Weitwandern: Was ist das?
Höhenwege mit wunderschönem Panorama, glitzernden Bergseen und atemberaubenden Aussichten in die umliegenden Bergwelten gibt es in Österreich unzählige. Das Prägnante am Wandern von Hütte zu Hütte ist, dass man einmal aufsteigt, dann für fünf bis acht Tage am Berg bleibt und erst dann wieder den Abstieg ins Tal antritt. Nach fünf Tagen am Höhenwanderweg hat man schon fast vergessen, wie sich fahrende Autos anhören. Alles um einen herum wird plötzlich ganz leise, keine lärmende Stadt, keine Autobahnen voller Autos, keine Hektik, kein Stress und kein Alltag. Die einzigen Geräusche, welche man wahrnehmen kann, kommen von weidenden Schafen, von den eigenen Fußtritten am steinernen Weg oder wenn der Regen in der Nacht leise auf das Hüttendach prasselt. Kein Handy-Empfang, keine Ablenkungen, keine Reizüberflutungen – nur ich und meine Wanderschuhe.
Die Freiheit hautnah spüren
Bei Mehrtagestouren am Berg, wie zum Beispiel am Kreuzeck-Höhenweg, am Venediger Höhenweg oder am Karwendel Höhenweg wandert man entlang von massiven Felswänden, beeindruckenden Schluchten und wunderbaren Almwiesen. Wenn ich an das frisch gemähte Gras und dessen Geruch denke, fühle ich schon den Sommer in großen Schritten herannahen und die Freude auf Tage am Berg steigt merklich. Die unberührte Natur beim Bergsteigen wirkt auf die eigene Person. Auf der einen Seite beruhigend und auf der anderen Seite lässt sie einen mit Erstaunen zurück, so viel Schönheit und Anmut liegt in ihr. Sie muss niemandem gerecht werden und hegt keinen Anspruch an sich selbst, sie ist einfach so, wie sie nun mal ist, eindrucksvoll, spektakulär und bemerkenswert.
Beim Höhenwandern kann man sich mit dem ganzen Fokus auf die eigentliche Sache, das Wandern, konzentrieren. Einen Schritt vor den nächsten setzen und dem Tagesziel, das Erreichen der nächsten Berghütte, immer näher kommen. Im Moment leben, die kühle Brise wahrnehmen und die erstaunliche Stille genießen – das macht für mich den Reiz am Höhenwandern aus. Nicht an morgen oder gestern denken. Ganz im Hier und Jetzt sein und schauen, was sich um einen herum alles tut, denn die Tierwelt am Höhenweg kann vielfältig sein. Wenn man ganz viel Glück hat, erspäht man Gämsen oder auch den ein oder anderen Steinbock. Murmeltiere bekommt man nur selten zu Gesicht, dafür kann man sie aber von großer Entfernung dank ihrer Geräuschkulisse gut wahrnehmen.
Essenspausen sind wichtig
Wie schon erwähnt, ist die Besonderheit am Höhenwandern jene, dass man dazwischen nicht immer wieder ins Tal absteigt, sondern es vorkommen kann, dass man fünf oder mehr Tage am Berg verweilt. Das heißt, man verlässt in der Früh die Berghütte und kommt oftmals nach einer sechs- bis achtstündigen Wanderung zur nächsten Übernachtungshütte, um sich dort das wohlverdiente Abendessen schmecken zu lassen.
Dazwischen ist man essenstechnisch auf sich alleine gestellt, da für die Mittagspause meist keine Hütte für eine deftige Mahlzeit in greifbarer Nähe ist. Hier ist es bei Mehrtagestouren essenziell, dass man sich Essensvorrat einpackt, lieber mehr als zu wenig. Man muss hierbei auch darauf achten, dass es Lebensmittel sind, die untertags höheren Temperaturen ausgesetzt sind; Schmelzgefahr bei Käse kann vorhanden sein. Außerdem sollte die mitgebrachte Jause die fünf oder sieben Tage überdauern. In diesem Fall lohnt es sich, Aufstriche in Konservendosen zu besorgen und Brot einzukaufen, das auch am vierten Tag noch zum Verzehr geeignet ist. Weiters eignen sich nach eigener Erfahrung Hartkäse, Oliven, Nüsse, Fruchtpüree (Quetschies) und Müsliriegel aller Art.
Gute Vorbereitung ist alles
Auch die Ausrüstung, die Kleidung und den Wetterbericht für die gewählte Bergregion gilt es zu bedenken. Am Höhenwanderweg ist man den ganzen Tag im Freien unterwegs. Meist auch ohne Möglichkeit, um sich bei einem Sommer-Gewitter irgendwo unterstellen zu können. Höhenwanderungen sollten nur in die Tat umgesetzt werden, wenn der Wetterbericht stabiles Bergwetter vorhersagt, zumindest für untertags. Das ein oder andere Gewitter in der Nacht stört in der warmen Hütte nicht sonderlich.
Im Frühling ist die Gefahr von einem Wärmegewitter noch recht gering, dafür muss man damit rechnen, dass auch bis Mai oder Juni die Querung von Schneefeldern eine Möglichkeit darstellt. Grödel, Steigeisen und warme Kleidung sollten daher im Rucksack nicht fehlen. Aus eigener Erfahrung können zusätzlich ein wasserfester Beutel, in dem man die Kleidung im Rucksack verstaut und ein Behältnis für den Abfall nicht schaden. Auch der Hüttenschlafsack, ein paar extra Socken, Stirnlampe sowie Ohrstöpsel für einen genussvollen Schlaf im Lager sind ein „Must-have“ beim Abenteuer am Berg.
In diesem Sinne, das Bergparadies und seine unverwechselbaren Sonnenaufgänge warten auf dich und auch auf mich.
Zur Autorin
Wenn Carina Fanninger nicht gerade als Coachin im Einsatz ist, verbringt sie nach Möglichkeit jede freie Minute in der Natur und den Bergen. Als erfahrene Kennerin teilt sie ihre Leidenschaft und Tipps mit den Leserinnen und Lesern von www.weekend.at.