Die Welt dreht sich wieder
Lockdowns, unterbrochene Lieferketten, Produktionsstillstand: Das Jahr 2020 war aus der Sicht der Exportwirtschaft eine Herausforderung. Und dennoch weist die heimische Leistungsbilanz während der Pandemie einen Überschuss auf. Mit 9,5 Milliarden Euro ist Österreich im Plus – und das, obwohl die Ausfuhren auf ein historisch tiefes Niveau absackten. Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft bildet der Saldo von Exporten und Importen eine wichtige ökonomische Größe. In der Leistungsbilanz werden alle Waren und Dienstleistungen, die eingeführt oder ins Ausland ausgeführt werden gegenübergestellt.
Überschuss in Handelsbilanz
Ein ökonomisch gesund entwickeltes Land weist in der Regel einen positiven Saldo aus. Beim traditionellen Exportland Österreich war das zum 19. Mal in Folge der Fall. Insgesamt sanken die Exporterlöse im Vorjahr jedoch um 7 Prozent. Rückgänge in dieser Größenordnung gab es bei allen Handelspartnern. „Wir sehen auch in der Außenwirtschaft, dass es sich um einen symmetrischen Schock handelt: Alle waren in ähnlichem Ausmaß von ähnlichen Herausforderungen betroffen und haben ähnliche Maßnahmen ergriffen“, sagt Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Österreichischen Nationalbank. Ohne staatliche Hilfsmaßnahmen wären die Wirtschaftseinbrüche europaweit viel dramatischer gewesen, so Haber. Das Geld dafür habe sich die österreichische Republik durch Anleihenemissionen geholt – insgesamt 34,4 Milliarden Euro.
Exporte kommen in Fahrt
Im Jahr 2021 läuft die heimische Exportwirtschaft wieder auf vollen Touren. Im ersten Quartal stiegen die Einfuhren gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,4 Prozent auf 40,39 Milliarden Euro, die Ausfuhren erhöhten sich um 3,8 Prozent auf 38,83 Milliarden Euro. Laut Statistik Austria verdreifachte sich das Defizit der Handelsbilanz gegenüber den ersten drei Monaten des Vorjahres. Starke Exportzuwächse gab es insbesondere mit Deutschland (+6,0 Prozent), China (+35,7 Prozent), die Vereinigten Staaten (+9,5 Prozent), Italien (+9,3 Prozent) und Polen (+12,3 Prozent). Exportseitig rückläufig war der Warenverkehr mit Frankreich (-19,3 Prozent), der Schweiz (-5,8 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (-8,9 Prozent).
Heuer bereits Niveau von 2019
Es war ein Stresstest für die Weltwirtschaft – und diese hat sich besser geschlagen als erwartet. Die Welthandelsorganisation WTO rechnet sogar damit, dass der globale Warenaustausch bereits in diesem Jahr das Niveau von 2019 erreichen wird. Und es zeigte sich einmal mehr: Die Globalisierung ist nicht am Ende, sondern sie war während der Pandemie Teil der Lösung. Pakete, Supermärkte, Tankstellen: Die Lieferketten funktionierten wie geschmiert. Die gegenwärtige Knappheit vieler Rohstoffe lässt sich auf den Nachholeffekt zurückführen. „Die Globalisierung krankt weniger an ihren Schwächen, sie ist vielmehr ein Opfer ihres eigenen Erfolgs“, schreibt Gerald Hosp in der Neuen Zürcher Zeitung. Die weltweite Arbeitsteilung sei eine der wirkungsvollsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut in Entwicklungs- und Schwellenländern. Für diejenigen in den Industrieländern, die ihren Job deswegen verloren haben, habe die Politik jedoch häufig zu wenig getan.
Globalisierung als Naturgesetz
Im Vorjahr wurde noch viel von einem Aus für die Globalisierung und dem Ende der globalen Produktionsketten geschrieben. Die Industrie solle ihre Produktion nach Europa holen – was ja in einigen Bereichen durchaus Sinn macht. Für Karl Gernandt, ehemaliger Chef des Logistikunternehmens Kühne + Nagel, ist die Globalisierung „ein Naturgesetz“, so lange es Lohnunterschiede und Nachfrageunterschiede auf der Welt gibt. „Das ist wie eine Kugel in einem Halbrund, die sich bewegt. Die wird immer rollen“, sagt er. Und ein Argument leuchtet auch dem letzten Kritiker ein: In einer globalisierten Welt wäre die Entwicklung von Impfstoffen nie so schnell realisiert worden.