Louis Vuitton: Vom Koffer zum Luxuskonzern
Luxus kennt keine Krise. Zumindest für Bernard Arnault nicht. Der 72-jahrige Franzose ist Vorstandsvorsitzender und Großaktionär von LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton S.A. Der größte Luxuskonzern der Welt schreibt wieder Rekordergebnisse, obwohl die Pandemie noch nicht ausgestanden ist. Die in der Vorwoche präsentierten Halbjahres-Zahlen übertrafen dank guter Verkäufe in China und in den USA nicht nur das schwache Corona-Jahr 2020, sondern toppten mit einem Rekordumsatz von 28,7 Milliarden Euro auch die Ergebnisse von 2019 (+11%). Der konzernweite Nettogewinn von 5,3 Milliarden Euro ist zehnmal höher als 2020 und liegt mit 62 Prozent über dem Niveau von 2019. 80 Marken vereint der Pariser Luxusdampfer LVMH in seinem Reich, darunter Louis Vuitton, Dior, Fendi, Bulgari, Givenchy, Veuve Clicquot Champagner oder Tiffany & Co. Das New Yorker Juwelierhaus wanderte um einen Kaufpreis von 15,8 Milliarden US-Dollar Anfang des Jahres endgültig unter das Dach von LVMH.
Geldmaschine Louis Vuitton
Die Geldmaschine des Konzerns bleibt aber Louis Vuitton, dessen Namensgeber heute vor 200 Jahren geboren wurde. Die Marke ist für ihre exklusiven Koffer, Lederhandtaschen und Accessoires bekannt. Sie bestreitet nahezu ein Viertel des Konzernumsatzes und trägt nach Schätzungen von Analysten 47 Prozent des Gewinns im LVMH-Konglomerat bei. Am 4. August 1821 kam Louis Vuitton als Sohn eines Müllers in einem französischen Ort zur Welt. In Paris erlernte er den Beruf eines Koffermachers. Kutschen, Dampflokomotiven und Dampfschiffe – Reisen für Wohlhabende waren im Trend. Und Vuitton nutzte die Gunst der Stunde. Er entwickelte Koffer, die sich besonders gut stapeln ließen und designte Stoffe mit dem berühmten Schachbrettmuster. Mittlerweile ist Louis Vuitton auch die meistgefälschte Marke der Welt.
Preis der Aktie steigt und steigt
Wie viele Marken haben noch Platz? „Wir stehen erst am Anfang“, sagt Arnault. Zuletzt schnappte sich LVMH die deutsche Kultmarke Birkenstock. Die Aufwärtsentwicklung ist seit der Übernahme durch Bernard Arnault vor mehr als 30 Jahren jedenfalls atemberaubend. Der Aktienwert hat sich in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht. Die jährlichen Steigerungsraten der Dividenden betrugen im selben Zeitraum 22 Prozent. Mit einer Marktkapitalisierung von 346 Milliarden Euro ist LVMH inzwischen das wertvollste Börsen-Unternehmen Europas. Arnault hält mit seiner Familie 46,5 Prozent der Aktien und ist laut Medienberichten aktuell reicher als Amazon-Gründer Jeff Bezos. Der Unternehmer und Kunstmäzen wuchs im Norden Frankreichs auf und wollte ursprünglich Konzertpianist werden. Er beugte sich dem Willen des Vaters, absolvierte eine Eliteschule für Ingenieurwesen und stieg dann im Alter von 25 Jahren ins elterliche Bauunternehmen ein, das sein Großvater in der Stadt Roubaix gegründet hatte. Der Jungspund zog nach New York, um eine eigene Unternehmenssparte im Übersee aufzubauen. Dort hatte er sein Schlüsselerlebnis, das ihm den LVMH-Virus einbrachte. In Manhattan fragte er einen Taxifahrer, ob er den französischen Präsidenten Georges Pompidou kenne? „Nein“, antwortete dieser, „aber ich kenne Christian Dior.“
Wolf im Kaschmir-Mantel
Arnault wollte ein Unternehmen mit französischen Wurzeln und internationaler Bedeutung schaffen. 1984 war es soweit: Christian Dior war pleite und stand zum Verkauf. Der smarte Bauunternehmer aus dem staubigen Industriekaff stellte 15 Millionen Euro an Familiengeldern auf, der Rest für den Kaufpreis von 80 Millionen Euro kam von der US-Investmentbank Lazard. Der Regierung sicherte er Berichten zufolge zu, die Arbeitsplätze zu halten und die Geschäfte fortzufuhren. Stattdessen feuerte er 9.000 Mitarbeiter und erlöste 500 Millionen Euro mit dem Verkauf des Firmensilbers. Diese eher unfranzösische Vorgehensweise trug dem Sanierer den Spitznamen „Wolf im Kaschmir-Mantel“ ein. Sein nächstes „Opfer“ war die Dior-Parfum-Sparte, die an Louis Vuitton Moet Hennessy verkauft wurde. 1990 übernahm er, wieder mithilfe Lazards, auch dieses Traditionsunternehmen gegen den Willen der Vuitton- und Hennessy-Familienmitglieder. Nach weiteren Zukäufen von europäischen Luxusmarken traditioneller Familienunternehmen entstand der börsennotierte Konzern LVMH.
Größe macht Sinn
Der weltweite Umsatz mit Luxusgütern wie Uhren, Schmuck oder Hermes-Schals steigt seit 1996 um jährlich sechs Prozent. Nur im Lockdown-Jahr gab es einen Knick. Das Volumen schrumpfte von 281 Milliarden Euro (2019) auf das Niveau von 2014 mit 217 Milliarden Euro. Ein Drittel aller Käufer sind inzwischen Chinesen. Größe macht Sinn. Sie bedeutet in einer Branche mit hohen Fixkosten für Marketing und hohen Mieten in besten Lagen Mehrumsatz und eine bessere Marge. LVMH erzielte in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahezu die doppelte Wachstumsrate als die Gesamtbranche. Arnaults Glitzerkonzern ist dreimal größer als die schärfsten Mitbewerber Kering (Francois-Henri Pinault, Paris) und Richemont (Schweiz). Unabhängigkeit zu bewahren à la Chanel, Rolex oder Swarovski ist fast schon ein Luxus in der Luxusbranche.