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Ein muskulöser, glatzköpfiger Mann mit dem Rücken zur Kamera stehend schaut aus einem vergitterten Fenster.
Wer glaubt, dass solch hollywoodreife Liebesgeschichten nur in den USA passieren, irrt.
Wer glaubt, dass solch hollywoodreife Liebesgeschichten nur in den USA passieren, irrt.
Damir Spanic / unsplash

Hilfe, ich liebe einen Mörder!

20.08.2020 um 14:55, Stefanie Hermann
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Serienmörder erhalten Fanpost. Und gar nicht selten wird aus der Brieffreundschaft Liebe. Rund 30 Mal im Jahr wird in Österreichs Gefängnissen der Bund fürs Leben geschlossen. Was fasziniert Frauen an Kriminellen?

Jung, charmant, redegewandt – so würde die Amerikanerin Journey ihren Ben wohl beschreiben. Als sie ihm das erste Mal begegnet ist, ist für sie klar: Das ist er, ihre große Liebe. Angefangen hat alles per Brieffreundschaft, kürzlich wurde geheiratet. Es könnte alles so romantisch sein, wäre da nicht ein kleines Problem. Ben sitzt wegen Mordes hinter Gittern. Werglaubt, dass solch hollywoodreife Liebesgeschichten nur in den USA passieren, irrt. Rund 30 Mal pro Jahr wird in Österreichs Gefängnissen geheiratet.

Österreichs bekanntester Mörder und die Liebe

Eine Liasion, wenn auch ohne Heirat, hat sich dabei ins kollektive Gedächtnis eingebrannt wie keine andere – und polarisiert noch heute: Die Liasion zwischen der Strafverteidigerin Astrid Wagner (damals 28) und Österreichs bekanntestem Frauenmörder Jack Unterweger (†44). „Er hat beim ersten Besuch zu flirten angefangen. Es hat sofort gekribbelt,“ erinnert sich die heute 57-Jährige im Gespräch mit Weekend.  Über zwei Jahre lang währt die Beziehung, ständig beobachtet von den Medien, von der Öffentlichkeit verurteilt. „Er war kein gefühlskaltes Monster. Er war empathisch“, betont Wagner. Frauen, die sie für ihr Buch „Verblendet“ 2014 getroffen haben, beschreiben ihn gar als liebevoll und zärtlich.

Links ein Schwarzweiß-Bild von Jack Unterweger mit Handschellen, rechts eine Farbaufnahme von Astrid Wagner, lächelnd im Halbporträt
 Astrid Wagner (rechts) über ihre erste Begegnung mit Jack Unterweger (links bei seiner Verhaftung in Miami): "Unsere Begegnung war schicksalhaft."

Serienmörder – verehrt und gefeiert

Wie kann es sein, dass oftmals gut gebildete, attraktive junge Frauen ihr Herz an verurteilte Mörder verlieren? Schuld daran könnte das Bonny-und-Clyde-Syndrom (Hybristophilie) sein, eine Störung, von der Frauen deutlich öfter betroffen sind als Männer. Gefeiert wie Popikonen, umschwärmt wie Teenie-Stars, begehrt wie Sexsymbole: Brutale Serienmörder wie Ted Bundy (30 gestandene, bis zu 100 vermutete Morde), Charles Manson (verantwortlich von den Tod von acht Menschen) oder Richard Ramirez (13 bestätigte Mordopfer) konnten sich nach ihrer Verurteilung vor Groupies kaum retten. In ihrer Fanpost fanden sich regelmäßig Liebesbriefe und Nacktbilder. Auch die in Österreich verurteilte Doppelmörderin Estabiliz C. erhält bis heute solche Zusendungen; kleinere Geldgeschenke inklusive. Die Stilisierung als Medienikone habe wohl auch in ihrem Fall eine Rolle gespielt, bestätigt Wagner. „Hätte ich ihn in der Straßenbahn getroffen, hätte er mir wahrscheinlich nicht gefallen.“

Jeder hat so seinen Typen – das sollte man gar nicht verurteilen.

Auserwählte oder Helfersyndrom?

Aber nicht nur der Ruhm wirkt wie ein Aphrodisiakum. Sheila Isenberg, Starautorin des Buches „Women Who Love Men Who Kill“, ist überzeugt, dass ein besonders hohes Bedürfnis nach Sicherheit Auslöser für die Anziehung ist. Wenn du mit einem zu lebenslänglich oder gar zum Tode Verurteilten in einer Beziehung bist, hast du eine Menge Kontrolle über die Beziehung“, so Isenberg. Wagner vertritt eine Theorie dazu. „Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, warum ich so einen wie den Jack will. Die bösen Jungs haben mich immer irgendwie angezogen und zudem habe ich auch eine sehr ausgeprägte soziale Ader“, schildert sie. „Er hat mir wahnsinnig Leid getan. Ich war mir sicher: ‚Ich bin diejenige, die ihm helfen wird. Ich bin die Auserwählte, die den rechten Weg weisen wird‘.“ Frauen, die so denken kenne sie zur Genüge. Dahinter stehe ihrer Meinung ein ausgeprägtes Helfersyndrom. „Viele Frauen, die so eine Beziehung haben, sind glücklich und gehen in dieser Rolle auf. Jeder hat so seinen Typen, seine Neigungen, das sollte man gar nicht verurteilen.“

Polizeifoto von TEd Bundy nach seiner Festnahme
Ted Bundy ist einer der bekanntesten Serienmörder aller Zeiten – mit einer wahnwitzigen Wirkung auf Frauen.

Liebe ohne Happy End

Dabei lastet der Druck der Öffentlichkeit schwer auf solchen Beziehugnen. Medial hohe Wellen schlug zuletzt der Fall des „Stückelmörders“ Peter Madsen. Der Däne wurde 2018 wegen des brutalen Mordes an der Journalistin Kim Wall verurteilt. Jenny Curpen schreckte das nicht ab, Kontakt zu ihm zu suchen. „Ich habe sein Foto in den Nachrichten gesehen. Ich wusste sofort, dass ich mit diesem Menschen sprechen muss“, so Curpen. Ende letzten Jahres sehen sie sich erstmals, im März haben sie sich das Ja-Wort gegeben. In Madsen sieht Curpen vor allem einen klugen Mann, der Mord wäre nur ein Fehler gewesen. „Frauen, die Mörder lieben, wollen ihre Makel nicht sehen“, sagt dazu Isenberg. „Ich habe den Mord verdrängt“, bestätigt auch Wagner. Ein Happy-End hat es für sie freilich nicht gegeben. Wenige Stunden nach Unterwegers Schuldbruch wegen Mordes in neun Fällen erhängt er sich in seiner Zelle.

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