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Klimaneutral
Firmen, die rechtzeitig in die Klimaneutralität investiert haben, werden heute doppelt belohnt.
Firmen, die rechtzeitig in die Klimaneutralität investiert haben, werden heute doppelt belohnt.
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Wie wird ein Unternehmen klimaneutral?

14.06.2022 um 11:55, Jürgen Philipp
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Firmen, die rechtzeitig in die Klimaneutralität investiert haben, werden heute doppelt belohnt. Doch wie wird ein Unternehmen überhaupt klimaneutral oder sogar klimapositiv? Zwei Beispiele, die zeigen, wie es geht.

Klaus Pichlbauer, Geschäftsführer von Innovametall in Freistadt, ist wohl einer der wenigen Menschen in Österreich, der beim Anblick der Energiekosten ein Lächeln im Gesicht hat. Denn in seinem Unternehmen läuft der Stromzähler rückwärts. Der energieintensive metallverarbeitende Betrieb produziert nämlich mehr Energie, als er verbraucht, und kann überschüssigen Strom verkaufen. „Ich war lange als Spinner verschrien.“ So nennt ihn nun keiner mehr. Seit zwölf Jahren arbeitet Innovametall bereits an einer praktikablen Lösung für die First and Last Mile. Innovametall baut unter anderem ­Fahrradabstellplätze, aber auch Systembalkone. Bei jedem einzelnen Produkt wird überlegt, wie es die Umwelt entlasten könnte. Pichl­bauer stellte sich daher logischerweise die Frage, wie das gesamte Unternehmen klimaneutral werden könnte. Gesagt, getan: Heute ist Innovametall klimapositiv. Ganz auf Gas verzichten kann der Betrieb zwar noch nicht, was aber mehr an den Anlagenherstellern liegt als am technisch Machbaren. „Bei der Pulverbeschichtung benötigen wir hohe Temperaturen. Von den Herstellern hieß es immer: Die Basis ist Erdgas. Wir wollen das aber künftig anders lösen.“ Pichl­bauer wählte einen radikalen Ansatz: Die komplette Energie wird mit Sonne und Wind erzeugt. „Egal ob Gas jetzt aus Russland oder sonst wo herkommt, das hat nie etwas Demokratisches, weil mir alles vorgeschrieben wird und ich das nicht beeinflussen kann.“

Statt Stromrechnung Stromgutschrift

Es gelang mit einer 2-MW-PV-­Anlage, die sogar einen Energieüberschuss erzeugt. „Wir bekommen keine Rechnung vom Energieversorger, sondern eine Gutschrift.“ Dennoch darf aus technischen Gründen nur ein Viertel des Überschussstromes ins Netz eingespeist werden. Was passiert mit dem Rest? Pichlbauer kaufte Elektroautos, nicht nur um den Mitarbeitern die Hin- und Rückfahrt zum Arbeitsplatz zu ermöglichen, sondern auch um sie als Puffer zu nutzen. Fehlt Strom im Unternehmen, werden die Autos zum eigenen Kraftwerk. „Dank der bidirektionalen Leitung können umgekehrt unsere Mitarbeiter mit dem Strom aus den Autos Kochen und Fernsehen. Die E-Autos sind Teil unseres Gesamtenergiesystems.“ Damit wird keine einzige Kilowattstunde vergeudet. Doch Pichlbauer „spinnt“ bereits weiter. Der Überschuss soll schon bald zur Erzeugung von grünem Wasserstoff dienen und somit konventionelles Gas gänzlich ersetzen. Für ihn ist das die globale Überlebensstrategie Europas im Kampf der weltwirtschaftlichen Blöcke schlechthin. „Die USA können wir in der IT kaum noch einholen und produziert wird in Asien. Was bleibt uns dann noch? Die Umwelttechnologie, sonst haben wir fast nichts mehr.“ Und da ist Europa, Österreich und vor allem Oberösterreich gut aufgestellt. Pichlbauer muss dabei nicht weit reisen. Ökofen liegt in direkter Nachbarschaft, kein Wunder, wenn die Betriebshalle über eine Kontraktlösung von Ökofen beheizt wird. „Es funktioniert, es ist alles da. Es war unser Antrieb, es zu beweisen und ein Exempel zu sein.“ Und das Ganze rechnet sich. „Wir zahlen nicht für Energie, wir verdienen daran. Bei den derzeitigen Preisen reden wir daher von einem ROI von ein paar wenigen Jahren.“

Wir zahlen nicht für Energie, wir verdienen daran. Bei den derzeitigen Preisen reden wir daher von einem ROI von ein paar wenigen Jahren.

CO2-Zertifikate: Lückenschluss zur Klimaneutralität

Doch wie wird man eigentlich klimaneutral? Diese Frage stellte sich der Großhändler für das Bau- und Baunebengewerbe Machacek in Wels. „Wir haben uns letztes Jahr entschlossen, als einer der Ersten in der Branche klimaneutral zu werden, wussten aber noch nicht ob und wie wir das erreichen“, schildert Geschäftsführer Markus Dietach. Man suchte einen Partner, der dabei unterstützt hat. Drei große Energietreiber standen im Fokus: ­Gebäude, Prozesse und Transport. „Die IST-Analyse zeigte uns Erkenntnisse auf, die uns vorher gar nicht so bewusst waren. Wir hätten nicht einschätzen können, wie viel wir emittieren.“ Aus der Analyse wurden Maßnahmen abgeleitet: Der Fuhrpark wurde elektrifiziert, LEDs eingebaut und das Dach der Firmenzentrale mit PV-Anlagen gedeckt. Danach wurde wieder gemessen. „Wir wussten genau, welche Restmenge wir noch haben, die wir noch nicht abdecken können.“ Vor allem der konventionelle Lkw-Fuhrpark lässt sich nicht ersetzen. Elektro- oder Wasser­stoff-Trucks sind noch nicht praktikabel genug.

Zertifikate im „Gold-Standard“

Dennoch wollte man die Restemissionen kompensieren und setzte auf den Zertifikatkauf. „Wichtig war uns, dass dieser Gold-Standards aufweist, den haben nur wenige Anbieter.“ Die Berechnungen wurden geprüft, validiert und die Rest-Emissionen mit Zertifikaten abgedeckt. Mit den Einnahmen durch den Zertifikatshandel werden Wälder aufgeforstet, Windparks errichtet oder Klimaprojekte unterstützt. „Wir können uns nun klimaneutral nennen, doch das Zertifikat ist zeitlich begrenzt, daher setzen wir weitere Maßnahmen, um unsere Emissionen zu senken.“ Für Dietach werden sich Unternehmen aller Art mit dem Thema auseinandersetzen müssen. „Das ist schon längst angekommen.“ Grünes Bauen sei aber ein unumkehrbarer Trend, der sich „schon bald vor allem in öffentlichen Ausschreibungen niederschlagen wird.“ Man ist also schon längst kein „Spinner“ mehr, wenn man sich Klimaneutralität auf die Fahnen heftet, denn es zahlt sich richtig aus.

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