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Junge Frau mit Beauty-Filter
Beauty-Filter: Sie machen schönere Haut, vollere Lippen, größere Augen und zerstören damit das Selbstbewusstsein zig junger Frauen.
Beauty-Filter: Sie machen schönere Haut, vollere Lippen, größere Augen und zerstören damit das Selbstbewusstsein zig junger Frauen.
iStock.com/SolStock

Selfie-Dysmorphie: Die Gefahr der Beauty-Filter

16.02.2023 um 15:33, Cornelia Scheucher
min read
Instagram- und Snapchat-Filter sind alles andere als harmlos und ein gefährlicher Schönheitstrend.

Irgendwann hat Manuela (Name auf Wunsch von der Redaktion geändert) nichts anderes mehr gemacht als Selfies: Rund sechs Stunden pro Tag verbrachte die Mitte-20-Jährige damit, Fotos von sich zu schießen, durchzusichten und Makel zu finden, wo eigentlich gar keine waren. Hat das Gesicht gepasst, gab es plötzlich ein störendes Muttermal am Hals, eine zu kleine Brust oder Probleme mit dem Po. Am Zenit ihrer Erkrankung machte sie täglich bis zu 200 Selfies, mied das soziale Leben und traf sogar Dating-Partner nur mehr virtuell.

Filter statt Realität

Manuelas Geschichte ist schon längst kein Einzelfall mehr. Das Phänomen „Selfie-Dysmorphie“ betrifft immer mehr junge Frauen aus der Generation Z, also der Altersgruppe, die zwischen 1997 und 2012 zur Welt gekommen ist. Prinzipiell ist der Begriff leicht erklärt: Menschen wollen auch in der Realität so aussehen wie auf ihren mit Filter bearbeiteten Selfies. Dafür werden weder Kosten noch Mühen gescheut – der Aufwand erstreckt sich von minimal-invasiven Eingriffen bis zu aufwendigen Schönheitsoperationen. Laut der AAFPRS, der Amerikanischen Akademie für Plastische und Rekonstruktive Gesichts-chirurgie, haben schon im Jahr 2017 55 Prozent der Plastischen Chirurgen bestätigt, schon einmal Patienten gehabt zu haben, die Eingriffe durchführen lassen wollten, um besser auf ihren Selfies und Fotos auszusehen.

Früher wollten Frauen so aussehen wie ihre Schönheitsideale, etwa wie Heidi Klum oder Jennifer Lopez. Heute wünschen sie sich eine Veränderung, die teilweise nichts mehr mit der Realität zu tun hat.
– Simone May, Allgemeinmedizinerin mit Schwerpunkt auf ästhetischer Medizin und Mitbegründerin von MARA

Ernste Diagnose

Wobei man mit dem Begriff „Selfie-Dysmorphie“ vorsichtig umgehen muss, denn hierbei handelt es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung, die zu den Körperwahrnehmungsstörungen zählt und eine psychische Diagnose und Behandlung erfordert. Betroffene sind quasi süchtig nach Perfektion und beschäftigen sich ständig mit ihrem eigenen Aussehen und suchen nach etwaigen Fehlern.

Das Problem ist, dass Betroffene zum Plastischen Chirurgen gehen, statt sich die Hilfe zu suchen, die wirklich nötig wäre. Aber eine OP macht es nur noch schlimmer und sorgt für eine Fixierung auf das Thema. So entsteht ein gefährlicher Kreislauf. – Grazer Psychiater Martin Ecker

Wie es begann

Die Geschichte der Filter beginnt im Jahre 2013, als FaceTune auf den Markt kommt. Die App erlaubt Nutzern, ihre Selfies nach eigenen Wünschen zu bearbeiten und zu retuschieren. FaceTune landet in Windeseile auf Platz eins der App-Charts. 2015 launcht dann die Hype-App Snapchat die ersten AR-Face-Filter. Kurze Erklärung: AR steht für Augmented Reality. User können sich in Hunde, Katzen und Einhörner auf Regenbögen verwandeln, besonders beliebt sind aber auch sogenannte Beauty-Filter, die für größere Augen, schmalere Gesichter, schönere Haut und vollere Lippen sorgen.

