Kindheit ohne Social Media: Hatten wir es früher besser?
Ohne Handy, ohne permanente Überwachung durch die Eltern und ohne großartige Einschränkungen durfte man als Kind einfach eine ganze Menge Spaß haben! Es fing schon damit an, dass uns zugetraut wurde, dass wir alleine zur Schule finden und wieder nach Hause. Niemand wurde mit dem Auto bis vor die Tür gebracht oder gar abgeholt. Meist gab's ja sowieso nur ein Auto pro Familie, und damit war der Vater in der Arbeit.
Klingeln statt anrufen
Nach der Schule konnte man sich mit Freunden treffen, um irgendwo in Wald und Feld oder auf dem Spielplatz miteinander zu spielen. Entweder vereinbarte man schlauerweise in der Schule schon Treffpunkt und Uhrzeit. Oder man ging bei seinen Freunden vorbei und klingelte, um sie abzuholen. Keiner musste vorher anrufen und fragen: „Bist du eh da? - Ich komm jetzt!“ Wenn niemand öffnete, dann war halt keiner daheim, und der Weg war umsonst. Was kein Problem darstellte, schließlich wohnten wir nicht kilometerweit auseinander.
Kein Lebenszeichen - keine Panik
Zu einer bestimmten Uhrzeit mussten wir wieder zuhause sein, und wenn nicht, hatte man Ausgehverbot! Auch unsere Eltern machten sich Sorgen, wenn wir auf uns warten ließen, aber grundsätzlich hatten sie Vertrauen in uns. Nach ihrem Vorbild übe ich mich heute in dem Prinzip "Nicht-gleich-in Panik-Verfallen", wenn der 15-minütige Heimweg meines Sohnes schon über eine Stunde dauert. Es ist noch nie etwas passiert, zum Glück: Einmal hat's geschneit, ein anderes Mal musste man noch mit dem Nachbarn tratschen, oder jemanden nach Hause begleiten, der in der entgegengesetzten Richtung des Dorfes zu Hause ist. Alles kein Grund, sich Sorgen zu machen, Mama, sag' ich zu mir selbst.
Fahrgemeinschaft organisieren - ganz normal
Ich erinnere mich noch gut, wie oft wir als Jugendliche auf uns gestellt waren. Wenn ich ausgehen wollte, musste ich das Hin- und Zurückkommen selbst organisieren. Das war ganz normal. Manchmal war es etwas kompliziert, da ich nicht in der glücklichen Lage war, ein Moped, Motorrad oder Auto zu besitzen. Und meinen Vater zu fragen, ob er mich irgendwo hinbringt oder abholt, hatte keinen Sinn. Er hätte mich wahrscheinlich ausgelacht.
Am besten war man in einer großen Clique, die gut motorisiert war. Dann kam man hin, wohin man wollte. Erwischte einen die Polizei nach Mitternacht ohne Ausweis, man nicht nachweisen konnte, dass man schon alt genug war, und kein Handy hatte, um seine Eltern anzurufen, war eine schnelle Lösung gefragt.
Was alle diese Erfahrungen mit sich brachten: Selbständigkeit und lösungsorientiertes Handeln entwickelte man dadurch als Teenager automatisch. Wenn man bedenkt, dass heutzutage dazu eigene Seminare für Erwachsene angeboten werden ...
Internet ist cool, aber ...
Natürlich empfinde auch ich die heutigen Vorteile des Internets, der Handys und Navis als sehr angenehm. Schnell was nachschlagen, sich eine Zugverbindung oder Öffnungszeiten raussuchen, ohne dafür extra wohin zu müssen, ist auf jeden Fall sehr vorteilhaft und spart eine Menge Zeit. Cool ist es auch, mit vielen Menschen auf der ganzen Welt vernetzt zu sein. Mit Freunden, egal, wie weit weg sie wohnen, jederzeit in Kontakt treten zu können.
Das Navi bringt uns schnell ans Ziel, und die umständliche Kartenleserei beim Autofahren fällt weg. Aber damit gehen auch Orientierungsfähigkeit und eigenständiges Denken ein Stück weit verloren. Und war es nicht auch spannend, jemanden nach dem Weg zu fragen und dadurch vielleicht auch einige interessante Menschen kennenzulernen?
Vielleicht ist es der Kompromiss, das Beste der analogen Welt mit dem der digitalen zu verbinden. Zumindest nicht alles Analoge in den Wind zu schlagen. Denn: Digital ist cool – analog dafür aber so viel menschlicher und spannender! So wie in den guten alten Zeiten.
Zur Autorin
Wer wie Judith Locher Mutter von drei Söhnen ist, schöpft aus einem großen Fundus, wenn es um das Thema "Männer im Alltag" geht. Mit Augenzwinkern und einer Prise feinem Humor teilt die Oberösterreicherin ihre Erlebnisse und Erkenntnisse auf www.weekend.at.