E-Mobilität: Boom-erang?
Die Krise der E-Mobilität lässt sich anhand eines Namens auf den Punkt bringen: Henrik Fisker. Der geniale Autodesigner (Aston Martin, BMW) schlittert bereits zum zweiten Mal in die Pleite. Der rein elektrische Fisker Ocean sollte bei Magna in Graz 43.000-mal pro Jahr vom Band laufen. Gerade 10.142 Stück wurden produziert, nur rund 4.800 verkauft. Das kostet 500 Magna Mitarbeitern den Job und Ocean-Besitzern die gute Kinderstube. Ihre Autos verloren durch die Pleite bis zu 50 Prozent des Wertes in nur wenigen Wochen. Der Ocean ging sang- und klanglos unter. Neben technischen Problemen war es vor allem die flaue Nachfrage nach rein elektrischen Fahrzeugen weltweit. Auch in Oberösterreich. Während die Neuzulassungen von puren Stromern um 10 Prozent zurückgingen, boomt erstaunlicherweise die „Zwittervariante“ – der Hybrid, speziell Plug-in-Hybride. Sie verzeichnen ein Plus von 11 Prozent in Oberösterreich im ersten Quartal 2024, 18 Prozent in Deutschland und sogar 75 Prozent im E-Mobilitäts-Musterland China. Für die Asiaten kein großes Problem, schließlich ist Platzhirsch BYD nicht nur zweitgrößter globaler Hersteller von E-Autos, sondern weltweit größter bei Plug-in-Hybriden. Was aber in unseren Breitengraden besonders erstaunlich ist und die Branche überrascht: 2024 wurde die Förderung für Hybride gestrichen. Der Bonus ist Pfutsch. Ein Erklärungsversuch der Branche bezieht sich auf private PV-Anlagen. Überschüssiger Strom könnte verwendet werden, um die deutlich kleineren Hybrid-Batterien zu laden und damit zumindest teilweise „kostenlos“ unterwegs zu sein.
Rabattschlacht als Bremser?
Und damit zurück zu Henrik Fisker. Der präsentierte 2011 den „Karma“, einen Hybrid der anderen Art. Ein handelsüblicher 2,0-Liter-Motor aus dem GM-Regal war zum einen Range Extender, zum anderen lud er die Batterien wieder auf. Weltberühmt wurde der Karma als Wagen von Walden Schmidt in der Sitcom „Two and a half man“. Ashton Kutcher, Darsteller des Walden Schmidt, fuhr ebenso wie Leonardo DiCaprio einen Karma. Das Konzept galt bei ökologisch engagierten Promis als bahnbrechend. Doch dann kam Tesla und der reine Stromer. Nach einem jahrelangen Erfolgsrun bremst nun auch der Branchenprimus. Elon Musk, eben noch mit einem 56 Milliarden Dollar Bonus von den Aktionären ausgestattet, streicht weltweit 10 Prozent aller Tesla-Jobs. Musk selbst trug zum Abschwung des Stromermarktes einiges bei. Seine Rabattschlacht zur Ankurbelung der Verkaufszahlen entpuppte sich als Boomerang. Zum einen zogen die anderen Hersteller nach, zum anderen vergraulte er damit seine eigenen Kunden, deren gebrauchte Teslas wie Blei auf den Gebrauchtwagenplätzen landeten. Warum einen Gebrauchten kaufen, wenn man um fast dasselbe Geld einen Neuen bekommt?
Boom trotz Förderstopps
Apropos Geld: Die von der EU forcierte Mobilitätswende, sprich die Umstellung auf rein elektrische Antriebe bei Neuzulassungen bis 2035, wird laut Experten nicht zu schaffen sein. E-Mobilität ist vom Gewerbe getrieben. Private Käufer sind noch die Minderheit. Sie warten auf günstigere Modelle und die kommen – aus China. Mit den Strafzöllen verschafft die EU europäischen Autobauern vielleicht ein wenig Luft, verunsichert aber die Konsumenten weiter. Aus dieser Perspektive ist der Hybrid-Boom bei näherer Betrachtung fast logisch. Es ist eben jene Verunsicherung, die viele zum „goldenen Mittelweg“ greifen lässt. Hybride bieten null Emissionen im Stadtverkehr bei gleichzeitig großer Verbrennerreichweite. Dazu droht kein langes Warten an Stromtankstellen – Hybride lassen sich in der Regel an einer Haushaltssteckdose aufladen. Die Kombination aus E- und Verbrennerantrieb drückt zudem den Gesamtverbrauch. Das wusste auch Henrik Fisker. Sein Karma benötigte unter 2,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer, und das schon 2011.
Müssen Autobauer umdenken?
Längst schon schlagen die großen Hersteller Alarm. Die Kunden seien noch nicht bereit, die Umstellung würde zu lange dauern. So auch Volkswagen-CEO Oliver Blume. Er muss ein globales Minus von 25 Prozent bei reinen E-Fahrzeugen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. Fast alle kürzen ihre E-Montagekapazitäten. Fast alle stocken bei Hybriden wieder auf. Ford und GM, einst Pioniere dieser Antriebsvariante, standen kurz davor, die „Doppelherzen“ einzumotten. Diese Pläne sind nun vom Tisch. Auch Hersteller wie Volvo oder Jaguar, die bis 2030 ausschließlich reine Stromer produzieren wollten, dürften wohl ihre Strategie überdenken. Und das wegen einer Technologie, die schon für tot erklärt wurde. Die Kunden haben die Autobauer Lügen gestraft.
Die Schattenseite des Hybridantriebs
Allerdings hat das Revival des Hybrids auch seine dunkle Seite. Experten des US-Forschungsinstituts ISI fanden heraus, dass Hybride mehr statt weniger Sprit benötigen würden. Und zwar dann, wenn nicht geladen, sprich auf den E-Antrieb verzichtet wird. Hybride sind durch ihr erhöhtes Gewicht – deren Batterien wiegen zwischen 50 und 100 Kilo – und bedingt durch den zusätzlichen E-Motor weit durstiger. ISI rechnet vor, dass nur 11 bis 15 Prozent der Strecken rein elektrisch gefahren würden. Ein Wert, der für das kleine Österreich nur bedingt zählt. Die durchschnittliche tägliche Fahrtstrecke in Österreich liegt bei unter 40 Kilometern. Eine Reichweite, die fast jeder handelsübliche Plug-in-Hybrid bewerkstelligt.