Mit Schönheit zum Erfolg
Schöne Menschen sind erfolgreicher – das haben auch Männer längst erkannt. In ihren Badezimmerschränken türmen sich teils genauso viele Antifaltencremes wie in denen ihrer Partnerinnen. Auch mit kosmetischen oder sogar operativen Eingriffen der eigenen Schönheit etwas nachzuhelfen ist seit vielen Jahren nicht mehr nur ein Frauenanliegen. Die Zahl der Männer, die sich für mehr Attraktivität unter Messer oder Spritze legt, steigt stetig. Laut der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC) werden hierzulande mittlerweile bis zu 20 Prozent der kosmetischen Eingriffe an Männern vorgenommen – Tendenz steigend. Männer lassen am häufigsten chirurgisch eine Gynäkomastie korrigieren, wenn sich eine im Volksmund genannte „Männerbrust“ gebildet hat, die Oberlider straffen oder Haare transplantieren.
Attraktive werden bevorzugt
Je attraktiver ein Manager, desto erfolgreicher ist er – und mit dem Erfolg kommt auch das Geld. Das belegten in den vergangenen Jahren einige Studien. Laut dem Institut der Zukunft verdienen Gutaussehende um bis zu 20 Prozent mehr. Eva Sierminska vom IZA World of Labor sah sich dieses Phänomen in Deutschland näher an und kam zu folgenden Ergebnissen: Attraktivität steigert vor allem in jenen Branchen den beruflichen Erfolg, in welchen die Tätigkeiten eng mit dem Aussehen verknüpft sind, sprich bei einem Verkäufer oder Immobilienmakler macht seine äußere Erscheinung einen größeren Erfolgsunterschied als bei einem Informatiker. Das führe dazu, dass sich attraktive Menschen von vorneherein Jobs mit mehr sozialen Kontakten aussuchen. Unattraktive Menschen fühlen sich eher in Jobs wohl, in denen ihr Aussehen keine Rolle spielt. Sie beobachtete im Rahmen der Studie, dass unattraktive Mitarbeiter tatsächlich für denselben Lohn mehr Leistung bringen mussten als ihre „schönen“ Kollegen. Überraschenderweise fällt laut der Studie die Bevorzugung bei schönen Männern stärker aus (sie bekamen fünf bis sieben Prozent mehr Einkommen) als bei ihren schönen Kolleginnen (sie bekamen nur zwei bis vier Prozent mehr Einkommen als unattraktivere Frauen).
Gute Investition
Dass Schönheit bei Frauen auch einen gegenteiligen Effekt haben kann, zu dem Ergebnis kam das Luxemburger Institut für Arbeitsökonomie: Frauen, die schön sind, wird oft weniger zugetraut. Schöne Frauen haben es besonders in typischen Männerdomänen schwer. Die alten Klischees wirken laut Ökonom Bradley Ruffle immer noch stark: „In den Köpfen tragen Maschinenbauer keine Pumps und Ingenieure keine knalligen Lippenstifte.“ Auch das Gallup Institut hat Unternehmer gefragt, ob sie bei gleicher Qualifikation besser Aussehende lieber einstellen. Die Antwort: Drei Viertel würden den besser aussehenden Mann nehmen, zwei Drittel die besser aussehende Frau. Roswitha Hasslinger vom Gallup Institut weiß: „Speziell Leute, die ihre Karriere planen, sagen, die Investition in ihre Schönheit sei eine in ihre Karriere.“ Auch in einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie gaben drei Viertel der männlichen Befragten an, sie erwarteten durch einen Eingriff ein besseres Lebensgefühl – und 9,2 Prozent eine Verbesserung ihrer beruflichen Chancen. „Karrierechancen sind dann gesteigert, wenn innere und äußere Schönheit kongruent sind“, so ÖGPÄRC-Präsident Lars-Peter Kamolz. Das hängt laut dem Linzer Schönheitschirurgen Matthias Koller unmittelbar zusammen: „Leute mit guter Ausstrahlung haben sicher mehr Chancen im Job und generell im Leben. Die ästhetische Medizin kann helfen, dass man sich in seinem Körper wohlfühlt. Das wiederum kann ein Grundstein sein für die Ausstrahlung.“ Und damit für den Erfolg.