Instagram Faces

Natürlich springt auch Instagram auf den Trend auf. Influencer, Stars wie Ariana Grande, die Kardashians oder die Hadid-Schwestern zeigen sich fortan in ihren Stories und auf ihren Profilen mit gefilterten Gesichtern – die Geburtsstunde der sogenannten „Instagram Faces“. Was diese ausmacht? Ein makelloses, quasi perfektes Aussehen. Dafür ist übrigens auch die russischstämmige Grafikdesignerin Sascha Soul verantwortlich. Ihre Kreationen für die App gelten als „Gold Standard“, zahlreiche der beliebtesten Instagram-Filter, beispielsweise „Shiny Foxy“ oder „Glam baby“, stammen von ihr.

Frau sieht ihr Gesicht im Spiegel an
Körper-Dysmorphien sorgen dafür, dass der eigene Körper anders betrachtet wird, als er eigentlich ist.

„Ich mag mich nicht“

Laut der Plattform Saferinternet.at, die mit ihrer Initiative „Jugend-Internet-Monitor“ Daten zur Social-Media-Nutzung von Jugendlichen in Österreich im Jahre 2022 erhoben hat, nutzen knapp 81 Prozent der 11- bis 17-Jährigen Instagram, rund 70 Prozent haben Snapchat. Der Einfluss der sozialen Netzwerke auf junge Menschen ist massiv. „Vor allem Mädchen und junge Frauen leiden enorm unter den Schönheitsidealen, die durch Social Media entstehen“, so Ecker.

In meiner täglichen Erfahrung zeigt sich, dass immer mehr Patientinnen ganzheitlich mit sich und ihrem äußeren Erscheinungsbild unzufrieden sind. Aus ästhetischer Sicht ist dabei in vielen Fällen allerdings kein Handlungsbedarf erkennbar. Dieser Wunsch nach totaler Veränderung ist äußerst bedenklich. – Medizinerin Simone May

Kritische Stimmen

Kritisiert wird auch die fehlende Individualität der „Instagram Faces“. Durch die Filter werden die Gesichter in ein Schema gepresst, plötzlich sehen alle gleich aus. Wer aus der neuen Norm tanzt, wird ausgegrenzt. „Social Media vermittelt eine Pseudo-Individualität. Jeder soll anders sein, dennoch sollen alle gleich aussehen. Das ist ein kompletter Widerspruch, der kommuniziert wird. In Wirklichkeit ist es eine Gleichmacherei“, so der Grazer Psychiater. Wie man sich am besten aus dieser Blase befreien kann? Indem man den Konsum reduziert, keine Filter mehr verwendet und nur den Personen folgt, die einem ein positives Gefühl vermitteln.

Selbsttest
Selbsttest: So verändern Filter unser Aussehen.

Erste Schritte

Ob Instagram- und Snapchat-Filter wirklich eine Dysmorphie auslösen können, ist noch nicht geklärt. Eine im US-Fachblatt „JAMA Facial Plastic Sugery“ erschienene Studie zeigt jedoch, dass es Zusammenhänge geben könnte. Fakt ist jedoch, dass Social Media und ein exzessiver Selfie-Wahn Störungen triggern und verstärken können. Instagram hat zumindest schon einmal auf Kritik reagiert: Mit Ende 2019 wurden Schönheits-OP-Filter verboten. „Plastica“, „Bad Botox“ oder „FixMe“ ließen Nutzer wie frisch aus dem Operationssaal aussehen – inklusive strichlierter Markierungen, die auf Problemzonen hinweisen, und blauer Flecken.

Zahlreiche TikTok-Stars und Influencer haben außerdem schon Gegentrends hin zu mehr Realität auf Social Media gestartet und zwar mit vollem Erfolg. Und auch Manuela ist auf dem Weg der Besserung. Sie hat sich in psychiatrische Behandlung begeben und beginnt langsam, aber sicher, wieder zu ihrer natürlichen Schönheit zurückzufinden. Weg vom unnatürlichen Ideal hin zur ungefilterten Wahrheit. Und wenn wir uns ehrlich sind, gibt es eigentlich nichts Schöneres.

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