Grüne Revolution - Und es bewegt sich doch etwas
Die grüne Energierevolution sei in vollem Gange „und sie ist unumkehrbar“, schreibt ein deutscher Leitartikler fast wie zum Trotz gegen die schlechte Stimmung in seinem Land an. Da hat er wohl recht. Und was für Deutschland gilt, hat auch für Österreich seine Richtigkeit. Es ist der menschliche Erfindergeist, der eine neue Epoche einleitet – oft abseits des Scheinwerferlichts politischer Großveranstaltungen wie der am 12. Dezember in Dubai zu Ende gegangenen UNWeltklimakonferenz COP28. Ob die Tage im ölreichen Gastgeberland nur Zeitverschwendung und heiße Luft gewesen sind oder diplomatische Meilensteine für gemeinsame Maßnahmen errungen wurden, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wird sich kurzfristig nur schwer beurteilen lassen. Denn am Ende des Tages werden mit den verlautbarten Zielen bloß politische Absichtserklärungen abgegeben – ohne Verbindlichkeit und ohne Sanktionsmöglichkeiten. Fast erscheint es wie eine Parallelwelt, wenn die Internationale Energieagentur (IEA), eine Organisation, die nicht unbedingt bekannt ist für einen überschwänglichen Optimismus, einen positiven Ausblick veröffentlicht: Der phänomenale Aufstieg sauberer Energietechnologien wie Solarkraft, Windkraft, EAutos und Wärmepumpen werde verändern, wie wir alles antreiben – von Fabriken und Fahrzeugen bis zu Haushaltsgeräten und Heizsystemen. 2030 werden saubere Energien mit knapp 50 Prozent erheblich stärker im Strommix vertreten sein als heute; derzeit machen sie einen Anteil von etwa 30 Prozent aus. Konkret prognostiziert die Behörde mit Sitz in Paris, dass in sechs Jahren etwa zehn Mal so viele Elektroautos auf den Straßen fahren. Und Photovoltaik soll dann mehr Elektrizität generieren als aktuell das gesamte USStromsystem. „Und es bewegt sich doch etwas“, hätte der moderne Galileo Galilei ausgerufen.
Große und kleine Transformationen
Transformation ist ein politisches Buzzword. Der sichtbare Fortschritt ist vielfach Entscheidungen geschuldet, die in Vorstandsetagen der Konzerne getroffen werden. Mit weitreichenden Folgen für uns alle. Ein Beispiel: Das 1,5 Milliarden Euro schwere Projekt „greentec steel“ der voestalpine AG ist eine Art Operation am offenen Herzen. In Linz und Donawitz werden während des laufenden Betriebs zwei der fünf Hochöfen durch (mit grünem Strom) betriebene Elektrolichtbogenöfen ersetzt. In drei Jahren sollen die CO2Emissionen der voestalpine um 30 Prozent gesenkt werden, was gesamtösterreichisch um 5 Prozent weniger Treibhausgase bedeutet. Bis 2050 will der Stahlkonzern klimaneutral sein. Für die global tätige Industrie werden die Karten gerade neu gemischt. Sie muss sich „transformieren“ und gleichzeitig bei steigenden Energie- und Lohnkosten wettbewerbsfähig bleiben. Das könnte für erhebliche wirtschaftliche und geopolitische Verschiebungen im globalen Machtgefüge sorgen. Was an der Rolle Chinas liegt.