100.000 Eingriffe pro Jahr
Weltweit ist die Schönheitschirurgie ein Milliardenmarkt. Rund 25 Millionen kosmetische Eingriffe werden jährlich weltweit vorgenommen – mit einer durchschnittlichen Steigerungsrate von etwa 7 Prozent. „Der Gesamtmarkt wächst weltweit: In den nächsten sechs Jahren wird eine Steigerung von knapp 40 Prozent prognostiziert“, rechnet ÖGPÄRC-Präsident Kamolz vor. Rund 100.000 werden pro Jahr in Österreich gemacht und damit etwa 250 Millionen Euro umgesetzt. Etwa die Hälfte davon sind nicht operative Eingriffe wie etwa Botox-Behandlungen. Die Länderrangliste wird mit vier Millionen Eingriffen von den USA angeführt, gefolgt von Brasilien (2,6 Mio.), Japan (1,4 Mio.) und Mexiko (1,2 Mio.). Deutschland liegt mit knapp einer Million Eingriffen auf Platz sechs. Andere Länder andere Sitten.
Gratis-OPs in Brasilien
Während man sich in Österreich nach einem Eingriff eher versteckt, bis alles verheilt ist, und meist lieber gar nicht darauf angesprochen werden will, dass „man etwas hat machen lassen“, gehört in den USA ein Schönheitschirurg bei den Schönen und Reichen quasi genauso zum guten Ton wie ein Psychotherapeut. Auch in anderen Ländern werden aufgespritzte Lippen oder volle Brüste als Statussymbol gesehen. Für Matthias Koller liegt das daran, dass „etwa in Südamerika und den Ostblockländern eher ein unnatürliches Schönheitsideal vorherrscht. Dort will man sehen, dass eine Schönheits-OP stattgefunden hat. Das ist bei uns komplett anders: Hier stellt man das nicht zur Schau.“ Hier strebe man eher natürliche Ergebnisse an. In Brasilien wird seit vielen Jahren dafür gesorgt, dass die nicht billigen Operationen nicht nur der reichen Oberschicht vorbehalten sind, sondern alle ein Recht auf Schönheit haben: Immer mehr Kliniken bieten mittellosen Menschen Eingriffe zum Nulltarif an. Allein die Klinik der brasilianischen Gesellschaft für ästhetische Medizin in Rio de Janeiro hat seit ihrer Gründung 1997 mehr als 15.000 Patienten kostenlos behandelt. Denn hier weiß man um die Wirkung guten Aussehens auf die Psyche: Der brasilianische, mittlerweile verstorbene Schönheitschirurg Ivo Pitanguy wurde mit seinem Ansatz, dass Schönheitsbehandlungen eine ähnliche Wirkung wie Psychoanalyse hätten, zur Ikone.
