Apotheken - mehr als nur Medikamente
Die österreichischen Apotheken blicken auf wechselreiche Jahre zurück. Während der Pandemie wurden aufgrund der Testpflicht sogar Menschen mit Weißkittelphobie zu Dauergästen. Doch heute ärgern sich viele über Medikamentenengpässe. Und der Weg in die Apotheke wird durch ein paar Klicks am Computer ersetzt. Die Apotheken erkennen aber ihr Potenzial, drängen ebenfalls auf den neuen Markt und kämpfen dafür, mehr Dienstleistungen anbieten zu können.
Back to Europe
Das Problem von Lieferengpässen ist kein neues. „Die aktuelle Situation liegt im langjährigen Durchschnitt“, sagt Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr. Sie betont, dass in 95 Prozent der Fälle direkt in der Apotheke eine Lösung gefunden werden kann. Beispielsweise mit einem wirkungsgleichen Medikament oder der Herstellung in der Apotheke. Leider ist der Aufwand in solchen Fällen jedoch enorm. Die Gründe für die Lieferengpässe sind bereits in der Produktion zu suchen. Ein Großteil der Rohstoffe wird in Asien hergestellt, wo es mitunter zu massiven Produktionsausfällen kommt. „Darüber hinaus existiert oft nur ein einziger Hersteller weltweit“, erklärt Mursch-Edlmayr. Ihr Apell ist es, gesamteuropäische Lösungen für die Produktions-, Liefer- und Lagerschwierigkeiten zu finden: „Produktion und Lagerung von Arzneimitteln müssen daher nach Europa zurückgeholt werden.“
Digitaler Medikamentenschrank
Österreichische Apotheken sind aus Gründen der Qualitätssicherung inhabergeführte Kleinunternehmen. Im Sinne ihres Versorgungsauftrags halten sie ein Gesamtlager, welches auch Produkte umfasst, die eine geringe Nachfrage haben „Reine Online-Apotheken folgen vielmehr dem Prinzip des ‚Rosinen-Herauspickens‘ und beschränken sich auf Artikel, die höhere Gewinne abwerfen“, kritisiert Mursch-Edlmayr die digitalen Handelsriesen, die ihren Firmensitz in der Regel im Ausland haben. Sie merkt aber auch an, dass am Onlinemarkt immer mehr österreichische Apotheken erfolgreich sind. Wichtig ist ihr, dass die Möglichkeit einer Arzneimittelberatung durch einen Apotheker nicht verloren geht. Selbst wenn der Kauf über die Webseite stattfindet.
Ärzte versus Apotheker
Die neue Apothekengesetzesnovelle ermöglicht es Pharmazeuten, einfache Gesundheitstest durchzuführen. Bei der Ärztekammer sah man diese Kompetenzausweitung gar nicht gerne. Man argumentierte in der Vergangenheit mit Qualitätsminderung. Außerdem wies man darauf hin, dass ein Gesundheitstest ohne ärztliche Behandlung wenig Wert besäße. Mursch-Edlmayr argumentiert dagegen, dass die Apotheke eine andere Zielgruppe ansprechen würde: „Viele Menschen wünschen einen raschen Überblick über bestimmte Gesundheitsparameter ohne Wartezeiten.“ Die Befürchtung der Ärztekammer, dass kranke Patienten dadurch erst später den Arzt aufsuchen würden, teilt sie nicht. Erkrankungen wie Blutzucker oder Bluthochdruck würden von Patienten nicht aktiv wahrgenommen werden und der Gesundheitstest in der Apotheke könnte der Früherkennung dienen. „Die Apotheke ermöglicht die rasche Identifizierung etwaiger Gesundheitsmängel und empfiehlt gegebenenfalls die weitere Abklärung in der Arztpraxis.“
Impfbereit
Eine Bastion, welche die Ärztekammer bis heute verteidigt, ist das Impfen. Als man in der Pandemie Möglichkeiten zur Durchimpfung großer Menschenmengen benötigte, wurde man in der Apothekerkammer hellhörig. „Die Apothekerschaft hat daher der Politik das Angebot unterbreitet, die Ärzteschaft beim Impfen der Bevölkerung aktiv zu unterstützen“, erzählt Mursch-Edlmayr. Laut ihr würden immer mehr Entscheidungsträger und Institutionen den Schritt zum Impfen in Apotheken begrüßen. Ende vergangenen Jahres ist Gesundheitsminister Johannes Rauch mit dem Vorstoß jedoch nach eigenen Aussagen „am Widerstand bestimmter Interessengruppen, speziell der Ärzteschaft“ gescheitert. Dabei hätten 2.000 Apotheker bereits die notwendige Ausbildung und sind bereit, mit dem Impfen loszulegen. Für Mursch-Edlmayr ist es wichtig, vorbereitet zu sein: „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das Impfen durch Apotheker auch in Österreich Realität ist.“ Das wäre für sie ein wichtiger Schritt, denn bei Diphtherie, Tetanus und Pertussis bildet Österreich gemeinsam mit Rumänien das europäische Schlusslicht bei der Durchimpfungsrate. Und die Ärzte versucht die Apothekerkammer-Präsidentin zu beruhigen: „Durch Impfungen in den Apotheken steigt auch die Impfnachfrage in den Arztordinationen.“ Ob diese Worte wie ein Beruhigungsmittel auf die Ärztekammer wirken können, ist fraglich.