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Philippe Aigner, Rechtsanwalt bei Aigner Nagl Rechtsanwälte, im Gespräch
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Philippe Aigner: Stiftungen statt Streitigkeiten

08.07.2024 um 11:31, Michael Schwarz
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Rechtsanwalt Philippe Aigner verrät, welche Gefahren bei der Unternehmensvererbung lauern und wann eine Stiftung sinnvoll sein kann.

CHEFINFO: Was sollte bei der Vererbung eines Unternehmens besonders beachtet werden?
Philippe Aigner: Oftmals ist das Unternehmen, neben einem Haus, der einzige größere Vermögenswert des Verstorbenen. Insbesondere wenn mehrere Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind, kann dies zu hohen Ausgleichsansprüchen des oder der Pflichtteilsberechtigten kommen, die weniger erhalten haben. Diese Forderungen können den Erben des Unternehmens unter finanziellen Druck setzen und sogar den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Diese Situation sollte daher soweit möglich noch zu Lebzeiten bedacht und mit den Erben/Pflichtteilsberechtigten geklärt werden. Es empfiehlt sich, Pflichtteilsverzichte zu vereinbaren.

Welche Herausforderungen treten bei mehreren Erbberechtigten häufig auf?
Aigner: Das größte Problem sind meiner Erfahrung nach Unstimmigkeiten unter den Erben. Währen der Erblasser eine konkrete Linie in der Führung des Unternehmens verfolgt hatte, können die Ansichten von mehreren Erben auseinanderdriften, was eine Lähmung des Entwicklungsprozesses des Unternehmens zur Folge haben kann. Wir erleben leider in der Praxis immer wieder, dass familiäre Streitigkeiten, welche auf das Unternehmen übertragen werden, sogar zu dessen Bankrott führen können. Eine Möglichkeit besteht darin, das Unternehmen an nur einen Erben zu vererben; in diesem Fall muss aber der oben erwähnte Pflichtteil mitberücksichtigt werden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Stiftung auf den Todesfall.

Gibt es Wege, sicherzustellen, dass das Unternehmen auch nach dem Ableben weitergeführt wird?
Aigner:
Grundsätzlich sind der oder die Erben des Unternehmens nach dem Tod des Erblassers die neuen Eigentümer und können daher mit ihrem Eigentum im Rahmen des rechtlich Erlaubten tun und lassen, was sie wollen. Zwar kann man im Falle eines Desinteresses am Unternehmen davon ausgehen, dass das Unternehmen als Ganzes verkauft wird, da ein lebendes Unternehmen mehr Verkaufserlös bringen wird als dessen Versilberung. Eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht. Wenn es dem Verstorbenen wichtig ist, dass das Unternehmen weitergeführt wird, so sollte er es an jemanden vererben, der Interesse am Unternehmen zeigt, oder in eine Stiftung einbringen. 

Philippe Aigner, Aigner Nagl Rechtsanwälte
Philippe Aigner, Aigner Nagl Rechtsanwälte

Sollte eine Erbschafts- und Schenkungssteuer eingeführt werden, so können Stiftungen auch steuerlich wieder Sinn machen.

Philippe Aigner, Aigner Nagl Rechtsanwälte

Wann macht eine Unternehmens­stiftung noch Sinn?
Aigner:
Seit der Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer sind Stiftungen aus der Mode gekommen, da sie keine oder nur noch verschwindend geringe steuerliche Vorteile ­bieten. ­Sollte jedoch, wie von manchen Parteien angedacht, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer eingeführt werden, so können Stiftungen auch steuerlich wieder Sinn machen. Aktuell kann durch eine Stiftung sichergestellt werden, dass sämtliche vom Stifter bedachten Personen begünstigt werden, das Unternehmen jedoch unter einheitlicher Führung und unter Außenvorhalten von Familienstreitigkeiten geführt werden kann. Um erbrechtlichen Problemen zuvorzukommen, muss ein vollständiges Vermögens­opfer erbracht werden. Das bedeutet im Wesentlichen nur, dass der Stifter auf das gestiftete Vermögen keinen Zugriff mehr haben darf. Dabei kommt es verständlicherweise oft zu Unsicherheiten beim Stifter und dessen Angehörigen. Ich habe deshalb dazu bereits vor zehn Jahren im Rahmen einer Forschungsarbeit am Institut für Unternehmensrecht der JKU Konzepte zur Aufrechterhaltung der Einflussnahmemöglichkeit der Begünstigten auf die Privatstiftung erarbeitet und seither weiterentwickelt, sodass sichergestellt werden kann, dass der Stifter und die Begünstigten dem Stiftungsvorstand nicht restlos ausgeliefert sind.  

Kann es nach dem Tod eines Unternehmenseigentümers zu einer Unterbrechung der Geschäftstätigkeit kommen? 
Aigner:
In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Situation nur bei einer Ein-Personen-GmbH wirklich zu Problemen führt. Wenn der einzige Gesellschafter zugleich der einzige Geschäftsführer ist, ist das Unternehmen nach dessen Tod vorerst handlungsunfähig. So kann es sein, dass Lieferanten, Kunden, Arbeitnehmer und so weiter auf Handlungen der GmbH warten müssen. Insbeson­dere wenn der verstorbene Geschäftsführer der einzige Zeichnungsberechtigte des Unternehmenskontos ist, führt dies zu einer unangenehmen Situation für alle Beteiligten. Dem wirkt man am besten durch die Erteilung einer Prokura oder von Handlungsvollmachten entgegen. Wurde dies verabsäumt, besteht nur noch die Möglichkeit, einen Notgeschäftsführer durch das Gericht bestellen zu lassen. Das Gesetz verlangt jedoch das Vorliegen eines dringenden Falls. Ohne unverzüg­liche Abhilfe müssen erhebliche Nach­teile für die Gesellschaft, ihre Gesellschafter oder für Dritte drohen. Deshalb gilt hier: besser Vorausplanen und für geordnete Verhältnisse sorgen.

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