Brust-Operationen auf Platz 1
Weltweit stehen die Brust-Operationen nach wie vor an erster Stelle der Rangliste der häufigsten Eingriffe. Doch generell ist das angestrebte Schönheitsideal von Kultur zu Kultur unterschiedlich: Frauen aus arabischen Ländern lassen sich oft die Nase verkleinern oder verschmälern. Bei Chinesinnen sind Beinverlängerungen beliebt. Die Brasilianer sind für Po-Implantate bekannt. In Korea lassen sich Frauen gerne Haare vom Kopf in den Schritt verpflanzen, weil hier üppiges Schamhaar als Zeichen der Fruchtbarkeit gilt. Auf Basis des Suchverhaltens von 65.000 Usern hat schoenheitsklinik.info die Vorlieben der Österreicher ermittelt. Die Glättung der Haut durch Faltenunterspritzung steht an Position eins. Verschönerungsobjekt Nummer zwei ist sowohl bei Frauen als auch bei den Männern die Brust. Frauen wollen sie meist vergrößern, Männer vergrößertes Brustgewebe entfernen lassen. Überdurchschnittliche Steigerungsraten wurden bei den Frauen in den Bereichen Lidkorrektur und Laserhaarentfernung sowie bei den Männern in den Bereichen Falten, Lid- und Nasenkorrektur festgestellt. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen war bei dieser Auswertung die Nachfrage am höchsten. Am gefragtesten waren Schönheitsoperationen übrigens bei den Wienern, gefolgt von den Salzburgern und Tirolern. Die Oberösterreicher und Kärntner dürften mit ihrem Aussehen demnach am zufriedensten sein. Erwin Oberascher, Geschäftsführer von schoenheitsklinik.info hat bei der Umfrage einen interessanten Nebeneffekt der Coronakrise erfahren: „So hat die Maskenpflicht dazu geführt, dass sich Menschen gerade jetzt für Schönheitsoperationen im Gesicht interessieren. Die Maske versteckt anfängliche Spuren einer gerade durchgeführten Operation. Auch durch Homeoffice und Kontaktreduktion ließen sich die vorläufigen Spuren eines Eingriffs gut verbergen.“ Andere sehen noch einen weiteren Grund für den starken Anstieg der Eingriffe während der Pandemie: den Zoom-Boom. Man starre acht Stunden am Tag bei Videokonferenzen in sein eigenes Gesicht. Das hätte vor allem bei Korrekturen im Gesicht für einen starken Anstieg gesorgt.
Junge wollen Instagram-Face
Das Streben nach einem Instagram-Face treibt vor allem viele junge Menschen an. Diesen Trend beobachtet auch Matthias Koller bei den 20- bis 25-Jährigen mit Sorge: „Man will bewusst unnatürliche Ergebnisse: große Lippen, Katzenaugen usw.“ Rund 100 Millionen Fotos und Videos werden jeden Tag bei Instagram hochgeladen – kaum eines ohne vorher mit einem Filter bearbeitet worden zu sein. Den Influencern helfen Bearbeitungstools, sich ins beste Licht zu rücken, sich eine spiegelglatte Haut, größere Augen oder kleinere Nasen zu verleihen. Kylie Jenner oder Kim Kardashian wurden damit berühmt. Das Programm Facetune, mit dem man Gesichter verschmälern oder Kieferkonturen perfektionieren kann, hat sich millionenfach verkauft. In der Werbung und in Modemagazinen werden Fotos seit Jahrzehnten retuschiert, jetzt kann es jeder Normalbürger. Der Psychologe Helmut Leder forscht an der Universität Wien zur Wahrnehmung von Schönheit. Er geht davon aus, dass Menschen jedes Gesicht abspeichern, das sie im Verlauf ihres Lebens zu sehen bekommen, daraus bildet sich ein Prototyp von Schönheit. In diesen Durchschnitt fließen derzeit auch immer mehr künstliche oder gefilterte Gesichter ein. Er sagt: „Man muss davon ausgehen, dass sich das Schönheitsideal derzeit so schnell verändert wie nie zuvor.“ Wer sich ständig mit geschönten Bildern vergleicht, betrachtet sich selbst kritischer – das haben Studien gezeigt. Deswegen gibt es auch längst vermehrt Gegenbewegungen im Netz, bei denen ungefilterte Bilder in Szene gesetzt werden, um sich bewusst mit vermeintlichen Makeln zu zeigen. Norwegen geht jetzt sogar einen Schritt weiter und will sich gegen die Scheinwelt in den sozialen Medien wehren: Im Juni soll vom Parlament ein neues Werbegesetz verabschiedet werden, das besagt, dass alle retuschierten Fotos als solche gekennzeichnet werden müssen.