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OBERÖSTERREICHISCHE NACHRICHTEN / VOLKER WEIHBOLD

Katholische Kirche: Innovation und Spiritualität

28.05.2024 um 09:56, Klaus Schobesberger
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Die Kirche zeigt wieder Mut und realisiert mit dem "Campus der Zukunft" ein architektonisch und inhaltlich eigenwilliges Leuchtturmprojekt.

Johann Hintermaier holt einen schweren, prall gefüllten Ordner aus dem alten Schrank seines Büros am Bischofshof in der Linzer Altstadt. Der für bauliche Angelegenheiten zuständige Bischofsvikar hat darin den Ablauf eines Bauprojekts dokumentiert, das für die römisch-katholische Kirche in Oberösterreich alle bisherigen Dimensionen sprengt. 70 Millionen Euro sind für das Bauprojekt auf dem Areal der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz veranschlagt. Wahrscheinlich werden es deutlich mehr. Denn das 1975 eingeweihte Gebäudeensemble ist baufällig und zur Gänze denkmalgeschützt. Seit Jahren müht sich die Kirche als Eigentümerin mit der baulichen Neuausrichtung ab – und fasste einen kühnen Plan. Auf der Liegenschaft am Linzer Freinberg soll ein „Campus der Zukunft“ entstehen, der pädagogische Berufe, Theologie, Philosophie und Kunstwissenschaft, Sozialbetreuung sowie ­Sozialpädagogik umfasst. Die Katholische Privat­universität mit Sitz in der Linzer Bethlehemstraße soll in den Bildungscampus ebenso übersiedeln wie deren riesige Diözesanbibliothek mit 500.000 Bänden. Es soll ein sinnstiftendes „Leuchtturmprojekt“ für alle werden, ein notwendiger Ausgleich zur seichten Technologiegläubigkeit. Dafür hat die Kirche auch prominente Fürsprecher wie den ehemaligen JKU-Rektor Meinhard Lukas gewinnen können. Der nennt es einen Glücksfall für Linz, weil es um die Zukunft der jungen Generation geht und „das menschliche Maß im Fortschritt ein Gebot unserer Zeit ist“.

Zukunfts-Campus
Noch ein Zukunfts-Campus für Linz: Die Kirche konzentriert sich auf ihre Kernkompetenz des Sinn-Stifters und setzt im Bildungsbereich kontrazyklische Impulse. 70 Millionen Euro sollen in das Projekt am Freinberg fließen

Statement für das 21. Jahrhundert
Wenn die Kirche neben ihrem geistlichen und sozialen Wirken in einem Bereich Erfahrung hat, dann ist es das Bauen und Sanieren. Hunderte ­kleine und größere Bauprojekte hat die Diözese aktuell laufen. Ihre wertvoll­ste und sichtbarste „Dauerbaustelle“ ist der Linzer Mariendom. Das neugotische Sakralgebäude wurde nach 62-jähriger Bauzeit vor 100 Jahren fertiggestellt, finanziert ausschließlich durch Spendengelder des Dombauvereins. Es war damals das größte Bauprojekt Europas. „Die Kirche war in Bedrängnis, fühlte sich gesellschaftlich zusehends an den Rand gedrängt. Der streitbare Bischof Rudigier wollte daher mit dem Dombau ein Zeichen für Innovation und Spiritualität setzen. Linz hatte damals 25.000 Einwohner und die größte Kirche Österreichs. Das war schon ein Statement“, erklärt Hintermaier. Die Parallelen zu heute sind greifbar. Die Kirche sieht ihren Einsatz für die Gesellschaft nicht ausreichend gewürdigt, will öffentlich mehr mitreden und wahrgenommen werden – und besinnt sich mit dem Bildungscampus auf ihre Kernkompetenz des Sinn-Stifters. Mit den Plänen des Siegerprojekts des Architekten Thomas Pucher, das zeitgeistig einen smarten Zubau in die Höhe mit nachhaltigen Materialien vorsieht, soll auch ein Statement für das 21. Jahrhundert sein.

Linzer Kapuzinerkloster
Die Kirche braucht Geld und verkaufte Sakralbauten wie das Linzer Kapuzinerkloster. Private Investoren errichten Wohnungen, Büros und Eventlocations.

