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Linzer Puppentheater
Drei Generationen erfüllen die Tradition des Puppentheaters mit neuem Leben: Gründerin Christa Koinig (Mitte), ihre Tochter Bettina Bayr-Gschiel (rechts)&nbsp…
Drei Generationen erfüllen die Tradition des Puppentheaters mit neuem Leben: Gründerin Christa Koinig (Mitte), ihre Tochter Bettina Bayr-Gschiel (rechts)&nbsp…
Junge Digitale

Linzer Puppentheater: Traditionsfigur in Frauenhand

24.06.2021 um 10:00, Cordula Meindl
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Vor über 50 Jahren gründete Christa Koinig eine Linzer Institution: Im September 1970 fand die erste Vorstellung des Linzer Puppentheaters statt. Mittlerweile lassen drei Generationen hinter der Bühne die Puppen tanzen.

CHEFINFO: Kann man das Linzer Puppentheater als Traditionsunternehmen bezeichnen?

Christa Koinig: Wenn etwas Tradition hat, dann ist es der Kasperl. Den gibt es schon seit ein paar Hundert Jahren. Unser Theater hat auch insofern Tradition, als es sich ja in der Familie weiterentwickelt hat. Wir sind aber kein Unternehmen im eigentlichen Sinn, das Puppentheater ist ein Verein.

CHEFINFO: Wie ist die Idee zum Puppentheater entstanden?

Koinig: Ich habe zum 3. Geburtstag meiner Tochter mit ein paar Freunden ein Kasperltheaterstück gespielt und uns hat das so getaugt, dass wir gemeint haben, dass wir das öfter machen wollen. Zumal es damals nichts anderes gegeben hat. Es hat nur die Salzburger Puppenspiele in Linz gegeben, aber die haben das alte, traditionelle Kasperltheater gespielt, wo der Kasperl dem Teufel den Kopf abreißt und ihn in den Kochtopf hineingibt und wo das Krokodil wirklich gedroschen worden ist. Da wollten wir etwas anderes spielen. Die Figuren sind schon die klassischen Figuren. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass der Kasperl und der Seppy, der sich bei uns mit „y“ schreibt, weil er es so will und der Drache Basti die Lieblingsfiguren der Kinder sind. Er hat übrigens schon vor der Wahl unseres Kanzlers Basti geheißen.

CHEFINFO: Wie sind Ihre Tochter und Enkeltochter zum Puppenspielen gekommen?

Koinig: Meine Tochter ist damit aufgewachsen. Ich habe jedes Wochenende gespielt und sie immer dabeigehabt. Und irgendwann wollte sie selbst mitspielen und hat ihre erste ­Rolle bekommen. Später ist meine Tochter in die Politik gegangen und konnte nicht mehr im Puppentheater arbeiten. Ich bin dann schon irgendwann vor der Entscheidung gestanden, ob ich das Puppentheater aufgebe und was ich machen soll, wenn ich in Pension gehe. Es war wirklich ein Glücksfall, dass meine Enkelin damals gesagt hat, sie möchte auch mitmachen. Mittlerweile spielt auch meine Tochter wieder mit. Es war nicht so, dass ich gesagt habe, ich bin da jetzt die Chefin und meine Tochter bzw. meine Enkelin müssen das übernehmen. Es hat sich alles so entwickelt und darüber bin ich sehr glücklich.

CHEFINFO: Wie schwierig ist es, die Stücke zu schreiben?

Koinig: Es ist beinahe so wie im großen Theater, wir haben auch genaue Drehbücher. Wir überlegen bei jedem einzelnen Wort sehr genau, ob man es so schreiben kann oder nicht. Unsere Figuren müssen in jeder Hinsicht ein Vorbild dafür sein, wie man miteinander umgeht und wie man Konflikte löst. Man kann noch so frech sein, aber die Figuren müssen miteinander fair umgehen, der Kasperl darf auch die Hexe nicht beschimpfen. Er sagt nie „du böse Hexe“ oder „du blöde Hexe“. Obwohl von den Kindern schon manchmal ziemliche Kraftausdrücke kommen – aber das überhören wir einfach.

Zitat Christa Koinig

CHEFINFO: Wie findet man die aktuellen Themen?

Koinig: Ich habe immer das Glück gehabt, dass ich bei meiner Tochter und ihren Freunden mitbekommen habe, was sie gerade bewegt. Dann bei meiner Enkelin und jetzt sind es meine Urenkel. Und daraus habe ich dann ein Stück gemacht. Die Themen haben sich auch nicht gravierend verändert. Kinder sind eigentlich immer Kinder. Sie sind wissbegierig, neugierig, begeisterungsfähig – und sie sind empathisch, sie identifizieren sich sofort mit den Guten. Wobei man sagen muss, bei uns gibt es nichts wirklich Böses, die Hexe ist einfach nur eitel und der Zauberer dumm.

