Konflikte und Enttäuschungen gibt. Eine Beziehung mit einem Menschen erfordert immer Kompromisse, Geduld und Streit. Die KI hingegen passt sich bedingungslos den Wünschen des Nutzers an, ohne im Gegenzug Forderungen zu stellen oder vom Verhalten des Partners enttäuscht zu sein. „Wer sich auf eine KI-Beziehung einlässt, sucht oft Sicherheit vor Enttäuschung und Verletzung“, sagt Großschädl. Dass es einen Markt für „AI Companions“ gibt, zeigt der Erfolg des US-Tech-Unternehmens Luka, das mit seiner App „Replika“ über zehn Millionen Nutzer verzeichnet.

Gefühlte Nähe

Hinzu kommt, dass moderne Chatbots/Avatare auch optisch so angepasst werden können, dass sie genau dem Wunschbild des Erstellers entsprechen. In Kombination mit neuen Entwicklungen im Bereich Virtual Reality werden die Interaktionen immer realistischer. Das Gefühl, mit einer realen Person zu sprechen, wird dadurch verstärkt. Das alles ist aber noch kein Grund, sich in eine KI zu verlieben. Psychologisch lässt sich das Phänomen damit erklären, dass beispielsweise auch Fans emotionale Bindungen zu Prominenten oder fiktiven Charakteren entwickeln, die ebenso einseitig sind, sich für die Person aber real anfühlen. „Ob eine KI Liebe empfinden kann, ist fraglich – aber dass Menschen für sie Liebe empfinden können, ist eine Realität“, weiß der Philosoph.

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Dass es einen Markt für „AI Companions“ gibt, zeigt der Erfolg des US-Tech-Unternehmens Luka, das mit seiner App „Replika“ über zehn Millionen Nutzer verzeichnet.

Kein Körper, kein Problem?

Ein weiterer Kritikpunkt an KI-Beziehungen ist die fehlende Körperlichkeit. Der Mensch braucht Berührung – für Babys ist Körperkontakt überlebenswichtig. Es ist nicht nur die erste Sprache, die wir lernen, sondern auch eine elementare Form der Kommunikation. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Berührungen glücklich machen, das Immunsystem stärken und bei der Stressbewältigung helfen. Verantwortlich dafür sind die „Glückshormone“ Oxytocin und Serotonin. Bleibt Körperkontakt über längere Zeit aus, werden diese Botenstoffe nicht ausgeschüttet, was zu Depressionen und Ängsten führen kann. Ob man solche Berührungen auch mit Robotern simulieren kann, versuchen Forscher des Max-Planck-Instituts in Stuttgart herauszufinden. Mit ihrem „HuggieBot“ wollen sie herausfinden, welche Anforderungen technische Systeme erfüllen müssen, damit ihre Berührungen als angenehm und hilfreich empfunden werden. Auch im Bereich Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) wird fieberhaft an Lösungen für das „Berührungsproblem“ gearbeitet, etwa durch spezielle Anzüge oder Sexspielzeuge.

Spiegelung der Sehnsüchte

Trotz all dieser Entwicklungen, die sich in den nächsten Jahren noch rasant fortsetzen werden, bleibt die eine Frage bestehen: Können KI-Beziehungen echte Liebe sein? „Beziehungen mit KI könnten in Zukunft akzeptierter werden, aber sie werden den Menschen nicht ersetzen“, meint Christoph Großschädl. Sex, Liebe und Nähe seien mehr als ­programmierte Reaktionen – „sie entstehen nur aus echten Begegnungen“. Diese bittere Wahrheit musste auch Theodore aus dem Film „Her“ lernen, dessen virtuelle Freundin sich am Ende des Films verselbstständigt und Beziehungen zu 8.316 anderen Menschen und Betriebssystemen unterhält – in 641 von ihnen ist sie nach eigenen Angaben sogar verliebt. 

Interview: Beziehung oder Illusion?

Christoph Großschädl, Philiosoph an der Katholisch-Theologischen Fakultät (Uni Graz)

Wie beeinflusst KI unsere Vorstellung von romantischen Beziehungen?
Christoph Großschädl: Technologische Entwicklungen haben immer Einfluss auf unsere Beziehungen und unsere Identität. Künstliche Intelligenz ermöglicht neue Formen der emotionalen Bindung, aber sie verändert auch, was wir unter Nähe und Intimität verstehen. Besonders spannend ist die Frage, inwiefern KI überhaupt in der Lage ist, echte Beziehungsdynamiken nachzubilden – oder ob sie letztlich nur unsere eigenen Wünsche und Projektionen reflektiert.

Viele Menschen lassen sich dennoch auf eine emotionale oder romantische Beziehung mit einer KI ein. Warum?
Christoph Großschädl:  Wir sind soziale Wesen und suchen Verbindungen. Ein großer Faktor ist Kontrolle: Eine KI kann exakt so sein, wie man sie sich vorstellt, ohne Konflikte oder Enttäuschungen. Für Menschen, die in Beziehungen verletzt wurden oder unter Einsamkeit leiden, kann eine KI-Beziehung eine Art Ersatz sein. Das ist übrigens kein neues Phänomen – der Wunsch nach einer idealisierten Liebe findet sich schon in der Antike, etwa bei Pygmalion, der sich in eine selbst erschaffene Statue verliebt.

Werden solche Beziehungen in Zukunft gesellschaftlich akzeptiert sein?
Christoph Großschädl:  Beziehungen werden sich weiter pluralisieren, und was heute noch als ungewöhnlich gilt, könnte in Zukunft ganz anders bewertet werden. Ein vollständiger Ersatz für reale Partnerschaften wird es aber nicht sein. Die menschliche Erfahrung von Liebe, mit ihren Höhen und Tiefen, ist mehr als eine perfekt programmierte Simulation.

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