Der Reichtum der Kirche ist relativ
Rund die Hälfte seiner Arbeitszeit verbringt Hintermaier, der auch Domkustos und im Vorstand des Dombauvereins ist, mit Baubesprechungen, Planungen, Machbarkeitsstudien und Kalkulationen. „Manche fragen mich, wozu ich Priester geworden sei? Aber warum soll ein Priester das nicht machen?“ Der Geistliche stammt aus einem Tischlerbetrieb aus der kleinen Innviertler Gemeinde Altheim ab. Er ­erlernte das Tischlerhandwerk und sollte die Firma übernehmen. „Als ich meinem Vater sagte, dass ich Theologie studieren möchte, wurde er ganz blass und musste sich setzen.“ Die Bodenständigkeit und die Fertigkeiten des Handwerkers kommen Bischofsvikar als „Bau-Manager Gottes“ heute zugute. Rund 4 Prozent des Budgets von zuletzt 131 Millionen Euro fließen jährlich in Bauprojekte. Nach der Erzdiözese Wien ist Oberösterreich der zweitgrößte Kirchendistrikt der Republik. Im Unterschied zu Frankreich oder Deutschland, wo die Kirche nach den Revolutionen kalt enteignet wurde, verfügen die Diözesen in Österreich über einen ansehnlichen Besitz. Aber die Erhaltung kostet Geld und der Return on Investment ist meist ideeller Natur. „Der Reichtum der Kirche ein relativer“, folgert ­Hintermaier. Der Tourismus in Österreich würde ohne die Erhaltung der kirchlichen Gebäude leiden, „ein Stück öffentliche Subvention zu erhalten ist daher gerechtfertigt“. Aufgrund des Mitgliederschwunds ist die Finanzlage angespannt. Die Diözese fährt aktuell ein Sparprogramm, das alle Einrichtungen betrifft. Der ­höchste Kostenanteil im Budget: die Mitarbeiter. Die Personalkosten liegen bei 80 Prozent. Lohnerhöhungen und Inflation treffen die Kirche, die ein Drittel aller Kindergärten in Oberösterreich betreibt, wie jeden anderen Dienstleistungsbetrieb. Die mit Abstand größte kirchliche Einrichtung ist die Caritas, die in Oberösterreich rund 3.300 Leute beschäftigt. 

131 Millionen

Warnung für die Pilger auf Erden
Nicht alle Immobilienobjekte kann die Kirche in ihrem Besitz behalten, weil der Erhaltungsaufwand zu groß wäre. Vor einige Jahren wurde das Kapuzinerkloster säkularisiert. Bis Ende des Jahres entstehen auf der Liegenschaft Wohnungen und Büros. Der Bischofshof selbst ist ein architektonisches Juwel, der wohl nicht so rasch hergegeben wird. Der Barockbau wurde nach den Plänen des bedeutenden Architekten Jakob Prandtauer für das Stift Kremsmünster errichtet und dient seit 1785 dem Linzer Bischof als Residenz. Im Durchgang, der in den lang gezogenen Garten des Anwesens führt, stehen vier ritterliche Skulpturen mit Inschriften, die dem Pilger auf Erden als Warnung dienen sollen: „Olet Superbia“ (Hochmut stinkt), „Odin Nvidia“ (Neid hasst) „Ne Credito“ (Vertrau nicht!) und „Nil Frustra“ (Nichts vergeblich). Hintermaier weist auf den Begriff „Frustrierte Kosten“ als Gefahr in seiner Tätigkeit hin. So werden im Allgemeinen Aufwendungen bezeichnet, die durch ein unvorhergesehenes Ereignis, das außerhalb der Kontrolle der beteiligten Parteien liegt, nicht den erwarteten Nutzen bringen. Etwa die Entwicklungskosten für ein Immobilienprojekt, das am Ende nicht realisiert wird. Oder kurz gefasst: Außer Spesen nichts gewesen. Der Bischofsvikar weist im Interview (siehe nächste Seite) darauf hin, dass das Campus-Projekt noch nicht in trockenen Tüchern ist und eine Stiftung ganz nach dem Spendenmodell des Mariendoms ins Leben gerufen wird.

Mariendom
Größte Kirche Österreichs: Der Mariendom feiert heuer 100 Jahre. Es war die damals größte Baustelle Europas

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