CHEFINFO: Wie kann sich der Kasperl gegen YouTube & Co durchsetzen?

Koinig: Ich glaube, dass das keine große Konkurrenz ist für uns, weil wir lebendig sind und die Kinder das total lieben. Die sitzen lieber hier, reden mit den Figuren und helfen ihnen bei ihren Abenteuern. Es sind bei unseren Stücken immer Stellen dabei, wo die Kinder etwas gefragt werden oder sich einbringen können. Am Schluss haben sie immer das Gefühl, dass es ohne ihre Hilfe nicht gut ausgegangen wäre. Diese Lebendigkeit gibt es weder beim Fernsehen noch bei YouTube, da kann man nur schauen.

CHEFINFO: Was motiviert Sie?

Koinig: Dass man den Kindern eine schöne Zeit bereiten kann, dass man ihnen und ihren Eltern eine unbeschwerte Stunde schenken kann.

CHEFINFO: Und Sie haben auch Spaß daran?

Koinig: Natürlich! Wir Spielerinnen haben uns, glaube ich, nach dem Lockdown mehr aufs Spielen gefreut als die Kinder aufs Zusehen. Wir waren so froh, dass wir wieder gemeinsam spielen können, weil wir dabei so eine Gaudi haben im Hintergrund.

CHEFINFO: Wie schwierig ist es, das Puppenspielen zu erlernen?

Koinig: Eigentlich nicht schwierig. Man muss körperlich aber schon fit sein, weil man mit den Handpuppen immer mit den Armen nach oben gestreckt spielt. Das ist durchaus anstrengend. Dann müssen natürlich ein paar grundsätzliche Dinge beachtet werden, eine Puppe kann z.B. nie von unten auftauchen, sondern kommt von der Seite. Man muss auch üben, wie sich die einzelnen Figuren bewegen, z.B. welche Bewegungen der Zauberer macht. Jede Puppe hat ihren eigenen Charakter. Alle Spielerinnen haben auch eine Sprechausbildung. Da muss man schon sehr viel üben, weil wir ja auch die Stimme verstellen müssen, damit nicht alle Puppen gleich klingen.

CHEFINFO: Sind Ihre Urenkel auch an der Puppenbühne interessiert?

Koinig: Ja, sie haben auch Puppen bekommen und spielen zu Hause mit Begeisterung Puppentheater. Bei unserer Bühne direkt sind sie aber nicht aktiv. Ich würde mich natürlich schon sehr freuen, wenn sie einsteigen.

 

ÜBER CHRISTA KOINIG

Die Idee zum Linzer Puppentheater entstand am dritten Geburtstag von Bettina Bayr-Gschiel: Für das Geburtstagskind und seine Freunde veranstaltete Christa Koinig ein eigenes Puppentheaterstück. Im September darauf feierte das Linzer Puppentheaters (damals „Erste Linzer Puppenbühne“) Premiere. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahre eine Institution, die viele Generationen an Kindern begeisterte. Seit 1990 ist das Linzer Puppentheater Bestandteil des Kinderkulturzentrums Kuddelmuddel. Seit über 50 Jahren ist Christa Koinig Herz und Seele des Puppentheaters, schreibt die Geschichten und fertigt die Kulissen und Puppen selber an. Von 1989 bis 2009 war Koinig Leiterin des Kinderkulturzentrums Kuddelmuddel. 1998 etablierte sie die Kinderklangwolke und war achtmal für deren Durchführung verantwortlich. Sie ist Autorin von Theaterstücken, Kinderbüchern und einer wöchentlichen Zeitungskolumne. Als Puppenspielerin ist sie mittlerweile nicht mehr aktiv, aber sie steuert die Geschehnisse auf der Bühne vom Regiesessel aus und übernimmt verschiedene Sprechrollen. Mehr als 300 Puppen, vom Kasperl bis zum Seppy und dem Drachen Basti hat Koinig selbst angefertig, aber auch Schlösser, Wälder oder Brunnen für die Bühne – oder auch ein Handy für den Kasperl. Bis vor kurzem waren vier Generationen an Frauen im Puppentheater aktiv – Christa Koinigs Mutter Rosa Koinig war bis zu ihrem Tod im Jänner 2021 als Ehrenpräsidentin bis zuletzt eine aktive Unterstützerin des Puppentheaters.

 

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