Andreas Jäger: Der Mensch sitzt am Steuer der Klimakrise
Alpine Vegetation wandert bergwärts, Gletscher ziehen sich zurück, Permafrost taut in immer höheren Lagen – Die Lage ist dramatisch, aber nicht hoffnungslos, sagt der Experte:
Wann wurde Ihnen das erste Mal so richtig bewusst, dass wir dringend etwas gegen den Klimawandel tun müssen?
Der Jahrtausendsommer 2003 war so ein Schlüsselmoment, aber auch beim Schreiben meines aktuellen Buches war ich sehr nachdenklich – immerhin gab es im Frühjahr den Tornado in Tschechien, dann die Hitzewelle in Kanada, die riesigen Waldbrände in Russland, die Überschwemmungen in Deutschland. Wir dachten, dass erst die nächsten Generationen unter den Folgen leiden werden – aber so viel passiert bereits jetzt.
Klimawandel-Leugner führen dennoch ins Feld, dass der Sommer heuer z.B. alles andere als heißt war.
Ich verstehe nicht, dass es noch Klimawandelleugner gibt, aber ich akzeptiere es – auch wenn diese Gruppe inzwischen schwer geschlagen ist. Aber es gibt immer Unbelehrbare. Und ja, es war nicht warm – aber wir hatten wahnsinniges Glück, dass es nicht viel zu heiß oder zu nass war. Sonst hätten uns ähnliche Zustände wie in Deutschland geblüht. Und Fakt ist: vor 20 Jahren wäre das kein kühler Sommer, sondern ein durchschnittlich warmer gewesen.
Warum müssen wir etwas ändern?
Was wir aktuell erleben ist beispiellos. Wir haben kalte Zeiten erlebt, z.B. die kleine Eiszeit 1850, aber das ist das erste Mal, dass es immer wärmer wird – und wir uns Herausforderungen stellen müssen, die wir noch nicht ansatzweise einschätzen können. Kommen Murenverbauungen mit immer stärkeren Wolkenbrüchen zurecht? Was macht das mit unserer Tierwelt? Grillen hört man plötzlich auf über 1.000 Metern und Zecken gibt es nun auf 1.500 Metern. Was passiert mit dem Wald?
Dennoch: Die Botschaft des Buches ist: Noch ist es nicht zu spät.
Es gibt noch immer ein Zeitfenster, denn die aktuelle globale Erderwärmung ist noch nicht das riesige Problem. Wenn wir jetzt den Nagel reinhauen könnten, wäre sogar das Klima deutlich angenehmer als in den 80ern. Problematisch ist, was jetzt passiert. Deshalb müssen wir mit den Emissionen runter und das CO2 aus der Luft binden.
Welche Zeichen setzen Sie im Alltag gegen den Klimawandel?
Ich esse maximal alle 14 Tage Fleisch – der Energieverlust durch Futter, Flächennutzung und Methan ist nicht vertretbar. Und ich benutze Öffis oder fahre Rad wann immer möglich. Die Ironie ist ja: Fast alles, was dem Klima gut tut, ist auch für unsere Gesundheit gut. Außerdem installiere ich gerade eine Photovoltaikanlage am Dach.
Was braucht es noch zum Umdenken?
Ein erhobener Zeigefinger klappt nicht – das hat man bei der Gurtenpflicht und dem Widerstand dagegen gesehen. In die richtige Richtung lenken funktioniert besser – insofern ist die ökosoziale Steuerreform ein wichtiger Schritt. Meine Bitte: Sich nicht vor Anregungen zu verschließen. Der fossile Lebensstil war sehr erfolgreich, aber jetzt ist der Punkt, an dem wir diesen Weg verlassen müssen. Es gab viele praktische Gründe z.B. für Dieselautos, aber jetzt gibt es Elektromobilität, Carsharing, das Klimaticket. Und viele weitere Ideen warten.