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Whistleblowing
Whistleblowing: Letztlich geht es um das Fördern einer Feedback- und Risikokultur.
Whistleblowing: Letztlich geht es um das Fördern einer Feedback- und Risikokultur.
Siphotography / istock / Getty Images

Whistleblower: Verpetzer oder Helden?

21.02.2023 um 16:33, Klaus Schobesberger
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Das Hinweisgebergesetz muss von Unternehmen ab 50 Mitarbeitern umgesetzt werden. CHEFINFO sprach dazu mit einem Compliance-Experten mit Praxiserfahrung.

Edward Snowden, Panama-Papers oder WikiLeaks:  Bei „Whistleblowern“ denken viele sofort an große Skandale, an mutige Insider, die Beweise geliefert und ihre Vorgesetzten „verpfiffen“ („whistle“, engl., bedeutet „Pfeife“ oder „pfeifen“) haben. Mit der von der Europäischen Union im Herbst 2019 beschlossenen Whistleblower-Richtlinie haben diese spektakulären Fälle nur am Rande zu tun. Denn gemeinsam mit den künftigen Lieferketten-Sorgfaltsverpflichtungen der EU, das etwa Kinder- oder Sklavenarbeit in globalen Lieferketten von Unternehmen unterbinden soll, kommt das Thema Compliance nun endgültig in der österreichischen Wirtschaft an.

Schon wieder ein Beauftragter

„Compliance“-Regelwerke sind eine Art Beipackzettel für gesetzeskonformes Verhalten am Arbeitsplatz, das sich große Konzerne schon früh selbst verordnet haben. Der Erfolg war überschaubar. Unter dem Motto „gesehen, gelacht, gelocht“ vergilbten die Dokumente in den Büro-Ablagen. Es waren dann die großen Skandale in Deutschland wie die Korruptionsaffäre bei Siemens oder der Abgasskandal bei Volkswagen, die ein Umdenken auslösten. Zur Erinnerung: In Österreich konnte man vor 25 Jahren Schmiergeld noch von der Steuer absetzen. Seit dieser Zeit wurde das Netz an Regeln und Gesetzen immer dichter geknüpft. Anfang Februar wurde das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG), welches die Whistleblowing-Richtlinie (EU/2019/1937) in nationales Recht umsetzt, spät aber doch bei uns im Nationalrat beschlossen. Unternehmen ab 50 Mitarbeitern sind demnach verpflichtet, Whistleblower-Kanäle einzurichten, die Hinweisgeber schützen und eine Aufdeckung von Rechtsverstößen fördern sollen. Auf Klein- und Mittelbetriebe (KMU), die über keine Rechtsabteilungen wie Konzerne verfügen, wartet jede Menge Arbeit, und der erste Reflex – „Nicht schon wieder ein Beauftragter und noch mehr Bürokratie“ – scheint verständlich. 

 

 

Der Druck von außen nimmt zu 

„Es ist ein Irrglaube, dass Compliance zwingend mehr Bürokratie bedeutet. Sowohl das Whistleblower-Thema als auch das Lieferkettengesetz bieten Unternehmen Chancen, effizienter zu werden, Kosten zu minimieren und die erfolgreiche Umsetzung der Regeln als Marketinginstrument zu verwenden“, sagt Martin Reichetseder. Laut dem gelernten Rechtsanwalt und Group Compliance Officer eines oberösterreichischen Industrieunternehmens nimmt der Druck von außen zu, entsprechende Compliance-Strukturen zu implementieren – sofern Unternehmen dies nicht aus eigener Motivation tun. Weil Länder wie Deutschland bereits ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz haben, hat das auf Österreichs Zulieferbetriebe Auswirkungen. „In Wahrheit gibt es der Markt vor. Der Kunde verlangt es, weil auch in seinem Land die Bereitschaft steigt, es einzuführen“, sagt Reichetseder, der als Mitinhaber des Beratungsunternehmens fobi solutions mit der Lösung .LOUPE Betriebe bei der Einführung von Compliance-Systemen unterstützt. 

Martin Reichetseder, Loupe
Martin Reichetseder, Mitgründer von Loupe

Eine Frage des Mindsets 

Auch den Vorwurf, das HSchG fördere das Denunziantentum, lässt Reichetseder nicht gelten. „Das ist eine Frage des Mindsets. Compliance-Regeln können sowohl eine gute als auch eine schlechte Kultur zutage fördern. Unternehmen stecken den Rahmen ab und ermächtigen Mitarbeiter, zu handeln. Sie werden damit zu Risikomanagern“, sagt Reichetseder. Die Kosten für ein Whistleblower-System betragen zwischen 2.000 bis 8.000 Euro. Erforderlich ist die Implementierung vertraulicher mündlicher und schriftlicher Meldekanäle. Binnen sieben Tagen muss der Eingang bestätigt und binnen drei Monaten muss dem Hinweisgeber bekanntgegeben werden, was mit dem Eintrag gemacht wurde. Setzen Firmen die gesetzlichen Vorgaben nicht richtig um, drohen Strafen bis zu 20.000 Euro.

Richtig kommunizieren 

Firmen sollten auch aus Eigennutz ein Interesse daran haben, Risiken frühzeitig zu erkennen. Wer will schon von der Strafbehörde oder aus den Medien informiert werden? Letztlich geht es um das Fördern einer Feedback- und Risikokultur. Die Anwendungsbereiche im HSchG sind breit gefasst. Sie betreffen etwa Rechtsverstöße bei öffentlicher Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche oder Wettbewerb. „80 Prozent bei Compliance ist Kommunikation. Es geht um Schulungen, Awareness schaffen, Vertrauen bilden“, sagt Reichetseder. Der Compliance-Beauftragte müsse nicht Jurist, sollte aber eine Vertrauensperson und ein guter Kommunikator sein. Reichetseder selbst sei in dieses Thema „hineingerutscht“ und gilt heute als einer der führenden Compliance-Experten, der auch zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema, auch im Bereich Whistleblowing, verfasst hat.

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