Zwei Kohlekraftwerke pro Woche
Ohne großes Aufsehen und mit viel staatlicher Unterstützung sind chinesische Unternehmen heute weltweit führend in genau jenen Bereichen, die das Herzstück der Energiewende ausmachen: Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft, Lithiumbatterien und Elektroautos. China dominiert entweder die Sektoren oder die Lieferketten, die sie unterstützen. Es ist paradox, wie so vieles: Der größte Umweltverschmutzer der Welt, der doppelt so viele Treibhausgase ausstößt wie die USA, ist zum Motor der grünen Revolution geworden. China errichtet im Schnitt zwei neue Kohlekraftwerke pro Woche und baut gleichzeitig ein riesiges Solarkraftwerk mitten in der Mongolei – dort, wo sonst Kohle gefördert wird. Sonne, Wind und Wasserkraft tragen in China inzwischen mit 28 Prozent zur Stromerzeugung bei. Und der Ausbau soll rasant weitergehen. In diesem Jahr will China Wind- und Solarkraftanlagen mit einer Kapazität von 160 Gigawatt installieren, ein neuer jährlicher Rekord. Im vergangenen Jahr betrug der Zuwachs bei Wind und Solarkraft 125 Gigawatt. Laut einer Prognose von Standard & Poor’s Global wird China 2050 62 Prozent seines Stroms durch erneuerbare Energien erzeugen.
China ist schwer am Vergolden
Die Ziele der Weltklimakonferenz zur Emissionsreduzierung mögen gut für den Planeten sein – noch besser sind sie allerdings für die chinesische Wirtschaft. Staatschef Xi Jinping hat kurz vor der COP26 in Glasgow den Aktionsplan für die Senkung der chinesischen CO2Emissionen vorgestellt und ihn mit seinem „Konzept der zwei Berge“ verbunden. Dem zufolge sind „grüne Berge und klares Wasser genauso wertvoll wie Berge aus Gold und Silber“. Derzeit ist China schwer am Vergolden. Chinesische Unternehmen produzierten im vergangenen Jahr mehr als drei Viertel der weltweiten Solarpaneele. Fast zwei Drittel des weltweiten Bedarfs für LithiumIonenBatterien für Elektroautos kommen aus China. Laut einem Strategiepapier der EU ist Europa dabei, bei Batterien und Brennstoffzellen von China genauso abhängig zu werden, wie es bei Gas mit Russland der Fall war. Bei EAutos wurde China vom Nachahmer zum Innovator und behauptet sich dank üppiger Staatshilfen in diesem Segment als globaler Marktführer. Fast 10 Prozent beträgt der Anteil chinesischer EAutos in Westeuropa, darunter SAICMotor, BYD oder Geely. Letzterem gehört der schwedische Autohersteller Volvo und die Elektroautomarke Polestar. Die Tendenz der Importe nach Europa ist stark steigend, weil die Autos zu Preisen verkauft werden, mit denen europäische und amerikanische Hersteller nur schwer mithalten können. Solarenergie, Batterien und Elektroautos sind das, was die chinesischen Staatsmedien als „die neuen drei“ bezeichnen, und die drei Industriegüter ersetzen, die früher die Wirtschaft antrieben (Kleidung, Möbel und Haushaltselektronik). Das grüne Wirtschaftswunder findet derzeit vor allem in China statt. Und Brüssel ringt vergeblich nach einer Antwort.
Mehr als nur Passagier
Österreich wirkt angesichts dieser Zahlen europäischer und internationaler Klima- und Wirtschaftspolitik wie ein Passagier. Die schwarzgrüne Koalition ist in vielen klimapolitischen Fragen uneins und scheint zu wenig ambitioniert, die CO2Emissionen bis 2030 um fast die Hälfte zu reduzieren. Dennoch ist vieles in Bewegung geraten. Die Förderbudgets für den Klimaschutz erreichen in dieser Legislaturperiode nie dagewesene Höchststände. Seit 2020 wurden 21,4 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert. 5,7 Milliarden Euro stehen bis 2030 für Unternehmen bereit, die auf klimaneutrale Produktion wechseln. Davon allein drei Milliarden für die Umstellung von Industrieanlagen, die mehr als 15.000 Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Die Wasserstoffforschung nimmt in Oberösterreich Fahrt auf. Und auch in das Stromnetz wird investiert: Zwei Milliarden Euro stellt die Energie bis 2030 für den Ausbau und die Modernisierung dafür bereit; die Linz AG investiert 700 Millionen Euro in den Netzausbau. Klingt nach einem Programm für eine wettbewerbsfähige Zukunft.